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Corona-Pandemie: Anpassung des Mietvertrags wegen Störung der Geschäftsgrundlage?

Corona-Virus | Lesezeit: ca. 34 Minuten

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Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung rückständiger Miete für den Monat April 2020 in Anspruch.

Die Parteien schlossen am 19./21.07.2005 einen Mietvertrag über Gewerberäume in dem Objekt A in B. Ausweislich des Mietvertrages erfolgte die Vermietung zur Nutzung als Verkaufs- und Lagerräume eines Einzelhandelsgeschäftes für Textilien aller Art sowie aller Waren des täglichen Ge- und Verbrauchs. Die Miete beträgt 7.785,36 € monatlich und ist bis zum fünften des jeweiligen Monats im Voraus zu zahlen.

Im Zuge der Corona- Pandemie ordnete die Stadt B - in Fortschreibung der Erlasse vom 15. und 17.03.2020 des Landes NRW zu weiteren kontaktreduzierenden Maßnahmen – mit einer am 17.03.2020 erlassenen Allgemeinverfügung die Schließung grundsätzlich sämtlicher Verkaufsstätten des Einzelhandels in der Zeit vom 18.03.2020 bis einschließlich 19.04.2020 an. Demzufolge musste auch die streitgegenständliche Filiale der Beklagten in dem genannten Zeitraum geschlossen werden.

Nach entsprechender Ankündigung mit Schreiben vom 24.03.2020 zahlte die Beklagte die Miete für den Monat April 2020 nicht und rechnete gegen die Mietzahlungspflicht für die Zeit vom 20.04.2020 bis 30.04.2020 mit der aus ihrer Sicht überzahlten Miete für die Zeit vom 18.03.2020 bis 31.03.2020 auf. Die folgenden Mietzahlungen erbrachte die Beklagte vollständig.

Die Klägerin hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, dass die Beklagte auch für den Zeitraum der zwangsweisen Schließung ihres Einzelhandelsgeschäfts zur vollständigen Entrichtung der Miete verpflichtet sei.

Weder liege ein Mangel der Mietsache vor noch sei der Beklagten als Voraussetzung von § 313 Abs. 1 BGB das Festhalten am Vertrag unzumutbar. Die Beklagte habe eine Existenzgefährdung oder eine vergleichbare, zur Unzumutbarkeit führende wirtschaftliche Beeinträchtigung weder substantiiert dargelegt noch bewiesen. Insbesondere sei ihr Vortrag, sie habe keine staatlichen Hilfen erhalten, nicht überzeugend.

Die Beklagte hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, dass sie für die Zeit der Filialschließung nicht verpflichtet sei die Miete für das streitgegenständliche Objekt zu leisten.

Die Mietzahlungspflicht sei gemäß § 536 Abs. 1 S. 1 BGB entfallen, weil in der staatlichen Schließungsanordnung ein Mietmangel im Sinne dieser Vorschrift zu sehen sei.

Jedenfalls sei von einer vorübergehenden Unmöglichkeit der Gebrauchsüberlassung im Sinne von § 326 Abs. 1 BGB auszugehen.

Zudem liege es – unter Heranziehung von § 134 BGB als Auslegungsregel - gedanklich nahe, dass die wechselseitigen Hauptpflichten bei Fortbestand des Mietvertrages temporär „suspendiert“ gewesen seien.

Letztlich sei zumindest der Mietvertrag auf Grundlage der Grundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) anzupassen. Unter Anwendung dieser Grundsätze halte sie eine hälftige Risikoteilung für sachgerecht. Sie behauptet hierzu, dass sie im März 2020 im Vergleich zum Vorjahr einen Rückgang des Nettoumsatzes von 50,8 % und im April 2020 von 54,5 % habe verzeichnen müssen. Der erhebliche Umsatzausfall und die damit verbundene Liquiditätslücke hätten nicht durch verstärkten Online- Handel kompensiert werden können. Sie habe auch versucht ihren Umsatzrückgang durch die Nutzung von Kurzarbeit, Steuererleichterungen oder der Inanspruchnahme staatlicher Finanzierungsunterstützung zu kompensieren. Eine staatliche Finanzierungsunterstützung habe allerdings nicht erreicht werden können.

Das Landgericht hat die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 3.562,02 € nebst Zinsen verurteilt und zur Begründung ausgeführt, die Beklagte habe teilweise erfolgreich einen Anspruch auf Vertragsanpassung für die Zeit vom 01.04.2020 bis 19.04.2020 gemäß § 313 Abs. 1 BGB einredeweise gegen die Klageforderung geltend gemacht. Die Voraussetzungen des § 313 Abs. 1 BGB lägen vor. Die gemeinsame Geschäftsgrundlage sei in der Zeit der zwangsweisen Schließung der Geschäftsräume gestört gewesen. Das Auftreten der Corona- Pandemie und die daraufhin ergangene Schließungsanordnung falle nicht in den Risikobereich einer der Parteien. Der Beklagten sei das Festhalten am unveränderten Vertrag für den Geltungszeitraum der Schließungsanordnung nicht zuzumuten. Dass während der zwangsweisen Schließung jedenfalls vor Ort in dem Einzelhandelsgeschäft der Beklagten kein Umsatz habe erzielt werden können, sei offensichtlich. Dieser Umsatzverlust habe durch den Online- Handel nicht aufgefangen werden können. Angemessen erscheine eine Anpassung des Mietverhältnisses auf die Hälfte des Mietzinses, da das Risiko für die Betriebsuntersagung in gleichem Maß außerhalb des Risikobereichs von Mieter und Vermieter liege. Demzufolge sei der Mietanspruch gemäß § 389 BGB in Höhe von 1.757,98 € infolge der von der Beklagten erklärten Hilfsaufrechnung mit einem Rückzahlungsanspruch wegen einer im März 2020 überzahlten Miete erloschen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin unter Aufrechterhaltung ihres erstinstanzlichen Begehrens sowie ihres erstinstanzlichen Vorbringens mit der Berufung. Sie rügt, das Landgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Beklagten das Festhalten am unveränderten Vertrag für den Geltungszeitraum der Schließungsanordnung nicht zumutbar gewesen sei. Die Unzumutbarkeit sei von der Beklagten trotz ihres Bestreitens und ihrer weiteren Einwendungen nicht bewiesen worden. Das Maß der Unzumutbarkeit sei letztlich nur bei substantiierter Darlegung des Mieters erreicht, in der eigenen Existenz gefährdet oder jedenfalls in einem solchen Ausmaß wirtschaftlich betroffen zu sein, dass ein weiteres Festhalten am unveränderten Mietvertrag unter Berücksichtigung aller übrigen Umstände als unzumutbar erscheine. Diesem Erfordernis sei die Beklagte nicht nachgekommen. Den behaupteten Nettoumsatzrückgängen im März bzw. April 2020 seien jedenfalls die ersparten Mitarbeiterkosten durch die Inanspruchnahme von Kurzarbeit oder etwaige Rücklagen gegenzurechnen. Auch Verhandlungen mit Lieferanten hätten eventuell zu Ersparnissen bei der Beklagten führen können. Auch sei es für die Beklagte grundsätzlich möglich gewesen, den Online- Handel auszuweiten oder dies zumindest zu versuchen. Auch ergebe sich aus dem Vortrag der Beklagten nicht, ob ein Anspruch auf staatliche Leistungen bestanden habe oder aus welchen Gründen dieser nicht bestanden habe. Jedenfalls wäre ein ernsthaftes Bemühen der Beklagten um die Erlangung staatliche Hilfe vorauszusetzen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Aufrechterhaltung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

Sie trägt ergänzend vor, dass es einer Existenzgefährdung oder einer entsprechenden wirtschaftlichen Lage ihrerseits nicht bedürfe. Unabhängig davon sei es Tatsache, dass der Textilhandel ab März 2020 historische Einbrüche erlitten habe. Soweit die Berufung in Zweifel ziehe, dass sie keine öffentlichen Hilfen erhalten habe, verweist sie auf die Website des Wirtschaftsministeriums und führt aus, dass sie die dort aufgestellten Kriterien nicht erfülle. Im Übrigen seien entsprechende Hilfen nicht zu berücksichtigen. Beim Wareneinkauf könne sie kein Geld ersparen. Der Vorlauf der Warenbestellung betrage etwa neun Monate. Zum Kurzarbeitergeld sei anzumerken, dass sie, soweit möglich, ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt habe. Sie habe das bezahlen und abnehmen müssen, was sie bestellt hatte. Dadurch seien deutlich zu viele Textilien auf dem Markt gewesen, was zu erheblichen Rabatten im Abverkauf geführt habe. Das Instrument der Kurzarbeit habe sie schon im Eigeninteresse soweit es gegangen sei, genutzt. Im Übrigen sei Kurzarbeitergeld nicht zu berücksichtigen, da es sich schon nicht um eine öffentliche Förderung, sondern um eine durch Beiträge finanzierte Entgeltersatzleistung aus der Arbeitslosenversicherung handele. Im Übrigen komme es nach ihrer Auffassung gar nicht darauf an, ob und in welcher Höhe sie Kosten erspart habe oder hätte ersparen können. Es sei anzumerken, dass die Klägerin mit keinem Wort auf ihre eigene Situation eingehe, obwohl diese, wenn man eine Abwägung für notwendig erachte, ebenfalls zu berücksichtigen sei. Beispielsweise hätte die Klägerin sich dazu äußern können, ob die betreffende Miete über eine Versicherung erstattet worden sei.

Hierzu führte das Gericht aus:

Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten über den bereits erstinstanzlich ausgeurteilten Betrag hinaus ein weiterer Anspruch auf Zahlung der für April 2020 beanspruchten Miete in Höhe von 1.455,24 €, damit insgesamt ein Anspruch in Höhe von 5.017,26 €, aus § 535 Abs. 2 BGB zu.

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