Geschäftsunfähigkeit setzt zunächst das Vorliegen einer irgendwie gearteten geistigen Anomalie voraus, wobei es weniger auf die Intensität der geistigen Störung ankommt, als vielmehr auf die Beeinträchtigung der Freiheit der Willensentschließung einschließlich der Fähigkeit zur Einsicht.
Ein einem Geschäftsunfähigen persönlich bekanntgegebener Verwaltungsakt ist fehlerhaft und nicht wirksam bekannt gemacht.
Hierzu führte das Gericht aus:
Die Klägerin ist nicht geschäftsfähig. Sie war demnach im Verwaltungsverfahren nicht handlungsfähig; sie konnte den im Verwaltungsverfahren auftretenden Rechtsanwalt zudem nicht wirksam bevollmächtigen. Der Bescheid wurde daher nicht wirksam bekannt gegeben. Der Bekanntgabefehler wurde auch nicht geheilt.
Die Klägerin steht seit dem 20. Februar 2017 unter
Betreuung. Allein die gerichtliche Bestellung einer
Betreuerin nimmt der Klägerin für sich genommen nicht die Geschäftsfähigkeit. Die Geschäftsfähigkeit ist nach § 104 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vielmehr eigenständig zu beurteilen. Hiernach ist geschäftsunfähig, wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist. Geschäftsunfähigkeit setzt zunächst das Vorliegen einer irgendwie gearteten geistigen Anomalie voraus. Die genaue medizinische Einordnung der krankhaften Störung der Geistestätigkeit ist ohne Bedeutung. Für die Anwendbarkeit des § 104 Nr. 2 BGB kommt es weniger auf die Intensität der geistigen Störung an, als vielmehr auf die Beeinträchtigung der Freiheit der Willensentschließung einschließlich der Fähigkeit zur Einsicht.
Ein Ausschluss der freien Willensbestimmung liegt vor, wenn jemand nicht imstande ist, seinen Willen frei und unbeeinflusst von der vorliegenden Geistesstörung zu bilden und nach den gewonnenen Erkenntnissen zu handeln. Abzustellen ist dabei darauf, ob eine freie Entscheidung nach Abwägung des Für und Wider bei sachlicher Prüfung der in Betracht kommenden Gesichtspunkte möglich ist oder ob von einer freien Willensbildung nicht mehr gesprochen werden kann. Willensschwäche und leichte Beeinflussbarkeit allein sind nicht ausreichend. Auch das Unvermögen, die Tragweite einer Willenserklärung zu ermessen, soll noch nicht dazu führen, Geschäftsunfähigkeit anzunehmen. Auch angeborener leichter bis mittlerer, früher sog. Schwachsinn soll zur Annahme der Geschäftsunfähigkeit nicht genügen, solange man noch einfache
Geschäfte des täglichen Lebens besorgen kann. Der eine freie Willensbestimmung ausschließende Zustand ist keineswegs ausschließlich von (indes notwendigen) voluntativen Defiziten geprägt, sondern kann auch auf krankhaften intellektuellen Defiziten beruhen, wenn diese einer freien und nicht irrationalen, gewissermaßen unbeabsichtigt-unreflektierten „unvernünftigen“ Willensbildung entgegenstehen.
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