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Anordnung des paritätischen Wechselmodells unterfällt ausschließlich dem Sorgerecht

Familienrecht | Lesezeit: ca. 6 Minuten

Die Anordnung des paritätischen Wechselmodells betrifft das Sorge-, nicht das Umgangsrecht. Deswegen ist eine einstweilige Anordnung, mit der ein paritätisches Wechselmodell angeordnet wird, anfechtbar.

Der Entscheidung lag der nachfolgende Sachverhalt zugrunde:

Die Eltern der betroffenen Kinder hatten sich im Rahmen gegenläufiger Sorge– und Umgangsanträge im Jahr 2018 auf das sog. paritätische Wechselmodell geeinigt. Die seinerzeit ein Jahr bzw. fünf Jahre alten Kinder wechselten seither mehrfach während der Woche zwischen den Eltern. Im Sommer 2019 beantragte die Mutter vor dem Familiengericht eine Abänderung der Vereinbarung und eine Anordnung des sog. Residenzmodells, bei dem die Kinder bei regelmäßigen Umgängen überwiegend von ihr betreut werden. Die Beteiligten behandelten das Verfahren als Umgangsverfahren (in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Zulässigkeit der umgangsrechtlichen Anordnung eines Wechselmodells). Die Eltern konnten sich in diesem Hauptsacheverfahren nicht auf eine Betreuungsform einigen. Derzeit wird in diesem Verfahren ein Gutachten zu der Frage eingeholt, welche Betreuungsform mit dem Wohl der Kinder am besten vereinbar wäre.

Das Familiengericht hat wegen der fehlenden Einigung außerdem von Amts wegen das hier gegenständliche einstweilige Anordnungsverfahren als Umgangsverfahren eingeleitet. Es ordnete an, dass die Eltern nunmehr die Kinder wochenweise abwechselnd betreuen und ging dabei davon aus, dass diese Anordnung in Anbetracht der fehlenden Anfechtbarkeit von einstweiligen Anordnungen zum Umgang unanfechtbar bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens gelten wird.

Mit ihrem Rechtsmittel hat die Mutter nunmehr erfolgreich geltend gemacht, dass diese Einschätzung unrichtig und damit eine Beschwerde gegen die einstweilige Anordnung zulässig ist. Das OLG betonte, dass die Anordnung des paritätischen Wechselmodells eine sorgerechtliche Regelung enthält und nicht nur eine Umgangsregelung trifft.

Entscheidungen über den Lebensmittelpunkt des Kindes - oder die paritätische Aufteilung eines Lebensmittelpunktes - unterfallen dem Aufenthaltsbestimmungsrecht, nicht dem Umgangsrecht. Der Gesetzgeber hat ersichtlich mit „Umgang“ eine den „Beziehungserhalt gewährende Besuchsregelung“ gemeint. Die elterliche Sorge, die sich auf das Aufenthaltsbestimmungsrecht erstreckt, beinhalte dagegen eine Aufenthaltslösung, die einen überwiegend betreuenden Elternteil schafft. Auch aus der Gesetzesgeschichte folgt, dass der Gesetzgeber zwischen einem betreuenden Elternteil und einem „nur“ umgangsberechtigten Elternteil Entscheidungen getroffen hat, die den unterschiedlichen Regelungsgehalt beider rechtlichen Kategorien abbilden.

Das OLG widerspricht damit der Rechtsprechung des BGH, der trotz breit geäußerter Kritik daran festhalte, dass das Wechselmodell über eine Umgangsregelung angeordnet werden könne. Die Auswirkungen dieser nach Ansicht des Senats unrichtigen Einordnung zeigten sich besonders deutlich in dem vorliegenden Verfahren: Sie habe zur Folge, dass einstweilige Anordnungen unanfechtbar wären, obwohl sie für Monate - wenn nicht Jahre - elementare Lebensbedingungen für Kinder und Eltern festschrieben. Dies betreffe faktisch unabänderlich nicht nur die persönlichen Belange, sondern auch Unterhaltsfragen, das Recht auf staatliche Unterhaltsvorschüsse, Meldeverhältnisse etc.

Die Einordnung in das Umgangsrecht führe auch zu einer vom Gesetzgeber unerwünschten Erweiterung staatlicher Eingriffsbefugnisse. Grundsätzlich sei das in Art. 6 GG verwurzelte Erziehungsrecht der Eltern zu respektieren. Einstweilige Anordnungen von Amts wegen könnten in Sorgerechtsverfahren deswegen nur bei einer festgestellten Kindeswohlgefährdung ergehen. Diese Eingriffsschwelle würde untergraben, wenn das paritätische Wechselmodell als Umgangslösung gedacht und von Amts wegen angeordnet werden könne.

Der Beschluss des Familiengerichts wurde aufgehoben, weil kein Elternteil eine Abänderung der ursprünglich getroffenen Vereinbarung im Eilverfahren beantragt hatte und das OLG keinerlei Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung erkennen konnte. Die Eltern hatten sich ohnehin für die Zeit des schwebenden Verfahrens auf eine leicht geänderte und mit weniger Wechseln verbundene Betreuung der Kinder geeinigt.

Die im Eilverfahren ergangene Entscheidung ist nicht anfechtbar.


OLG Frankfurt, 29.01.2020 - Az: 2 UF 301/19

Quelle: PM des OLG Frankfurt

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