Nicht jede Kündigung ist zulässig. ➠ Lassen Sie sich beraten.Die Verlagerung der Arbeit in das Homeoffice hat für viele
Arbeitnehmer und
Arbeitgeber neue Freiheiten und eine flexiblere Arbeitsgestaltung mit sich gebracht. Gleichzeitig wirft die räumliche Distanz aber auch neue Fragen auf, insbesondere im Hinblick auf die Kontrolle der Arbeitsleistung. Während der Vorgesetzte im Büro durch einen kurzen Blick feststellen kann, ob ein Mitarbeiter am Platz ist und arbeitet, sind im Homeoffice andere, oft technische Methoden erforderlich. Dies führt zu Spannungen zwischen dem berechtigten Kontrollinteresse des Arbeitgebers und dem ebenso schützenswerten Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers.
Welche Grundlagen gelten für die Mitarbeiterkontrolle?
Das Recht des Arbeitgebers, die Leistung und das Verhalten seiner Mitarbeiter zu kontrollieren, ergibt sich grundsätzlich aus seinem
Weisungs- oder Direktionsrecht nach § 106 der Gewerbeordnung (GewO). Er darf Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung näher bestimmen und deren Einhaltung auch überprüfen. Diesem Recht stehen jedoch die Grundrechte des Arbeitnehmers gegenüber, allen voran das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG). Ein wichtiger Ausfluss dieses Grundrechts ist das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, welches dem Einzelnen die Befugnis gibt, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu entscheiden.
Im Rahmen der Beschäftigung wird dieses Grundrecht durch § 26 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) sowie die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) konkretisiert. Nach § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG dürfen personenbezogene Daten von Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses verarbeitet werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung, für die Durchführung oder die Beendigung des
Arbeitsverhältnisses erforderlich ist. Jede
Überwachungsmaßnahme muss sich an diesem Erforderlichkeitsgrundsatz messen lassen. Das bedeutet, sie muss geeignet, erforderlich und angemessen sein, um den verfolgten legitimen Zweck zu erreichen. Eine Maßnahme ist nicht erforderlich, wenn ein milderes, gleich wirksames Mittel zur Verfügung steht. Die Angemessenheit erfordert eine umfassende Abwägung der Interessen des Arbeitgebers an der Kontrolle mit dem Eingriff in die Rechte des Arbeitnehmers.
Ein weiterer Schutzes vor übermäßiger Überwachung ist das
Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Besteht ein
Betriebsrat, hat dieser nach
§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ein zwingendes Mitbestimmungsrecht bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen.
Ist der Einsatz von Software zur Leistungskontrolle zulässig?
Maßnahmen dar, die eine lückenlose Aufzeichnung der Aktivitäten des Arbeitnehmers ermöglichen, sind ein besonders intensiver Eingriff in das Persönlichkeitsrecht. Hierzu zählen insbesondere sogenannte Keylogger und Software, die in regelmäßigen Abständen Bildschirmfotos (Screenshots) erstellt.
Ein Keylogger ist eine Software, die sämtliche Tastatureingaben eines Nutzers protokolliert. Dadurch können nicht nur dienstliche Tätigkeiten, sondern auch private Nachrichten, Zugangsdaten, Passwörter und sogar sensible Finanzinformationen wie Kreditkartendaten erfasst werden. Das Bundesarbeitsgericht hat klargestellt, dass der verdeckte Einsatz eines solchen Keyloggers zur Überwachung und Kontrolle eines Arbeitnehmers in der Regel unzulässig ist (BAG, 27.07.2017 - Az:
2 AZR 681/16). Eine solche Maßnahme „ins Blaue hinein“, also ohne einen konkreten, auf Tatsachen beruhenden Verdacht, stellt einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar.
Die Richter betonten, dass eine derart tiefgreifende Überwachung nur als letztes Mittel (ultima ratio) in Betracht kommt, wenn ein auf den Arbeitnehmer bezogener, durch konkrete Tatsachen begründeter Verdacht einer Straftat oder einer anderen schwerwiegenden Pflichtverletzung besteht. Liegt ein solcher qualifizierter Verdacht nicht vor, sind die durch den Keylogger gewonnenen Daten rechtswidrig erlangt. Dies hat zur Folge, dass die Informationen in einem Kündigungsschutzprozess einem Beweisverwertungsverbot unterliegen. Der Arbeitgeber kann eine Kündigung also nicht auf Erkenntnisse stützen, die er durch den illegalen Einsatz der Überwachungssoftware gewonnen hat. Die massive Eingriffsintensität wurde auch vom Landesarbeitsgericht Hamm hervorgehoben, das darauf hinwies, dass durch die Protokollierung allen Prozessbeteiligten hochsensible Daten des Arbeitnehmers zugänglich gemacht wurden (LAG Hamm, 17.06.2016 - Az:
16 Sa 1711/15).
Ist Kontrolle von Arbeitszeiten und der Aktivität am Rechner erlaubt?
Weniger problematisch sind Tools, die die Online-Zeiten oder die Aktivität am Rechner erfassen. Viele moderne Kollaborations-Tools (z. B. Microsoft Teams oder Slack) zeigen einen Anwesenheitsstatus an (verfügbar, abwesend etc.) oder messen die Zeit der Inaktivität. Auch Software, die Mausbewegungen oder die Häufigkeit von Tastaturanschlägen misst, um daraus auf die Produktivität zu schließen, fällt in diese Kategorie.
Solche Funktionen sind in aller Regel als technische Einrichtungen im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG zu qualifizieren. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kommt es für das Mitbestimmungsrecht nicht auf die subjektive Überwachungsabsicht des Arbeitgebers an. Entscheidend ist allein, ob die Einrichtung objektiv geeignet ist, Leistungs- oder Verhaltensdaten der Arbeitnehmer zu erheben. Dies ist bei den genannten Tools zweifellos der Fall. Die Einführung und Anwendung solcher Software unterliegt daher der zwingenden Mitbestimmung des Betriebsrats.
Zum Weiterlesen dieses Beitrags bitte anmelden oder kostenlos und unverbindlich registrieren.