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Rückwirkende Kürzung des Weihnachtsgeldes bei tariflicher Öffnungsklausel zulässig

Arbeitsrecht | Lesezeit: ca. 4 Minuten

Ein tarifvertraglich geregelter Anspruch auf eine Jahressonderzahlung (hier: Weihnachtsgeld) kann rückwirkend herabgesetzt werden, wenn der Tarifvertrag eine entsprechende Öffnungsklausel enthält und die rückwirkende Änderung in einer Betriebsvereinbarung mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien erfolgt.

Der Anspruch auf die tarifliche Jahresleistung entsteht grundsätzlich mit Eintritt der tariflich vorgesehenen Voraussetzungen. Eine spätere Kürzung greift in bereits entstandene Rechte ein und stellt damit eine echte Rückwirkung dar. Eine solche Rückwirkung ist nur dann zulässig, wenn der Arbeitnehmer bei objektiver Betrachtung mit einer Änderung rechnen musste oder sein Vertrauen in den Fortbestand der bisherigen Regelung nicht schutzwürdig ist.

Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, 23.11.1994 - Az: 10 AZR 529/93; BAG, 20.04.1999 - Az: 1 AZR 631/98) kann eine rückwirkende Herabsetzung tariflicher Ansprüche durch Tarifvertrag oder – bei entsprechender tariflicher Öffnungsklausel – durch Betriebsvereinbarung wirksam erfolgen. Ein entstandener tariflicher Anspruch trägt die Möglichkeit seiner rückwirkenden Anpassung in sich, sofern die Grenzen des Vertrauensschutzes gewahrt bleiben. Die Tarifvertragsparteien besitzen die Befugnis, ihre tariflichen Regelungen auch für die Vergangenheit zu ändern, solange keine berechtigte Erwartung auf die unveränderte Fortgeltung besteht.

Die Grenzen der zulässigen Rückwirkung richten sich nach den Grundsätzen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, 04.05.1960 - Az: 2 BvL 11/59; BVerfG, 16.11.1965 - Az: 1 BvR 513/65). Danach entfällt der Vertrauensschutz, wenn die Betroffenen mit einer Änderung rechnen mussten oder wenn zwingende Gründe des Gemeinwohls eine rückwirkende Anpassung rechtfertigen. Maßgeblich ist nicht die Kenntnis jedes einzelnen Arbeitnehmers, sondern diejenige der betroffenen Kreise. Bestehen bereits vor der Änderung erkennbare Zweifel an der weiteren Auszahlung einer Leistung, kann auf den Fortbestand des Anspruchs nicht mehr vertraut werden.

Ergibt sich aus einer Betriebsversammlung oder anderen Umständen, dass die Belegschaft über finanzielle Schwierigkeiten informiert und eine Kürzung in Aussicht gestellt wurde, ist der Vertrauensschutz entfallen. Ein ausdrücklicher Hinweis, dass eine Zahlung nicht mehr erfolgen werde, ist nicht erforderlich. Die Unsicherheit über die künftige Leistungsgewährung genügt, um die Schutzwürdigkeit des Vertrauens zu beseitigen.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist eine rückwirkende Herabsetzung der tariflichen Jahressonderzahlung um 50 % wirksam, wenn eine entsprechende Betriebsvereinbarung im Rahmen einer tariflichen Öffnungsklausel abgeschlossen und von den Tarifvertragsparteien genehmigt wurde. Der Anspruch auf die volle Jahressonderzahlung besteht in diesem Fall nicht fort.


LAG Rheinland-Pfalz, 16.05.2002 - Az: 1 Sa 48/02

ECLI:DE:LAGRLP:2002:0516.1SA48.02.0A

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