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Rückwirkende Tariföffnungsklausel

Arbeitsrecht | Lesezeit: ca. 4 Minuten

Der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts hatte darüber zu entscheiden, ob Tarifvertragsparteien eine tarifwidrige Betriebsvereinbarung über die Verlängerung der Arbeitszeit ohne Lohnausgleich rückwirkend genehmigen können. 

Klägerin und Beklagte sind tarifgebunden. Nach dem zwischen der IG Metall und dem Arbeitgeberverband abgeschlossenen Manteltarifvertrag betrug die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit im hier streitigen Zeitraum 35 Stunden. Am 27. September 1996 vereinbarte die Beklagte mit dem Betriebsrat die Anhebung der regelmäßigen Arbeitszeit auf 40 Wochenstunden ab 1. Januar 1997. Hiervon sollten 1,5 Stunden durch Freizeit ausgeglichen werden, weitere 3,5 Stunden sollten ohne Lohnausgleich bleiben. 

Nachdem die IG Metall ihren Mitgliedern zunächst empfohlen hatte, die Bezahlung der über 35 Stunden hinaus geleisteten Arbeit geltend zu machen, stimmte sie mit Rücksicht auf die schlechte wirtschaftliche Situation der Beklagten in einer mit dieser am 8. April 1997 geschlossenen Vereinbarung der Betriebsvereinbarung zu. Hierüber informierte sie ihre Mitglieder - darunter die Klägerin - mit Schreiben vom 17. April 1997. In einer Tarifvereinbarung vom 22. Januar 1998 bestätigten die IG Metall und der zuständige Arbeitgeberverband die am 8. April 1997 erfolgte Zustimmung zur Betriebsvereinbarung. 

Die Klägerin hat für die Zeit von Januar bis Oktober 1997 die Zahlung des Tariflohnes für wöchentlich 5 Stunden begehrt. Die Betriebsvereinbarung sei wegen Verstoßes gegen die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 BetrVG unwirksam. Die Unwirksamkeit sei auch weder durch die Vereinbarung vom 8. April 1997 noch durch die tarifvertragliche Bestätigung vom 22. Januar 1998 geheilt worden. Jedenfalls komme diesen Vereinbarungen keine Rückwirkung zu. 

Das Landesarbeitsgericht hat den Anspruch im wesentlichen als begründet, hinsichtlich eines geringen Betrages allerdings als verfristet angesehen. 

Die Revision der Beklagten führte zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Der Senat hat angenommen, daß die Tarifvertragsparteien eine Betriebsvereinbarung durch eine Tariföffnungsklausel auch rückwirkend genehmigen können. Die hier zu beurteilende Betriebsvereinbarung vom 27. September 1996 war zunächst unwirksam, da sie gegen § 77 Abs. 3 BetrVG verstieß. Die Vereinbarung vom 8. April 1997 konnte gegenüber dem Manteltarifvertrag keine Öffnung bewirken, weil auf Arbeitgeberseite nicht der hierfür allein zuständige Arbeitgeberverband, sondern nur die Beklagte beteiligt war. Eine wirksame Öffnungsklausel lag erst in der zwischen der IG Metall und dem Arbeitgeberverband am 22. Januar 1998 getroffenen Bestätigung. Diese sollte der Betriebsvereinbarung rückwirkend Geltung verschaffen und damit zur entsprechenden Abänderung der Arbeitszeit und des Lohnes der Klägerin führen. Die Rückwirkung ist allerdings begrenzt durch die Grundsätze des Vertrauensschutzes. Dabei ist folgendes zu berücksichtigen: Die Klägerin mußte mit einer rückwirkenden Genehmigung der Betriebsvereinbarung rechnen, nachdem die IG Metall sie über den Abschluß der Vereinbarung vom 8. April 1997 unterrichtet und darauf hingewiesen hatte, daß somit die Rechtsgrundlage für Klagen entfalle. Da der genaue Zeitpunkt der Information und ihre Begleitumstände bisher nicht festgestellt sind, war die Sache zur weiteren Klärung an das Landesarbeitsgericht > zurückzuverweisen.


BAG, 20.04.1999 - Az: 1 AZR 631/98

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