Eine Betreuung ist strikt am individuellen Bedarf des Betroffenen ausgerichtet, berücksichtigt seine verbliebenen Fähigkeiten und wahrt seine Selbstbestimmung. Die Entscheidung für oder gegen eine
Betreuungsanordnung ergeht im Betreuungsverfahren.
Deutsche Gerichte sind international für deutsche Staatsangehörige (unabhängig vom Aufenthalt), Ausländer mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland und sofern es der Fürsorge deutscher Gerichte bedarf auch ohne gewöhnlichen Aufenthalt zuständig.
Das Verfahren wird auf Antrag des Betroffenen aber auch von Dritten oder von Amts wegen geführt.
Wann kann eine Betreuungsanordnung erfolgen?
Grundsätzlich kann eine Betreuung gegen den Willen des Betroffenen nur dann eingerichtet werden, wenn der Betroffene keinen freien Willen mehr bilden kann und er auch die Bedeutung einer Betreuung nicht erkennen kann.
Der Betroffene ist grundsätzlich verfahrensfähig.
Das Verfahren wird nur dann eingeleitet, wenn der Betroffene einen
Betreuungsbedarf hat und keine andere Möglichkeit besteht, den Betroffenen so zu unterstützen, dass eine Betreuung nicht als erforderlich anzusehen ist. Hierzu sind andere Hilfen, vor allem nach dem Sozialrecht, auszuschöpfen.
Wann ist ein Verfahrenspfleger zu bestellen?
Sofern er sich nicht selber in Betreuungsverfahren äußern kann oder eine Verständigung nicht möglich ist, ist ein
Verfahrenspfleger zu bestellen, der die Rechte des Betroffenen wahrnimmt, dem Betroffenen das Geschehen erläutert und Wünsche des Betroffenen an das Gericht übermittelt.
Die Bestellung eines Verfahrenspflegers ist gem.
§ 276 FamFG in der Regel erforderlich, wenn
1. von der persönlichen Anhörung des Betroffenen nach
§ 278 Abs. 4 in Verbindung mit
§ 34 Abs. 2 abgesehen werden soll
oder
2. die Bestellung eines Betreuers oder die Anordnung eines
Einwilligungsvorbehalts gegen den erklärten Willen des Betroffenen erfolgen soll.
Von der Bestellung kann abgesehen werden, wenn ein Interesse des Betroffenen an der Bestellung des Verfahrenspflegers offensichtlich nicht besteht. Die Nichtbestellung ist zu begründen.
Dem Verfahrenspfleger steht ein eigenes Anhörungsrecht zu. Erfolgt die Anhörung des Betroffenen dennoch ohne die Möglichkeit einer Beteiligung des bestellten Verfahrenspflegers, ist sie verfahrensfehlerhaft und verletzt den Betroffenen in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG (BGH, 12.01.2022 - Az:
XII ZB 442/21).
Wann entscheidet der Richter über die Notwendigkeit der Betreuung?
Der Betreuungsrichter muss den Betroffenen persönlich angehört haben. Ist dies nicht möglich, muss dieser zumindest angesehen worden sein, sodass der Richter einen unmittelbaren Eindruck vom Betroffenen erhält.
Das
Betreuungsgericht kann die Betreuungsbehörde mit der Sachverhaltsaufklärung beauftragen. Die Betreuungsbehörde kann auch einen Bericht im Rahmen der gerichtlichen Anhörung erstellen.
Weiterhin ist das Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen einzuholen, der nach Möglichkeit mit der zu genehmigenden Maßnahme selbst nichts zu tun hat. Der Sachverständige hat den Betroffenen vor der Erstattung des Gutachtens persönlich zu befragen bzw. zu untersuchen sowie erforderlichenfalls Aussagen dazu zu treffen, welche Aufgabenbereiche die Betreuung umfassen und für welche Dauer diese angelegt sein sollte.
Nur dann, wenn der Betroffene selber seine Betreuung angeregt hat oder im Eilfall, kann ein ärztliches Zeugnis ausreichen, wobei in letzterem Fall die Begutachtung nachzuholen ist.
Den nächsten Angehörigen des Betroffenen ist Gelegenheit zu geben, sich zu äußern.
Im Anschluss kann der Richter am Betreuungsgericht über den Betreuungsantrag entscheiden und soweit erforderlich einen Betreuer bestellen. Hierzu ergeht ein Bestellungsbeschluss, der u.a. den Aufgabenbereich sowie einen ggf. bestehenden Einwilligungsvorbehalt aufzeigt. Ebenfalls zu vermerken ist, wann eine Überprüfung des Beschlusses zu erfolgen hat.
Sofern eine
Betreuungsverfügung besteht, so ist das Gericht an diese gebunden.
Der Beschluss ist dem Betreuten, dem Verfahrenspfleger, dem Betreuer und der Betreuungsbehörde bekanntzugeben. Unter Umständen sind auch andere Behörden zu verständigen sowie das Heim, wenn der Betroffene in einem solchen lebt.
Beschwerderecht des Betroffenen
Der Betroffene kann innerhalb eines Monats gegen die Betreuerbestellung Beschwerde einreichen.
Die Pflicht zur persönlichen Anhörung des Betroffenen gemäß § 278 Abs. 1 FamFG besteht nach § 68 Abs. 3 Satz 1 FamFG grundsätzlich auch im Beschwerdeverfahren. Es kann von einer erneuten Anhörung des Betroffenen abgesehen werden, wenn die Anhörung bereits im ersten Rechtszug ohne Verletzung zwingender Verfahrensvorschriften vorgenommen worden ist und von einer erneuten Anhörung im Beschwerdeverfahren keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind (vgl. BGH, 22.06.2022 - Az:
XII ZB 200/21).
Einstweilige Anordnung im Notfall
Muss eine schnelle Entscheidung zum Wohle des Betroffenen getroffen werden, weil Gefahr im Verzug ist, so kann im vereinfachten Verfahren die Bestellung eines Betreuers erfolgen, ein vorläufiger Einwilligungsvorbehalt angeordnet werden oder der Aufgabenbereich des Betreuers angepasst werden. Auch hier müssen der Betroffene und - soweit vorhanden - der Verfahrenspfleger grundsätzlich persönlich angehört worden sein.
Einstweilige Anordnungen sind auf maximal sechs Monate zu befristen und können ggf. verlängert werden. Sie dürfen nicht länger als ein Jahr bestehen bleiben.