Im Betriebsalltag kommt es regelmäßig vor, dass
Arbeitnehmer im Rahmen ihrer Tätigkeit oder auch in ihrer Freizeit innovative Ideen entwickeln. Dies kann von einer einfachen Prozessoptimierung bis hin zu einer bahnbrechenden, patentfähigen Technologie reichen. Sobald eine solche Idee konkrete Züge annimmt und zu einer Erfindung wird, stellt sich unweigerlich die zentrale Frage: Wem gehört diese Erfindung? Dem Arbeitnehmer als Schöpfer oder dem
Arbeitgeber, in dessen Betrieb und vielleicht sogar mit dessen Mitteln sie entstanden ist?
Dieser potenzielle Interessenkonflikt wird durch das
Gesetz über Arbeitnehmererfindungen (ArbnErfG) geregelt. Dieses Gesetz schafft einen Ausgleich zwischen dem Erfinderrecht des Arbeitnehmers, welches ihm nach dem Patent- und Gebrauchsmusterrecht zusteht, und dem Interesse des Arbeitgebers an der Verwertung von Arbeitsergebnissen. Das Gesetz findet dabei nicht nur auf patent- oder gebrauchsmusterfähige Erfindungen Anwendung, sondern erfasst auch sogenannte technische Verbesserungsvorschläge, bei denen es sich um Erfindungen handelt, die diesen Schutz nicht erlangen können.
Diensterfindung oder Freie Erfindung?
Das Gesetz unterscheidet grundlegend zwischen Diensterfindungen und freien Erfindungen. Eine Diensterfindung liegt vor, wenn sie entweder aus der Tätigkeit entstanden ist, die dem Arbeitnehmer im Betrieb obliegt, oder wenn sie maßgeblich auf Erfahrungen oder Arbeiten des Betriebes beruht.
Im Gegensatz dazu stehen freie Erfindungen. Diese werden zwar auch während der Dauer des
Arbeitsverhältnisses gemacht, stehen jedoch in keinem Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit oder den Erfahrungen des Betriebs. Typischerweise sind dies Erfindungen, die ein Arbeitnehmer in seiner Freizeit und ohne Nutzung betrieblicher Ressourcen tätigt. Diese Unterscheidung ist wichtig, da sie die Rechte und Pflichten von Arbeitgeber und Arbeitnehmer fundamental unterschiedlich ausgestaltet.
Meldepflicht: Was der Arbeitnehmer tun muss
Unabhängig davon, ob ein Arbeitnehmer meint, eine Dienst- oder eine freie Erfindung gemacht zu haben, trifft ihn in jedem Fall eine Meldepflicht gegenüber dem Arbeitgeber. Bei Diensterfindungen hat diese Meldung unverzüglich zu erfolgen und muss zwingend in Textform, beispielsweise per E-Mail oder Brief, eingereicht werden. Bei einer freien Erfindung ist der Arbeitnehmer lediglich verpflichtet, diese dem Arbeitgeber während der Dauer des Arbeitsverhältnisses mitzuteilen und anzubieten.
Der Inhalt der Meldung einer Diensterfindung ist gesetzlich genau geregelt. Die Mitteilung muss die technische Aufgabe, die dem Problem zugrunde liegt, dessen Lösung und das konkrete Zustandekommen der Diensterfindung detailliert beschreiben. Soweit zum Verständnis erforderlich, sind Aufzeichnungen wie Skizzen oder Pläne beizufügen. Darüber hinaus soll die Meldung spezifische Angaben enthalten, etwa welche dienstlichen Weisungen oder Richtlinien relevant waren, welche Betriebserfahrungen genutzt wurden und welche anderen Mitarbeiter in welcher Form an der Erfindung mitgewirkt haben. Schließlich soll der meldende Arbeitnehmer hervorheben, was er als seinen eigenen Anteil an der Schöpfung ansieht (
§ 5 Abs. 2 ArbnErfG).
Die Einhaltung dieser Formvorschriften ist für den Arbeitnehmer von großer Wichtigkeit. Nur eine ordnungsgemäße Meldung setzt die Fristen für den Arbeitgeber in Gang. Eine bloß mündliche Mitteilung einer „Initialidee“ oder die Übergabe von Versuchsberichten genügen hierfür nicht, wie der Bundesgerichtshof klarstellte (BGH, 12.04.2011 - Az:
X ZR 72/10). Die Frist zur Inanspruchnahme wird ohne schriftliche Erfindungsmeldung grundsätzlich nur dann ausgelöst, wenn der Arbeitgeber seinerseits dokumentiert, dass er über alle notwendigen Erkenntnisse verfügt, etwa indem er selbst eine Patentanmeldung vornimmt und den Arbeitnehmer als Erfinder benennt.
Nach der Meldung ist der Arbeitnehmer verpflichtet, die Erfindung solange geheim zu halten, wie es die berechtigten Belange des Arbeitgebers erfordern (§ 5 Abs. 3 ArbnErfG).
Inanspruchnahme: So erhält der Arbeitgeber die Erfindung
Nach dem Eingang einer ordnungsgemäßen Meldung über eine Diensterfindung hat der Arbeitgeber vier Monate Zeit, über das Schicksal der Erfindung zu entscheiden. Er kann die Erfindung entweder durch eine Erklärung in Textform gegenüber dem Arbeitnehmer freigeben oder er kann sie in Anspruch nehmen.
Die Inanspruchnahme führt dazu, dass alle vermögenswerten Rechte an der Diensterfindung vom Arbeitnehmer auf den Arbeitgeber übergehen. Dies ist die zentrale Weichenstellung, durch die der Arbeitgeber zum Inhaber der Erfindung wird.
Entscheidend ist hierbei die gesetzliche Fiktion des
§ 6 Abs. 2 ArbnErfG: Lässt der Arbeitgeber die Viermonatsfrist verstreichen, ohne die Erfindung ausdrücklich freizugeben, gilt die Inanspruchnahme automatisch als erklärt. Das Schweigen des Arbeitgebers führt also zum Rechtsübergang. Sobald die Erfindung – ob durch Erklärung oder Fiktion – in Anspruch genommen wurde, entsteht im Gegenzug der Anspruch des Arbeitnehmers auf eine angemessene Vergütung.
Pflichten des Arbeitgebers nach der Inanspruchnahme
Mit dem Übergang der Rechte erwachsen dem Arbeitgeber neue Verpflichtungen. Die wichtigste ist die Zahlung der bereits erwähnten angemessenen Vergütung. Darüber hinaus ist der Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers hin verpflichtet, die Diensterfindung im Inland zur Erteilung eines Schutzrechts (also Patent oder Gebrauchsmuster) anzumelden.
Kommt der Arbeitgeber dieser Aufforderung zur Anmeldung nicht innerhalb einer angemessenen Frist nach, räumt das Gesetz dem Arbeitnehmer ein Selbsthilferecht ein: Der Arbeitnehmer darf die Anmeldung dann selbst im Namen und auf Kosten des Arbeitgebers vornehmen (
§ 13 Abs. 3 ArbnErfG).
Hat der Arbeitnehmer die Diensterfindung – pflichtwidrig – bereits vor der Inanspruchnahme auf eigenen Namen zum Patent angemeldet, genügt nach der Inanspruchnahme durch den Arbeitgeber keine bloße Umschreibung der Anmeldung. Vielmehr ist eine formelle Übertragung des Patents oder der Anmeldung auf den Arbeitgeber erforderlich (BGH, 12.04.2011 - Az:
X ZR 72/10).
Während des gesamten Anmeldeverfahrens treffen den Arbeitgeber zudem Informationspflichten. Er muss den Arbeitnehmer über den Fortschritt des Verfahrens unterrichten. Auf Verlangen ist dem Arbeitnehmer Einsicht in den relevanten Schriftwechsel zu gewähren und ihm sind Abschriften der Anmeldeunterlagen zur Verfügung zu stellen.
Vergütung für die Arbeitnehmererfindung
Der Arbeitnehmer hat nach der Inanspruchnahme einen Anspruch auf eine angemessene Vergütung. Für deren Bemessung sind laut Gesetz insbesondere die wirtschaftliche Verwertbarkeit der Erfindung, die Aufgaben und die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb sowie der Anteil des Betriebes am Zustandekommen der Erfindung maßgebend (
§ 9 ArbnErfG).
In der Praxis stellt sich jedoch das Problem, dass der Arbeitnehmer typischerweise keine Kenntnis über die tatsächliche wirtschaftliche Nutzung und die damit erzielten Vorteile hat. Um seinen Vergütungsanspruch aber beziffern und durchsetzen zu können, steht ihm ein Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch gegen den Arbeitgeber zu. Dieser Anspruch, der sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ableitet, verpflichtet den Arbeitgeber, die zur Berechnung notwendigen Informationen bereitzustellen, da der Arbeitnehmer sie weder besitzt noch sich auf zumutbare Weise selbst beschaffen kann.
Zur Ermittlung der Vergütungshöhe hat sich in der Rechtsprechung die Methode der Lizenzanalogie als Standard etabliert. Es wird die Frage gestellt, welche Vergütung (Lizenzgebühr) vernünftige Vertragspartner vereinbart hätten, wenn der Arbeitgeber die Erfindung als freier Erfinder dem Arbeitgeber zur ausschließlichen Nutzung überlassen hätte (vgl. OLG Düsseldorf, 21.10.2021 - Az:
I-2 U 7/21).
Um diese fiktive Lizenzgebühr zu ermitteln, kann der Arbeitnehmer Auskunft über die mit der Erfindung erzielten Umsatzerlöse verlangen, da Lizenzsätze typischerweise prozentual am Umsatz bemessen werden. Auch der erzielte Gewinn kann einen Anhaltspunkt für den Wert der Erfindung und die Höhe des Lizenzsatzes geben. Der Auskunftsanspruch dient auch dazu, die Angaben des Arbeitgebers auf Plausibilität und Richtigkeit zu prüfen.
Dieser Auskunftsanspruch ist jedoch nicht grenzenlos. Er wird durch die Kriterien der Erforderlichkeit und der Zumutbarkeit beschränkt. Der Arbeitgeber muss keine Angaben machen, die für ihn mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden wären oder die berechtigte Geheimhaltungsinteressen verletzen würden. Es besteht eine Wechselwirkung: Je bedeutsamer die Information für den Vergütungsanspruch ist, desto intensivere Bemühungen sind dem Arbeitgeber zuzumuten (vgl. OLG Düsseldorf, 21.10.2021 - Az:
I-2 U 7/21).
Vergütungsanspruch bei Betriebsübergang und Insolvenz
Eine Sonderfrage stellt sich im Falle einer Insolvenz oder eines
Betriebsübergangs: Was geschieht mit dem Vergütungsanspruch, wenn der Betrieb oder Betriebsteile verkauft werden? Insbesondere dann, wenn das Arbeitsverhältnis des Erfinders in diesem Zusammenhang beendet wird und nicht auf den Erwerber übergeht?
Hierzu hat das Landgericht Magdeburg entschieden, dass der Erwerber des Betriebs oder Betriebsteils auch dann in die Vergütungspflicht eintritt, wenn das Arbeitsverhältnis des Erfinders nicht mit übergeht. Eine Auslegung des
§ 27 Nr. 1 ArbnErfG, die den Anspruch vom Fortbestand des Arbeitsverhältnisses abhängig macht, wurde abgelehnt.
Zur Begründung führte das Gericht an, dass der Sinn und Zweck des Gesetzes der Schutz des Erfinders sei, auch und gerade in der Insolvenz des Arbeitgebers. Der Erwerber profitiere in jedem Fall von der Erfindung, unabhängig davon, ob der Erfinder bei ihm weiterbeschäftigt wird oder nicht. Es sei kein Grund ersichtlich, den Arbeitnehmer, der ohnehin bereits durch die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses belastet ist, zusätzlich durch den Verlust seines Vergütungsanspruchs zu benachteiligen. Der Erwerber könne diese künftige Vergütungspflicht bei der Bemessung des Kaufpreises berücksichtigen oder die Diensterfindung freigeben, um die Zahlungspflicht zu beenden (LG Magdeburg, 24.08.2016 - Az:
7 O 548/15).
Freie Erfindungen des Arbeitnehmers
Für freie Erfindungen gelten, wie eingangs erwähnt, abweichende Regeln. Da sie nicht im Zusammenhang mit dem Betrieb stehen, kann der Arbeitgeber sie nicht per Inanspruchnahme an sich ziehen. Stattdessen trifft den Arbeitnehmer eine Anbietepflicht nach
§ 19 ArbnErfG.
Der Arbeitnehmer muss dem Arbeitgeber, solange das Arbeitsverhältnis besteht, zumindest ein nichtausschließliches Recht zur Benutzung der Erfindung zu angemessenen Bedingungen anbieten. Diese Pflicht besteht jedoch nur, wenn die freie Erfindung in den vorhandenen oder bereits konkret vorbereiteten Arbeitsbereich des Betriebes fällt. Dieses Angebot kann der Arbeitnehmer bereits gleichzeitig mit der Mitteilung über die freie Erfindung abgeben. Der Arbeitgeber hat dann eine Frist von drei Monaten, um das Angebot anzunehmen. Lässt er diese Frist verstreichen, erlischt sein Vorrecht an der freien Erfindung.
Streitfall: Anrufung der Schiedsstelle
Kommt es zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu Meinungsverschiedenheiten – sei es über die Einordnung als Dienst- oder freie Erfindung, über die Ordnungsgemäßheit der Meldung oder, am häufigsten, über die Höhe der Vergütung – sieht das Gesetz einen vorgelagerten Schlichtungsweg vor.
Für solche Streitigkeiten ist die Anrufung der Schiedsstelle beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) vorgesehen. Diese spezialisierte Stelle prüft den Sachverhalt und unterbreitet den Parteien einen begründeten Einigungsvorschlag. Ziel ist eine schnelle und kostengünstige Beilegung des Konflikts. Erst wenn dieses Schiedsverfahren erfolglos war, weil beispielsweise eine Partei den Vorschlag ablehnt, steht den Parteien der ordentliche Rechtsweg zu den Gerichten offen.