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Fristlose Kündigung eines Pförtners der Polizei wirksam

Arbeitsrecht | Lesezeit: ca. 8 Minuten

Nicht jede Kündigung ist zulässig. ➠ Lassen Sie sich beraten.
Begeht ein Arbeitnehmer bei oder im Zusammenhang mit seiner Arbeit rechtswidrige und vorsätzliche - ggf. strafbare - Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen seines Arbeitgebers, verletzt er zugleich in schwerwiegender Weise seine schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) und missbraucht das in ihn gesetzte Vertrauen. Ein solches Verhalten kann selbst dann einen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB darstellen, wenn die rechtswidrige Handlung Sachen von nur geringem Wert betrifft oder zu einem nur geringfügigen, möglicherweise zu gar keinem Schaden geführt hat. Diese Grundsätze gelten auch für die Entwendung von im Eigentum eines Dritten stehenden Sachen, sofern eine solche Handlung im Rahmen des Arbeitsverhältnisses erfolgt. Durch ein solches Verhalten kann ebenfalls das Vertrauensverhältnis zum Mitarbeiter beeinträchtigt werden.

Auch der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund darstellen (sog. Verdachtskündigung). Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn starke, auf objektive Tatsachen gründende Verdachtsmomente vorliegen, die geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und wenn der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat. Der Verdacht muss auf konkrete, vom Kündigenden darzulegende und gegebenenfalls zu beweisenden Tatsachen gestützt sein. Er muss ferner dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft. Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine Kündigung nicht zu rechtfertigen vermöchte. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen nicht aus.

Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ende der Frist für eine ordentliche Kündigung zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkung einer Vertragspflichtverletzung - etwa im Hinblick auf das Maß eines durch sie bewirkten Vertrauensverlusts und ihre wirtschaftlichen Folgen -, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn dem Arbeitgeber angesichts der Gesamtumstände sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Als mildere Reaktionen sind insbesondere Abmahnung und ordentliche Kündigung anzusehen. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen - zu erreichen.

Der Entscheidung lag der nachfolgende Sachverhalt zugrunde:

Der Kläger war seit dem 19.01.1987 bei dem beklagten Land beschäftigt und zuletzt auf der Pförtnerstelle einer Polizeidienstelle eingesetzt. Am 22.12.2017 wurde ihm während seines Dienstes von einer ihm nicht bekannten Frau mitgeteilt, dass diese einen 100-Euro-Schein gefunden habe.

Ob er den Geldschein angenommen hat, ist zwischen den Parteien streitig. Ein Eingang ist weder in den Asservatenschränken noch im Vorgangsbearbeitungssystem vermerkt.

Am gleichen Tag um 12.52 Uhr wandte sich die Finderin mit einer E-Mail an die Poststelle des beklagten Landes. Sie teilte darin mit, dass sie einen 100-Euroschein gefunden und diesen an der Pforte der Polizeidienststelle abgegeben habe. Sie habe keine Angaben zum Fundort und zu ihren Personalien machen müssen. Da ihr dieses Verfahren seltsam vorkam, wollte sie wissen, was denn nun mit dem Geld passiert.

Gegen den Kläger wurde daraufhin ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen Unterschlagung eingeleitet, in dem er sich zur Sache nicht äußerte.

Bei einer anschließenden Wahllichtbildvorlage am 08.05.2018, zu der auch ein Bild des Klägers gehörte, sah die Finderin eine Ähnlichkeit zu der Person, der sie den 100-Euroschein anvertraut habe.

Die Beklagte hörte den Kläger am 11.05.2018 zu dem Verdacht der Unterschlagung an. Der Kläger bestritt in seiner Stellungnahme, die am 16.05.2018 bei dem beklagten Land einging, die Entgegennahme des Geldscheins.

Nach Beteiligung des Personalrats kündigte das beklagte Land das Arbeitsverhältnis am 30.05.2018 fristlos. Der Kläger behauptet, er habe den 100-Euroschein nicht angenommen. Vielmehr habe er der Finderin mitgeteilt, dass er nicht befugt sei, diesen anzunehmen und sie an eine andere, zuständige Dienstelle verwiesen.

Die Kündigungsschutzklage hatte vor dem Landesarbeitsgericht keinen Erfolg.

Nach Vernehmung der Findern, einer Architektin, ist die Kammer der Überzeugung, dass diese am 22.12.2017 bei ihren Erledigungen in der Stadt vor Weihnachten an der Ecke Herzogstraße/Friedrichstraße einen 100-Euro-Schein gefunden hat und der dringende Tatverdacht besteht, dass sie diesen bei dem Kläger abgegeben hat.

Für die Version des Klägers spricht kein plausibler Grund. Wenn die Finderin den 100-Euro-Schein wieder mitgenommen hätte, war kein Motiv ersichtlich, warum sie sich mit der E-Mail an die Polizei gewandt und den Kläger nachfolgend im inzwischen rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahren und auch in der Vernehmung vor dem Landesarbeitsgericht belastet hat.

Der für die ausgesprochene Verdachtskündigung erforderliche dringende Tatverdacht der Unterschlagung der gefundenen 100-Euro ist gegeben. Dies rechtfertigte auch in Ansehung der langen Beschäftigungsdauer die fristlose Kündigung.

Das Landesarbeitsgericht hat die Revision nicht zugelassen.


LAG Düsseldorf, 28.06.2019 - Az: 6 Sa 994/18

ECLI:DE:LAGD:2019:0628.6SA994.18.00

Quelle: PM des LAG Düsseldorf

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