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Fremdgeschäftsführer einer GmbH kann Arbeitnehmer im Sinne des BUrlG sein

Arbeitsrecht | Lesezeit: ca. 31 Minuten

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Der Arbeitnehmerbegriff im Rahmen der Richtlinie 2003/88/EG ist anhand objektiver Kriterien zu definieren, die das Arbeitsverhältnis unter Berücksichtigung der Rechte und Pflichten der betroffenen Personen kennzeichnen.

Als „Arbeitnehmer“ ist jeder anzusehen, der eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, wobei Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen. Das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht darin, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält.

Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Mitglied eines Leitungsorgans einer Kapitalgesellschaft „Arbeitnehmer“ i.S.d. Unionsrechts ist, selbst wenn der Grad der Abhängigkeit oder Unterordnung eines Geschäftsführers bei der Ausübung seiner Aufgaben geringer ist als der eines Arbeitnehmers im Sinne der üblichen Definition des deutschen Rechts.

Die Eigenschaft als „Arbeitnehmer“ i.S.d. Unionsrechts hängt von den Bedingungen ab, unter denen das Mitglied des Leitungsorgans bestellt wurde, der Art der ihm übertragenen Aufgaben, dem Rahmen, in dem diese Aufgaben ausgeführt werden, dem Umfang der Befugnisse des Mitglieds und der Kontrolle, der es innerhalb der Gesellschaft unterliegt, sowie der Umstände, unter denen es abberufen werden kann.

In die Gesamtwürdigung der Umstände ist einzubeziehen, in welchem Umfang der geschäftsführende Gesellschafter über seine Anteile an der Willensbildung der Gesellschaft wahrnimmt.

Der Entscheidung lag der nachfolgende Sachverhalt zugrunde:

Die Parteien streiten über Urlaubsabgeltung aus den Jahren 2019 und 2020.

Zunächst war die Klägerin seit dem 1. Juli 1993 als Arbeitnehmerin bei der Z GmbH H beschäftigt. Ab dem 19. April 2012 war sie als „Geschäftsführerin“ der Beklagten angestellt, zuletzt aufgrund Dienstvertrags vom 26. Mai 2016 zu einem durchschnittlichen Bruttomonatsgehalt iHv. 6.454,00 Euro.

Die Klägerin wurde seit 2018 in einer Geschäftsstelle der zur Unternehmensgruppe der Beklagten gehörenden Z GmbH H in M eingesetzt. Auf der Grundlage einer Vereinbarung vom 26. Oktober 2018 übernahm die Beklagte für die Z GmbH H bestimmte entgeltliche Dienstleistungs- und Beratungstätigkeiten und stellte dieser dazu „ihre Geschäftsführerin … im erforderlichen Umfang für den o.g. Tätigkeitsbereich zur Verfügung“. Nach Anweisung der Geschäftsführung hatte die Klägerin eine Arbeitszeit von 07:00 Uhr bis 18:00 Uhr einzuhalten. Vormittags musste sie am Telefon eine sog. „Kaltakquise“ durchführen, am Nachmittag hatte sie in eigener Initiative Leistungen anzubieten und wurde im Außendienst, zu Kundenbesuchen und mit Kontroll- und Überwachungsaufgaben eingesetzt. Sie hatte wöchentlich 40 Telefonate und 20 Besuche nachzuweisen. Außerdem führte sie Vorstellungsgespräche und Einstellungsverhandlungen. Die Parteien vereinbarten zudem die Zahlung einer vom Ergebnis der Geschäftsstelle M abhängigen Tantieme.

Nach sechsjähriger Betriebszugehörigkeit sah der Dienstvertrag der Parteien einen Jahresurlaub von 33 Tagen vor. Diesen musste die Klägerin bei der Beklagten beantragen. Im Jahr 2019 nahm sie elf Tage und im Jahr 2020 keinen Urlaub in Anspruch.

Mit schriftlicher Erklärung vom 5. September 2019 legte die Klägerin gegenüber der Beklagten ihr Amt als Geschäftsführerin nieder. Am 17. September 2019 wurde sie aus dem Handelsregister als Geschäftsführerin ausgetragen. Das Vertragsverhältnis der Parteien endete durch Kündigung der Klägerin vom 25. Oktober 2019 zum 30. Juni 2020. Vom 30. August 2019 bis zur Beendigung des Vertragsverhältnisses erbrachte sie keine Leistungen und legte der Beklagten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor.

Die Beklagte hat die Klägerin vor dem Amtsgericht auf Rückzahlung von Tantieme in Anspruch genommen. Eine von der Klägerin erhobene Widerklage auf Entgeltfortzahlung ist vom Amtsgericht mit rechtskräftigem Beschluss vom 10. Juni 2020 abgetrennt und an das Arbeitsgericht verwiesen worden. Mit Schriftsatz vom 10. August 2020 hat die Klägerin diese Klage beim Arbeitsgericht um den - in der Revision allein relevanten - Urlaubsabgeltungsanspruch erweitert. Das Arbeitsgericht hat den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten im Urteil bejaht, ohne zuvor durch Beschluss über die mit Schriftsatz vom 12. November 2020 erhobene Rüge der Beklagten zu entscheiden, die Gerichte für Arbeitssachen seien für den erhobenen Anspruch auf Urlaubsabgeltung nicht zuständig. Das Landesarbeitsgericht hat diese Verfahrensweise nicht beanstandet.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Gerichte für Arbeitssachen seien trotz ihrer formalen Geschäftsführerstellung zur Entscheidung berufen. Sie sei einem Arbeitsverhältnis entsprechend weisungsgebunden beschäftigt worden und könne als Arbeitnehmerin Urlaubsabgeltung verlangen.

Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt. Sie hat den Standpunkt eingenommen, das Arbeitsgericht habe seine Zuständigkeit zu Unrecht bejaht. Ein Arbeitsverhältnis habe zwischen den Parteien nicht bestanden. Die Beendigung der Geschäftsführerstellung habe zwar die Fiktionswirkung des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG entfallen lassen. Der Dienstvertrag habe aber weitergegolten. Weder die darin geregelten Vertragsmodalitäten noch die tatsächliche Durchführung des Rechtsverhältnisses rechtfertigten die Annahme eines Arbeitsverhältnisses.

Das Arbeitsgericht hat der Klage - soweit für die Revision von Bedeutung - ganz überwiegend mit einer Zinsforderung ab dem 13. August 2020 stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte die Abweisung der Klage.

Hierzu führte das Gericht aus:

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das klagestattgebende Urteil des Arbeitsgerichts - soweit für die Revision von Bedeutung - zu Recht zurückgewiesen. Die Klage auf Abgeltung von Urlaub ist begründet. Die Klägerin hat Anspruch iHv. 11.294,36 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13. August 2020.

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