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Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers, wenn dieser unter rechtlicher Betreuung steht und im Pflegeheim wohnt

Betreuungsrecht | Lesezeit: ca. 7 Minuten

Befand sich der Erblasser bis zu seinem Tod mehr als 10 Jahre in einem Pflegeheim am selben Ort, hatte er an diesem Ort seinen gewöhnlichen Aufenthalt.

Das gilt auch dann, wenn er während der gesamten Zeit wegen einer geistigen Erkrankung unter Betreuung stand und der Betreuer auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht ausgeübt hat.

Hierzu führte das Gericht aus:

Bereits der Umstand, dass die Erblasserin vor ihrem Tod 10 Jahre lang an diesem Ort lebte, spricht in objektiver Hinsicht dafür, dass sie dort ihren „Daseinsmittelpunkt“, mithin ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Dies gilt auch dann, wenn die Erblasserin aufgrund ihrer psychischen Erkrankung am allgemeinen Leben nur eingeschränkt teilgenommen hat, denn dies entsprach gerade ihrem Lebenszuschnitt. Insoweit teilt der Senat die in der Literatur vertretene Auffassung, dass auch Personen, die ohne oder mit nur wenig sozialer Integration und ohne besondere gesellschaftliche Kontakte leben, einen gewöhnlichen Aufenthalt haben/bilden.

Dem steht nicht entgegen, dass für die Erblasserin seit 1974 ein Betreuer bestellt war, zu dessen Aufgabenkreis auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht gehörte, die Erblasserin ihren Aufenthaltsort also nicht frei wählen durfte.

Dabei kommt es auf die umstrittene Frage, ob überhaupt eine subjektive Komponente für die Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts besteht und welche Anforderungen im Einzelnen erfüllt sein müssen, aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten des konkreten Falles im Ergebnis nicht an.

Soweit lediglich ein „natürlicher“ (nicht aber rechtsgeschäftlicher) Aufenthaltswille verlangt wird, liegt ein solcher hier zweifelsfrei vor, denn die Erblasserin erklärte wiederholt gegenüber ihrer Betreuerin, im Pflegeheim in S. bleiben zu wollen (und nicht in ihr früheres Pflegeheim umziehen zu wollen).

Nach der Ansicht, nach der es auf die getroffene Aufenthaltsbestimmung des Betreuers ankommt, weil die EuErbVO, auf die die Auslegung des Begriffes des gewöhnlichen Aufenthalts im Sinne des § 343 Abs. 1 FamFG zurückgeht, nicht nur die höchstpersönliche Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts zulässt, wäre vorliegend ebenfalls das Gericht am Ort des Pflegeheims, in dem die Erblasserin verstarb, zuständig. Für diese Ansicht spricht jedenfalls, dass ein Betreuer den Betreuten bei der Aufhebung/Begründung eines Wohnsitzes vertreten darf, so dass es naheliegt, dass der Betreuer auch den gewöhnlichen Aufenthalt des Betreuten bestimmen darf. Anderenfalls würde im vorliegenden Fall der Betreuer zwar im Jahre 2011 für die Betreute den Wohnsitz bestimmt haben, diese hätte aber am Ort ihrer einzigen Wohnung keinen gewöhnlichen Aufenthalt.

Soweit dagegen eingewendet wird, dass es in derartigen Fällen der Betreuer in der Hand hätte, durch die Verlagerung des Aufenthalts des Betreuten das anwendbare Recht zu bestimmen, kommt diese Erwägung vorliegend schon deswegen nicht zum Tragen, weil die Erblasserin Deutschland nicht verlassen hat und damit die Anwendung deutschen Erbrechts nicht zweifelhaft ist. Geht es wie vorliegend allein um die Frage, welches Nachlassgericht örtlich zuständig ist, erscheint der Verdacht einer entsprechenden Manipulation fernliegend. Im Übrigen wären bei grenzüberschreitenden Fällen etwaige Manipulationen über Art. 21 Abs. 2 EuErbVO zu erfassen.

Schließlich besteht im vorliegenden Einzelfall auch nicht das Problem des sog. „Demenztourismus“. Zwar ist nicht zu verkennen, dass durch die „Verbringung“ eines dementen Erblassers ins Ausland die bereits aufgezeigten Probleme hinsichtlich der Frage des anwendbaren Erbrechts und der gerichtlichen Zuständigkeit entstehen können.

Allerdings liegt ein solcher Fall hier schon nicht vor, so dass die Frage, wo der Erblasser bei festgestellter Demenz mit einem die freie Willensbildung ausschließenden Schweregrad seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, nicht entschieden werden muss. Zum einen fand kein Umzug ins Ausland statt. Zum anderen lässt sich nach Lage der Akten schon nicht ermitteln, an welcher psychischen Erkrankung die Erblasserin bei Anordnung der Betreuung im Jahre 1974 überhaupt litt, so dass eine eigene Willensbildung im Hinblick auf den Ort, an dem sie sich aufhalten möchte, grundsätzlich möglich, jedenfalls aber nicht ausgeschlossen ist. Hinzu kommt, dass Mißbrauchsfälle bei grenzüberschreitendem Aufenthaltswechsel über Art. 21 Abs. 2 EuErbVO lösbar wären.


OLG München, 09.02.2023 - Az: 33 UH 4/23e

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