Der Ausschluss von
Arbeitnehmern in
Elternzeit von der Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie verstößt gegen das vorstehende Willkürverbot.
Der Entscheidung lag der nachfolgende Sachverhalt zugrunde:
Die Parteien streiten um die Zahlung eines tariflichen Inflationsausgleichs während der Elternzeit und um eine Entschädigung.
Die Klägerin befand sich ab Sommer 2022 bis zum 00.00.2024 in Elternzeit.
§ 2 des
Arbeitsvertrags lautet:
Das
Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach der durchgeschriebenen Fassung des
Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst [TVöD) für den Bereich Verwaltung (TVöD-V) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände [VKA) jeweils geltenden Fassung. Außerdem finden die im Bereich des Arbeitgebers jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung.
Die Beklagte zahlte an die Klägerin, solange sich diese in Elternzeit befand und keine Teilzeittätigkeit ausübte, keinen Inflationsausgleich nach dem Tarifvertrag über Sonderzahlungen zur Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise vom 22.04.2023, der zwischen der BRD, der VKA, ver.di u.a. abgeschlossen worden ist (im Folgenden: „TV Inflationsausgleich“).
Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin forderte die Beklagte mit Schreiben vom 29.08.2023 auf, die Auszahlung nachzuholen. Gleichzeitig machte sie Ansprüche nach § 15 Abs. 1 und 2 S. AGG geltend.
Mit Schreiben vom 15.09.2023 lehnte die Beklagte dies ab.
Mit ihrer am 20.10.2023 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 31.10.2023 zugestellten Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Dabei hat sie den damals noch nicht fälligen Teil des Inflationsausgleichs zunächst im Rahmen eines Feststellungsantrags geltend gemacht.
Seit dem 00.12.2023 bis zum Ende der Elternzeit am 00.00.2024 arbeitete sie in Teilzeit mit einem Stundenumfang von 24 Wochenstunden. Eine Vollzeittätigkeit entspräche 39 Wochenstunden.
Für die Monate Januar und Februar 2024 zahlte die Beklagte an die Klägerin als Inflationsausgleich jeweils 135,38 EUR.
Die Klägerin ist der Ansicht, der TV Inflationsausgleich verstoße, soweit er Beschäftigte in Elternzeit von dem Bezug der Sonderzahlung Inflationsausgleich ausschließt, gegen das arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgebot und begründe zudem eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts i.S.d. § 1 AGG. Seine Entgeltbezugsregelung stelle eine mittelbare Diskriminierung dar, da Mütter im Allgemeinen länger in Elternzeit gingen als Väter. Die im TV Inflationsausgleich vorgenommene Ungleichbehandlung sei auch nicht durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt. Eine Herausnahme von Beschäftigten ohne Entgelt(fortzahlungs)bezug laufe dem Zweck der Inflationsausgleichszahlung, einer Entlastung in Bezug auf die gestiegenen Lebenshaltungskosten, zuwider, da diese naturgemäß in besonderem Maße von den steigenden Preisen betroffen seien. Ein Rückgriff auf andere Zwecke zur Rechtfertigung des Ausschlusses sei unzulässig. Im Übrigen seien Arbeitnehmer in Elternzeit betriebstreu, und auf einen Vergütungszweck des Inflationsausgleichs könne sich die Beklagte nicht berufen vor dem Hintergrund, dass auch Arbeitnehmer im Kinderkrankengeldbezug nach § 4 Abs. 2 S. 3 TV Inflationsausgleich anspruchsberechtigt sind. Die Tarifregelung sei daher gemäß
§ 7 Abs. 2 AGG insoweit unwirksam, als sie Arbeitnehmer in Elternzeit ausschließe.
Ferner sei die Beklagte zur Zahlung einer Entschädigung verpflichtet. Die Regelung des
§ 15 Abs. 3 AGG, wonach der Arbeitgeber bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet ist, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt hat, sei europarechtswidrig. Abgesehen davon habe die Beklagte aber auch grob fahrlässig den diskriminierenden Charakter der tariflichen Regelung verkannt.
Die Beklagte meint, die den Anspruch ausschließende Tarifregelung unterfalle der verfassungsrechtlich garantierten Tarifautonomie und verstoße mangels Vergleichbarkeit weder gegen das arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgebot noch gegen das Diskriminierungsverbot. Dies ergebe sich schon daraus, dass der Ausschluss keinerlei Bezug zum Geschlecht habe. Dass Frauen häufiger bzw. länger Elternzeit in Anspruch nähmen als Männer, rechtfertige keine andere Betrachtung. Insbesondere während der Elternzeit sei der Arbeitgeber nicht für den Reallohnverlustausgleich verantwortlich. Im Übrigen müssten die Tarifvertragsparteien mit der gefundenen Lösung nicht die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung vereinbaren. Die Grenze zur Willkür sei erst dann überschritten, wenn sich - anders als im vorliegenden Fall - ein sachgerechter Grund für die Regelung nicht finden ließe. Die Tarifvertragsparteien hätten eine sachlich begründete Differenzierung vorgenommen, dies vor dem Hintergrund, dass das Arbeitsverhältnis während der Elternzeit ruht, kein Entgelt vom Arbeitgeber bezogen wird, der Erholungsurlaub gekürzt werden kann und die Elternzeit auf einer selbstbestimmten Entscheidung des Arbeitnehmers beruhe. Eine Vergleichbarkeit mit der Konstellation des Krankengeldbezugs sei nicht gegeben. Bei diesem bestünden die Hauptleistungspflichten grundsätzlich weiter und es müsse jederzeit mit einer Rückkehr gerechnet werden. Zudem würden, wenn Arbeitnehmer in Elternzeit (ohne Teilzeittätigkeit) anspruchsberechtigt wären, wiederum Arbeitnehmer mit unbezahltem Sonderurlaub benachteiligt. Und würden Arbeitnehmer, die Teilzeit in Elternzeit leisten, die volle Inflationsausgleichsprämie erhalten, würden etwa Arbeitnehmer benachteiligt, die wegen einer Schwerbehinderung in Teilzeit arbeiten.
Auch für Dezember 2023 stehe der Klägerin kein Inflationsausgleich zu. Maßgeblich für die Teilzeitbeschäftigung seien die Verhältnisse am 1. Tag des jeweiligen Bezugsmonats. Dies ergebe sich daraus, dass § 3 Abs. 2 S. 3 TV Inflationsausgleich nur auf § 24 Abs. 2 TVöD verweist, nicht jedoch auf § 24 Abs. 3 TVöD.
Für Januar und Februar 2024 könne die Klägerin aufgrund ihrer Teilzeittätigkeit nur den bereits ausgezahlten Inflationsausgleich in Höhe von jeweils 135,38 EUR beanspruchen.
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Hierzu führte das Gericht aus:
Die Beklagte ist gemäß § 2 Abs. 1 und Abs. 2 sowie § 3 Abs. 1 und 2 des TV Inflationsausgleich verpflichtet, der Klägerin einen Inflationsausgleich von 1.240 EUR bezogen auf Juni 2023 sowie weitere 220,00 EUR monatlich für Juli 2023 bis Januar 2024 abzüglich der für Januar 2023 geleisteten135,38 EU zu zahlen, mithin 2.644,62 EUR.
Ebenso ist die Beklagte aus demselben Rechtsgrund verpflichtet, an die Klägerin für Februar 2024 220,20 EUR abzüglich geleisteter 135,38 EUR zu zahlen, also 84,62 EUR.
Die Klägerin fällt unter den TVöD (§ 1 Buchs. a) TV Inflationsausgleich), das Arbeitsverhältnis bestand am 01.05.2023 und auch in den Monaten Juli 2023 bis Februar 2024 (§ 2 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 TV Inflationsausgleich).
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