Es liegt keine unerlaubte Benachteiligung wegen der Weltanschauung vor, wenn ein
Bewerber, der früher für die Stasi tätig war, wegen eines absehbaren Konflikts mit langjährig Beschäftigten abgelehnt wird.
Bei der Stasi handelte es sich um eine Organisation, deren Tätigkeit und Aufgabenstellung in fundamentalem Widerspruch zur Wertordnung des Grundgesetzes stand und deshalb auch nicht dem Schutz des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes unterliegt.
Eine aufgrund früherer Tätigkeit für die Stasi auftretende Konfliktsituation während eines Einstellungsverfahrens ist deshalb nicht mit einer Situation in einem Einstellungsverfahren vergleichbar, bei der ein derartiger Konflikt nicht auftritt.
Hierzu führte das Gericht aus:
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz oder einer Entschädigung wegen diskriminierender Nichteinstellung. Ein solcher Anspruch ergibt sich weder unmittelbar aus
§ 15 AGG in Verbindung mit den weiteren Vorschriften des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, noch aus § 15 AGG analog i. V. m. Artikel 3 GG und dem
arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, noch aus anderen rechtlichen Gesichtspunkten.
1. Ein Anspruch auf Schadensersatz und/oder Entschädigung nach § 15 AGG besteht nicht.
Nach § 15 Abs. 1 AGG i. V. m.
§ 6 Abs. 1 Satz 2 AGG haben Bewerberinnen und Bewerber, die unter Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des
§ 7 Abs. 1 i. V. m.
§ 1 AGG nicht eingestellt worden sind, gegen den zukünftigen
Arbeitgeber einen Anspruch auf Ersatz des ihnen hierdurch entstandenen Schadens, es sei denn, der Arbeitgeber hat den Verstoß nicht zu vertreten. Darüber hinaus haben solche Bewerberinnen und Bewerber nach § 15 Abs. 2 AGG wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, einen Anspruch auf eine angemessene Entschädigung in Geld. Vorliegend scheidet ein Anspruch auf materiellen Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 AGG schon deshalb aus, weil die Klägerin weder behauptet noch dargelegt hat, dass ihr durch die Nichtübernahme von der Firma A in ein
Arbeitsverhältnis mit der Beklagten ein materieller Schaden entstanden ist. Ein Anspruch auf Entschädigung wegen eines immateriellen Schadens ist nicht gegeben, weil ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG nicht vorliegt.
a) Nach § 7 Abs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Bewerberinnen und Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis sind nach § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG Beschäftigte im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes.
Zu den in § 1 AGG genannten Gründen gehört u. a. die Weltanschauung. Was unter dem Begriff „Weltanschauung“ i. S. d. § 1 AGG zu verstehen ist, ist umstritten. Überwiegend wird angenommen, dem Begriff komme eine ähnliche Bedeutung wie dem Begriff „Religion“ zu und bedeute eine nur mit der Person des Menschen verbundene Gewissheit über bestimmte Aussagen zum Weltganzen sowie zur Herkunft und zum Ziel des menschlichen Lebens, wobei sich der Begriff „Weltanschauung“ von dem Begriff „Religion“ dadurch unterschiede, dass er auf rein innerweltliche Bezüge beschränkt sei. Andere wiederum vertreten u. a. unter Berufung auf die nichtdeutschen Fassungen der Richtlinie 2000/78/EG, dass der Begriff richtlinienkonform weiter zu verstehen sei und auch sonstige feste Überzeugungen umfasse. Vorliegend kommt es auf diese Unterscheidung nicht an. Denn auch dann, wenn man von dem engeren Verständnis des Begriffs „Weltanschauung“ ausgeht, fällt die politische Überzeugung „Marxismus-Leninismus“, auf die sich die Klägerin beruft, als gesamtgesellschaftliche Theorie unter den Begriff „Weltanschauung“ i. S. d. § 1 AGG.
Eine Benachteiligung i. S. d. § 7 Abs. 1 AGG kann sowohl unmittelbar als auch mittelbar erfolgen. Die Klägerin ist jedoch weder unmittelbar noch mittelbar wegen einer Weltanschauung benachteiligt worden.
aa) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Danach scheidet eine unmittelbare Benachteilung wegen der Weltanschauung aus.
(1) Zunächst hat die Klägerin keine Tatsachen vorgetragen, die die Vermutung zulassen, die Beklagte habe sich gegen eine Übernahme entschieden, weil die Klägerin überzeugte Marxistin-Leninistin ist bzw. ehemals gewesen ist. Es ist schon nicht ersichtlich, dass die Klägerin tatsächlich vom Marxismus-Leninismus überzeugt war, als sie für das MfS gearbeitet hat. Denn dies hat sie, worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hat, nicht einmal selbst behauptet, sondern lediglich darauf verwiesen, dass eine Tätigkeit für das MfS nur bei entsprechender politischer Überzeugung denkbar gewesen sei. Sie hat auch nicht vorgetragen, dass sie sich gegenüber Vorstandsmitgliedern oder Beschäftigten der Beklagten über ihre politische Überzeugung geäußert hat. Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die Beklagte die Klägerin wegen der Annahme i. S. d. § 7 Abs. 1, 2. Halbsatz AGG, sie sei überzeugte Marxistin-Leninistin, nicht übernommen hat.
Weiter ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin nicht übernommen worden ist, weil sie für das MfS tätig war. Dagegen spricht schon, dass die Beklagte die Übernahme der Klägerin angedacht und entsprechend gefördert hat, gleichwohl unstreitig zumindest Frau C die frühere Tätigkeit der Klägerin für das MfS bekannt war. Andernfalls hätte außerdem nahe gelegen, dass die Beklagte spätestens nach Sichtung der Bewerbungsunterlagen der Klägerin, aus denen die frühere Tätigkeit der Klägerin für das MfS eindeutig hervorgeht, von der Übernahmeabsicht wieder Abstand genommen hätte. Vielmehr hat sich die Beklagte offensichtlich nur deshalb gegen eine Einstellung der Klägerin entschieden, weil sie aufgrund des Konflikts zwischen Frau E und der Klägerin wegen der früheren Tätigkeit der Klägerin für das MfS im Fall der Übernahme der Klägerin eine erhebliche Beeinträchtigung des Betriebfriedens befürchtete und in Anbetracht der Auseinandersetzung zwischen Frau E und der Klägerin am 28. November 2008 und der Strafanzeige der Klägerin gegen Frau E vom 18. Dezember 2008 auch befürchten musste. Denn auf Grund der ablehnenden Haltung von Frau E gegenüber der Klägerin, die in der Auseinandersetzung am 28. November 2008 deutlich zum Ausdruck gekommen ist, und der Reaktion der Klägerin darauf war eine dauerhafte gedeihliche Zusammenarbeit nicht mehr vorstellbar.
Der eigentliche Grund für die Entscheidung gegen Klägerin lag danach in der Gefährdung des Betriebsfriedens durch den Konflikt zwischen den beiden Frauen und nur indirekt in der früheren Tätigkeit der Klägerin für das MfS, weil dies die Ursache für den Konflikt war.
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