Wozu der Mietvertrag Sie wirklich verpflichtet: ➠ Lassen Sie Ihren Vertrag prüfenDer Begriff „Verbraucherpreisindex“ ist in Zeiten spürbarer Inflation allgegenwärtig. Er misst die Teuerungsrate in Deutschland und beeinflusst wirtschaftliche wie politische Entscheidungen. Doch auch im Zivilrecht, insbesondere im Mietrecht, kommt diesem Index eine wichtige Bedeutung zu. Ob bei der direkten Anpassung der Miete über eine
Indexmietvereinbarung oder als Faktor bei der Erstellung von
Mietspiegeln – die Entwicklung des Verbraucherpreisindex kann erhebliche finanzielle Auswirkungen für Mieter und Vermieter haben.
Was misst der Verbraucherpreisindex?
Der Verbraucherpreisindex wird vom Statistischen Bundesamt (Destatis) monatlich ermittelt und veröffentlicht. Er misst die durchschnittliche Preisentwicklung aller Waren und Dienstleistungen, die von privaten Haushalten in Deutschland für Konsumzwecke gekauft werden. Hierzu wird ein fiktiver „Warenkorb“ zusammengestellt, der eine Vielzahl von Gütern des täglichen Bedarfs, langlebige Wirtschaftsgüter wie Autos und auch Dienstleistungen von der Miete bis zum Friseurbesuch umfasst. Die prozentuale Veränderung des Indexstandes im Vergleich zum Vorjahresmonat wird als Inflationsrate bezeichnet.
Eine wesentliche Eigenschaft des Verbraucherpreisindex ist seine regelmäßige Überarbeitung. Alle fünf Jahre wird der Index auf ein neues Basisjahr umgestellt. Aktuell ist das Basisjahr 2020 = 100. Mit der Veröffentlichung des Berichtsmonats Januar 2023 am 22. Februar 2023 erfolgte die Umstellung von der bisherigen Basis 2015 auf das Basisjahr 2020.
Diese Umstellung ist notwendig, um veränderte Konsumgewohnheiten der Bevölkerung abzubilden und die Repräsentativität des Warenkorbs sicherzustellen. Diese turnusmäßige Anpassung des Basisjahres hat, wie sich zeigen wird, erhebliche praktische Relevanz bei der Formulierung von Mieterhöhungsverlangen.
Indexmiete: Direkte Kopplung der Miete an die Inflation
Die wohl direkteste Verbindung zwischen Verbraucherpreisindex und Miete stellt die Vereinbarung einer Indexmiete gemäß
§ 557b Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) dar. Bei einer solchen Vereinbarung wird die Miete nicht, wie sonst üblich, an die
ortsübliche Vergleichsmiete gekoppelt, sondern direkt an die Entwicklung des vom Statistischen Bundesamt ermittelten Verbraucherpreisindex für Deutschland. Steigt der Index, kann der Vermieter die Miete entsprechend erhöhen; sinkt er, hat der Mieter theoretisch einen Anspruch auf Herabsetzung.
Eine Indexmieterhöhung ist jedoch an bestimmte formelle Voraussetzungen geknüpft. Die Erhöhung tritt nicht automatisch ein, sondern muss vom Vermieter in Textform geltend gemacht werden. In der Erklärung müssen die eingetretene Änderung des Preisindexes, die jeweilige Miete und der Erhöhungsbetrag in einem Geldbetrag angegeben werden. Die neue Miete ist dann mit Beginn des übernächsten Monats nach dem Zugang der Erklärung zu entrichten. Zwischen zwei Mieterhöhungen muss zudem immer mindestens ein Jahr liegen, in dem die Miete unverändert geblieben ist.
Die formalen Anforderungen an das
Erhöhungsschreiben sind streng auszulegen, da sie dem Mieter eine unkomplizierte Überprüfung der Berechnung ermöglichen sollen. Eine in der Praxis oft fehlerhaft umgesetzte Anforderung betrifft die genaue Bezeichnung des zugrunde liegenden Index. Es reicht nicht aus, nur die alten und neuen Punktwerte zu nennen.
Das Amtsgericht Starnberg hat in einer Entscheidung (AG Starnberg, 21.02.2014 - Az:
2 C 1641/13) klargestellt, dass zur erforderlichen Angabe der eingetretenen Änderung des Preisindexes grundsätzlich auch die Angabe geboten ist, aus welchem Verbraucherpreisindex nebst Basisjahr die Punktzahlen entnommen wurden. Ohne diese Information seien die Daten für den Mieter nicht nachvollziehbar und überprüfbar, was dem Zweck der gesetzlichen Regelung widerspreche. Im verhandelten Fall war im
Mietvertrag noch das Basisjahr 2000 vereinbart. Zum Zeitpunkt der Erhöhungserklärung hatte das Statistische Bundesamt den Index jedoch bereits auf das Basisjahr 2010 umgestellt. Der Vermieter hatte in seinem Schreiben weder das alte noch das neue Basisjahr genannt, was die gesamte Erhöhung formell unwirksam machte. Das Gericht führte aus, dass in solchen Fällen eine ergänzende Vertragsauslegung geboten sei, wonach der Verbraucherpreisindex mit der jeweils aktuellen Basis Anwendung findet. Umso wichtiger sei es dann aber, diese aktuelle Basis im Erhöhungsschreiben explizit zu benennen, damit der Mieter die Berechnungsgrundlage klar erkennen kann.
Welche Rolle spielt der Verbraucherpreisindex bei der Erstellung von Mietspiegeln?
Nicht nur bei Indexmietverträgen spielt der Verbraucherpreisindex eine wichtige Rolle – er wird auch bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete herangezogen.
Mieterhöhungen bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete nach
§ 558 BGB werden in vielen Gemeinden durch
Mietspiegel begründet. Ein Mietspiegel ist eine Übersicht über die üblichen Entgelte, die in der Gemeinde für Wohnraum vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage gezahlt werden.
Da die Neuerstellung eines Mietspiegels durch aufwendige Datenerhebungen sehr kostspielig ist, sehen die gesetzlichen Regelungen (
§ 558c Abs. 2 und
§ 558d Abs. 2 BGB) die Möglichkeit der Fortschreibung vor. Ein einfacher Mietspiegel kann und ein qualifizierter Mietspiegel muss nach zwei Jahren an die Marktentwicklung angepasst werden. Diese Anpassung kann entweder durch eine erneute Stichprobe oder eben durch die Entwicklung des Verbraucherpreisindex erfolgen. Die Fortschreibung anhand des Verbraucherpreisindex ist eine gängige und vom Gesetzgeber vorgesehene Methode, um Mietspiegel aktuell zu halten.
Die Anerkennung eines solchen fortgeschriebenen Mietspiegels durch die Gerichte hängt jedoch von der Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben ab. Das Amtsgericht Berlin-Neukölln hatte beispielsweise über die Wirksamkeit des
Berliner Mietspiegels 2021 zu entscheiden, der eine Index-Fortschreibung des Vorgängermietspiegels darstellte (AG Berlin-Neukölln, 07.07.2021 - Az:
13 C 43/21). Das Gericht bestätigte, dass der Mietspiegel zumindest die Anforderungen an einen einfachen Mietspiegel nach § 558c BGB erfüllt. Es stellte fest, dass die Fortschreibung mittels Verbraucherpreisindex eine zulässige Methode ist und dass die für einen einfachen Mietspiegel erforderliche Mitwirkung von Interessenvertretern der Vermieter und Mieter gegeben war. Ein solcher Mietspiegel entfaltet damit zumindest eine Indizwirkung dafür, dass die darin ausgewiesenen Werte die ortsübliche Vergleichsmiete korrekt abbilden. Diese Indizwirkung kann zwar im Prozess erschüttert werden, dafür bedarf es jedoch substanziierter Einwände gegen die Erstellungsmethodik.
Mieterhöhung mit pauschalem Inflationszuschlag auf den Mietspiegel?
In jüngster Zeit versuchen Vermieter vermehrt, die allgemeine hohe Inflation für Mieterhöhungen zu nutzen, die über die Werte des geltenden Mietspiegels hinausgehen. Die Argumentation lautet dabei oft, dass zwischen dem Stichtag der Datenerhebung für den Mietspiegel und dem Zugang des Mieterhöhungsverlangens eine erhebliche Inflation stattgefunden habe, die durch einen pauschalen „Stichtagszuschlag“ auf die Miete ausgeglichen werden müsse. Begründet wird dieser Zuschlag dann mit dem Anstieg des Verbraucherpreisindex.
Dieser Praxis hat das Landgericht München I eine klare Absage erteilt (LG München I, 17.07.2024 - Az:
14 S 3692/24). In dem Beschluss stellte das Gericht fest, dass sich eine angebliche „ungewöhnliche Steigerung der ortsüblichen Vergleichsmiete“ nicht mit einem allgemeinen Anstieg des Verbraucherpreisindex begründen lässt. Die Kammer führte aus, dass dem Verbraucherpreisindex für den spezifischen Anstieg der Wohnungsmieten und erst recht für die Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete keine belastbare Aussage entnommen werden könne. Der Warenkorb des Verbraucherpreisindex ist breit gefächert und umfasst rund 700 Güterarten. Die Entwicklung der Mieten kann sich jedoch völlig anders gestalten als die Preisentwicklung von Energie, Lebensmitteln oder Pauschalreisen.
Das Gericht betonte zudem, dass die Einführung einer solchen „Stichtagspraxis“ zu erheblicher Rechtsunsicherheit führen und die wichtige Befriedungsfunktion des Mietspiegels, gerade in angespannten Wohnungsmärkten, gefährden würde. Zwar hat der Bundesgerichtshof in einer älteren Entscheidung den Gerichten einen Beurteilungsspielraum für die Berücksichtigung von Entwicklungen nach dem Mietspiegelstichtag eingeräumt. Dieser greift aber nur bei nachgewiesenen, ungewöhnlichen Steigerungen der ortsüblichen Vergleichsmiete selbst, nicht der allgemeinen Lebenshaltungskosten. Ein Verweis auf den Verbraucherpreisindex genügt für einen solchen Nachweis nicht. Versuche von Vermietern, die allgemeine Inflation pauschal auf die Mieten umzulegen sind daher zum Scheitern verurteilt.