Erfüllt der
Arbeitgeber eine ihm gegenüber als Kosten betriebsrätlicher Tätigkeit erhobene (Dritt-)Forderung, kann er keinen Regress bei den Betriebsratsmitgliedern nehmen mit dem Argument, er habe mangels Erforderlichkeit der Kosten deren Schuld getilgt.
Die Grundsätze der Geschäftsführung ohne Auftrag und des Bereicherungsrechts greifen insoweit nicht ein.
Der Entscheidung lag der nachfolgende Sachverhalt zugrunde:
Die Parteien streiten über die Zahlung eines Nettoentgeltbetrags, den die Beklagte vom Arbeitseinkommen des Klägers für Dezember 2020 einbehalten hat.
Der nicht unterhaltsverpflichtete Kläger ist bei der Beklagten - einem Nahverkehrsunternehmen - als Busfahrer beschäftigt und Mitglied des
Betriebsrats. Dieser beschloss Ende Oktober 2019, den Kläger ua. zu den Schulungen „Arbeitsrecht Teil 3“ vom 4. bis 8. Mai 2020 in B und „Der gläserne Mitarbeiter“ vom 19. bis 23. Oktober 2020 in D zu entsenden. Dem widersprach die Beklagte in einem an den Betriebsrat gerichteten Schreiben vom 16. März 2020 und führte aus, sie erteile „keine Genehmigung zur Teilnahme an den Seminaren“. Zum einen sei aufgrund der „aktuellen Situation (Corona) … die Reisetätigkeit bis auf Weiteres beschränkt“. Zum anderen betreffe das „Thema Datenschutz … alle Mitglieder des Betriebsrates“; sie schlage daher eine „Inhouse-Schulung durch unseren Datenschutzbeauftragten“ vor.
Die Schulung „Arbeitsrecht Teil 3“ wurde vom Veranstalter auf den Zeitraum 10. bis 14. August 2020 verlegt. Am 19. Mai 2020 beschloss der Betriebsrat, den Kläger zu dieser Schulung zu entsenden.
Mit Schreiben vom 8. Juni 2020 meldete sich bei der Beklagten die auch im vorliegenden Rechtsstreit vom Kläger mandatierte Fachanwaltskanzlei für Arbeitsrecht unter dem Betreff „Schulung des Betriebsratsmitglieds … gemäß
§ 37 Abs. 6 BetrVG“ und teilte sinngemäß mit, „das Betriebsratsmitglied ...“ (der Kläger) habe sie mit der Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen beauftragt. Sie führte an, dass der Betriebsrat Reiseeinschränkungen nicht ohne Weiteres unterfalle; ohnehin hätten die Seminaranbieter im Frühjahr 2020 bis in die Kalenderwoche 22 sämtliche Seminare abgesagt, den Seminarbetrieb aber inzwischen wieder aufgenommen. Die Anregung zur datenschutzrechtlichen Schulung als Inhouseseminar für den gesamten Betriebsrat sei zur Kenntnis genommen worden. Dennoch behalte es sich ihr Mandant vor, das Seminar im Oktober 2020 in D wahrzunehmen. Der Kläger nahm an dieser Schulung ebenso teil wie an der Schulung „Arbeitsrecht Teil 3“ vom 10. bis 14. August 2020.
Mit Schreiben vom 3. Juli 2020 „überreichten“ die Prozessbevollmächtigten des Klägers der Beklagten „… unsere Rechtsanwaltsgebührenrechnung über die uns im Zeitraum von April - Juni 2020 entstandenen“ Kosten iHv. 413,90 Euro netto nebst Mehrwertsteuer, mithin einen Gesamtbetrag iHv. 480,12 Euro. Die Beklagte leitete die Rechnung mit E-Mail vom 6. Juli 2020 an den Betriebsrat weiter. Sie verwies darauf, dass kein Beschluss des Betriebsrats über die Beauftragung eines Rechtsanwalts vorliege, und bat um Weitergabe der Rechnung an den Kläger „mit der Bitte um persönlichen Ausgleich“. Nachdem der Kläger dem nicht nachgekommen war, beglich die Beklagte die Rechnung und behielt vom abgerechneten Nettoentgelt des Klägers für den Monat Dezember 2020 iHv. insgesamt 2.831,94 Euro unter der Bezeichnung „Vorschuss Fachanwalt Arbeitsrecht“ 413,90 Euro ein.
Mit seiner der Beklagten am 2. Juni 2021 zugestellten Klage hat der Kläger die Zahlung dieses Betrags nebst Rechtshängigkeitszinsen geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe für die Anwaltskosten nach
§ 40 Abs. 1 BetrVG aufzukommen. Mit dem Beschluss des Betriebsrats über die Entsendung des Klägers zu den Seminaren habe dieser aus eigener Rechtsstellung als Betriebsratsmitglied zur Durchsetzung des Schulungsanspruchs einen Anwalt beauftragen können. Es handele sich deshalb um von der Beklagten zu tragende erforderliche Kosten der Betriebsratstätigkeit, die seinem (Rest-)Vergütungsanspruch nicht entgegengehalten werden könnten.
Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, 413,90 Euro netto nebst Zinsen hierauf in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an ihn zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, für einen Freistellungs- bzw. Erstattungsanspruch des Klägers hinsichtlich der Rechtsanwaltskosten fehle es bereits an einem Betriebsratsbeschluss zur Beauftragung des Rechtsanwalts. Die von ihr beglichene anwaltliche Gebührenforderung vom 3. Juli 2020 bewirke unter dem Gesichtspunkt der Tilgung einer fremden Schuld einen aufrechnungsfähigen Gegenanspruch, der dem Einbehalt der Nettoentgeltforderung des Klägers zugrunde liege.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers die Entscheidung des Arbeitsgerichts abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Hierzu führte das Gericht aus:
Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Berufung des Klägers gegen das seine Klage abweisende arbeitsgerichtliche Urteil zu Recht stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung von 413,90 Euro nebst Rechtshängigkeitszinsen an den Kläger verurteilt.
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