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Verfassungsbeschwerde gegen die Entlassung als Betreuer der Tochter bzw. Schwester

Betreuungsrecht | Lesezeit: ca. 20 Minuten

Erklärt sich ein Familienangehöriger bereit, die Betreuung zu übernehmen und steht dem kein Vorschlag des Betroffenen entgegen, muss die Bestellung eines familienfremden Betreuers unter Berücksichtigung des in § 1897 Abs. 5 BGB zum Ausdruck kommenden Schutzes der Familie im Hinblick auf den konkret in Rede stehenden Aufgabenkreis und die Erfordernisse einer persönlichen Betreuung begründet werden.

Der Entscheidung lag der nachfolgende Sachverhalt zugrunde:

Die Beschwerdeführenden wenden sich gegen ihre Entlassung als Betreuerinnen und Betreuer ihrer weiterhin betreuungsbedürftigen Tochter und Schwester.

1. Die Beschwerdeführerin zu 1) ist die Mutter, die Beschwerdeführerin zu 2) und der Beschwerdeführer zu 3) sind die Geschwister der Betroffenen. Die Familie lebt in einer gemeinsamen Wohnung, in der die Betroffene seit ihrer Geburt auch gepflegt wird. Die Betroffene leidet seit dem Säuglingsalter an einem Zustand frühkindlicher Hirnschädigung. Sie bedarf einer umfassenden Pflege, die seitens ihrer Familie im häuslichen Umfeld geleistet wird. Für die Betroffene wurde mit dem Eintritt der Volljährigkeit eine Betreuung für alle Angelegenheiten eingerichtet und die Beschwerdeführenden als Betreuerinnen und Betreuer bestellt. Die Betreuung wurde in den Jahren 2006, 2013 und 2020 jeweils verlängert und verlief bis zu dem hier gegenständlichen Betreuerwechsel ohne Beanstandung.

2. Den Anlass für den Betreuerwechsel bildete ein Versäumnisurteil, mit dem die Betroffene zur Zahlung von knapp 2.000 Euro verurteilt wurde. Gegenstand des Verfahrens waren zwei Reparaturrechnungen betreffend einen Pkw, den der Beschwerdeführer zu 3) erworben und auf die Betroffene zugelassen hatte, um einen günstigeren Versicherungstarif zu erhalten. Gegen das Versäumnisurteil legten die Beschwerdeführenden keinen Einspruch ein.

3. Aus diesem Anlass leitete das Amtsgericht Ermittlungen zu der Eignung der Beschwerdeführenden als Betreuerinnen und Betreuer der Betroffenen ein, in deren Verlauf sich die Betreuungsbehörde für einen Betreuerwechsel aussprach. Das Amtsgericht entließ daraufhin die Beschwerdeführenden und bestellte einen Berufsbetreuer für alle Angelegenheiten. Zur Begründung führte das Gericht aus, die Eignung aller drei Beschwerdeführenden, die Angelegenheiten der Betroffenen zu besorgen, sei nicht mehr gewährleistet. Die Betroffene sei durch die Beschwerdeführenden insbesondere in finanziellen Angelegenheiten nicht hinreichend vertreten worden.

4. Die hiergegen gerichtete Beschwerde wies das Landgericht zurück. Der Beschwerdeführer zu 3) habe durch die Zulassung des Pkw auf die Betroffene und die fehlende Verteidigung gegen die Zahlungsklage das Vermögen der Betroffenen nicht nur gefährdet, sondern auch geschädigt und sich dadurch als ungeeignet für die Ausübung der Betreuung erwiesen. Die Beschwerdeführerinnen zu 1) und zu 2) hätten zwar das Vermögen der Betroffenen nicht aktiv geschädigt, jedoch durch ihr passives Verhalten die Vermögensschädigung seitens des Beschwerdeführers zu 3) ermöglicht. Eine Erklärung oder eine Distanzierung seien nicht erkennbar.

Die Entlassung sei auch nicht unverhältnismäßig, da minder schwere Maßnahmen nach § 1837 BGB nicht ausreichten, um das Vermögen der Betroffenen zu schützen. Die Erklärungsversuche für das Verhalten des Beschwerdeführers zu 3) seien nicht nachvollziehbar und ließen keine Einsicht erkennen. Der Entlassung stünde auch nicht entgegen, dass die Beschwerdeführenden die Betroffene seit ihrer Geburt pflegen und die Betreuung bislang ohne Beanstandung geführt wurde. Die Kammer verkenne auch nicht, dass ein Betreuer aus dem engeren Familienkreis gegenüber einem Berufsbetreuer grundsätzlich vorzuziehen sei. Bei Ungeeignetheit seien aber auch Angehörige als Betreuer zu entlassen. Zudem stehe der enge Zusammenhang der Aufgabenkreise einer Aufteilung auf mehrere Mitbetreuer entgegen.

Ein Verstoß gegen Grundrechte aus Art. 6 Abs. 1 GG liege nicht vor. Die Entlassung der Beschwerdeführenden als Betreuer stelle schon keinen Eingriff dar. Art. 6 Abs. 1 GG schütze zwar die Familie, gewähre Familienangehörigen aber kein Recht auf Bestellung als Betreuer.

Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführenden unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 31. März 2021 (BVerfG, 31.03.2021 - Az: 1 BvR 413/20) eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG in der Ausprägung als Willkürverbot.

Durch die angegriffenen Entscheidungen werde in nicht gerechtfertigter Weise in den Schutzbereich von Art. 6 Abs. 1 GG eingegriffen. Hinsichtlich der Beschwerdeführerinnen zu 1) und 2) folge dies daraus, dass ihre Entlassung auf einer reinen Prognoseentscheidung beruhe, die jedoch ohne Substanz sei. Das Gericht habe gerade nicht erfasst, dass der Schutzbereich von Art. 6 Abs. 1 GG betroffen sei und entsprechend bei seiner Abwägung den Schutz der Familie nicht hinreichend berücksichtigt. Aber auch hinsichtlich der Entlassung des Beschwerdeführers zu 3) habe das Landgericht den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG verkannt und nicht hinreichend berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer die Betroffene fast 19 Jahre gepflegt und betreut habe. Darüber hinaus fehlten jegliche Anhaltspunkte dahingehend, dass der Beschwerdeführer das beanstandete Verhalten in Zukunft wiederholen werde. Zu berücksichtigen sei auch, dass der Betreuerwechsel zu einer Neubestimmung des Aufenthaltsorts der Betreuten führen könne.

Das Bayerische Staatsministerium der Justiz, der neue Betreuer der Betroffenen sowie der Verfahrenspfleger der Betroffenen haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Die Akten des Ausgangsverfahrens lagen vor.

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