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Mutterschutz und Vaterschaftsurlaub: Rechte und Ansprüche rund um die Geburt

Arbeitsrecht | Lesezeit: ca. 15 Minuten

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Die Geburt eines Kindes ist ein Ereignis, das nicht nur das private Leben, sondern auch das Arbeitsverhältnis von werdenden Eltern maßgeblich beeinflusst. Um die Gesundheit von Mutter und Kind zu schützen und eine finanzielle Absicherung in dieser besonderen Lebensphase zu gewährleisten, hat der Gesetzgeber Schutzrechte geschaffen. Im Mittelpunkt steht hierbei das Mutterschutzgesetz, das werdenden Müttern weitreichende Rechte einräumt. Zunehmend in den Fokus rückt jedoch auch die rechtliche Stellung der Väter, insbesondere im Hinblick auf einen eigenen, vergüteten Urlaub nach der Geburt – ein Anspruch, der durch europäische Vorgaben angestoßen wurde.

Mutterschutz und Mutterschaftsurlaub

Das Mutterschutzgesetz (MuSchG) bildet die Rechtsgrundlage für den Schutz von Arbeitnehmerinnen während der Schwangerschaft, nach der Entbindung und in der Stillzeit. Sein vorrangiges Ziel ist es, die Gesundheit der Frau und ihres Kindes vor Gefahren, Überforderung und finanziellen Nachteilen am Arbeitsplatz zu bewahren. Das Gesetz gilt für alle Frauen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen, einschließlich Teilzeitbeschäftigter, geringfügig Beschäftigter und Auszubildender.

Eines der wichtigsten Elemente des Mutterschutzgesetzes sind die gesetzlichen Schutzfristen. Diese umfassen einen Zeitraum, in dem die werdende Mutter einem absoluten Beschäftigungsverbot unterliegt. Die Schutzfrist beginnt grundsätzlich sechs Wochen vor dem errechneten Geburtstermin und endet acht Wochen nach der Entbindung. Bei Früh- oder Mehrlingsgeburten sowie bei der Geburt eines Kindes mit Behinderung verlängert sich die Schutzfrist nach der Geburt auf zwölf Wochen. Während der Schutzfrist vor der Geburt kann die Arbeitnehmerin auf eigenen Wunsch weiterarbeiten; diese Erklärung kann sie jedoch jederzeit widerrufen. Nach der Geburt besteht hingegen ein zwingendes, ausnahmsloses Beschäftigungsverbot.

Kündigungsschutz für werdende Mütter

Ein wesentlicher Bestandteil des Mutterschutzes ist der besondere Kündigungsschutz gemäß § 17 MuSchG. Dieser verbietet dem Arbeitgeber die Kündigung des Arbeitsverhältnisses einer Frau von Beginn der Schwangerschaft an bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung. Der Schutz greift auch, wenn die Arbeitnehmerin nach der zwölften Schwangerschaftswoche eine Fehlgeburt erleidet. Für die Wirksamkeit des Kündigungsverbots ist es erforderlich, dass dem Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Kündigung die Schwangerschaft oder die Entbindung bekannt war. Alternativ kann die Mitteilung auch innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung nachgeholt werden.

Das Bundesarbeitsgericht hat in einer Entscheidung klargestellt, dass dieser Schutz bereits vor dem eigentlichen Arbeitsantritt greift. Es ist demnach ausreichend, dass ein wirksamer Arbeitsvertrag geschlossen wurde und die Schwangerschaft dem Arbeitgeber nach Vertragsschluss mitgeteilt wird. Der Kündigungsschutz besteht auch dann, wenn der vereinbarte erste Arbeitstag erst in der Zukunft liegt. Nach Auffassung der Richter dient das Kündigungsverbot dem Gesundheits- und Existenzsicherungsschutz der werdenden Mutter und ihres Kindes. Diese Schutzwirkung wäre unterlaufen, wenn ein Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis, das die wirtschaftliche Grundlage sichern soll, bereits vor dem ersten Arbeitstag kündigen könnte. Die psychischen Belastungen und wirtschaftlichen Existenzängste, die das Gesetz vermeiden will, seien in diesem Fall nicht geringer als bei einer Kündigung nach Arbeitsaufnahme (BAG, 27.02.2020 - Az: 2 AZR 498/19).

Finanzielle Absicherung während des Mutterschutzes

Um finanzielle Einbußen während der Schutzfristen zu vermeiden, sieht das Gesetz verschiedene Lohnersatzleistungen vor. Gesetzlich krankenversicherte Arbeitnehmerinnen erhalten von ihrer Krankenkasse das Mutterschaftsgeld, dessen Höhe sich nach dem durchschnittlichen Nettoarbeitsentgelt der letzten drei abgerechneten Kalendermonate richtet. Da das Mutterschaftsgeld auf 13 Euro pro Kalendertag begrenzt ist, sind Arbeitgeber verpflichtet, die Differenz zum bisherigen Nettoeinkommen als Arbeitgeberzuschuss zum Mutterschaftsgeld auszugleichen. Dadurch wird sichergestellt, dass die Arbeitnehmerin während der Schutzfristen finanziell nicht schlechtergestellt ist als bei voller Berufstätigkeit.

Zur Frage, welche Lohnbestandteile bei der Berechnung dieses Zuschusses zu berücksichtigen sind, hat der Europäische Gerichtshof wichtige Grundsätze aufgestellt. Demnach haben Arbeitnehmerinnen, die aufgrund ihrer Schwangerschaft beurlaubt sind oder vorübergehend auf einem anderen, schonenderen Arbeitsplatz beschäftigt werden, weiterhin Anspruch auf ihr monatliches Grundentgelt sowie auf alle Zulagen, die an ihre berufliche Stellung geknüpft sind, wie beispielsweise Zulagen für eine leitende Position, für die Betriebszugehörigkeit oder berufliche Qualifikationen. Hingegen besteht kein Anspruch auf Zulagen, die spezifische Nachteile für tatsächlich ausgeübte Tätigkeiten ausgleichen sollen, wie etwa Gefahren- oder Nachtarbeitszuschläge. Werden diese Tätigkeiten aufgrund eines Beschäftigungsverbots nicht mehr ausgeübt, entfällt auch der Anspruch auf die entsprechende Zulage. Dies begründet der Gerichtshof damit, dass sich Arbeitnehmerinnen im Mutterschutz in einer Situation befinden, die nicht mit der von aktiv arbeitenden Kollegen vergleichbar ist (EuGH, 01.07.2010 - Az: C-471/08 und C-194/08).

Diskriminierungsverbot und berufliche Weiterentwicklung

Das Mutterschutzgesetz und übergeordnetes europäisches Recht sollen nicht nur die Gesundheit schützen, sondern auch Benachteiligungen im Berufsleben verhindern. Eine Frau darf wegen ihrer Schwangerschaft oder Mutterschaft keine Nachteile in Bezug auf ihre Arbeitsbedingungen oder ihre berufliche Entwicklung erleiden. Der Europäische Gerichtshof hat dies in einer Entscheidung bekräftigt, in der es um den Ausschluss einer Arbeitnehmerin von einem Ausbildungskurs ging, weil dieser mit ihrem obligatorischen Mutterschaftsurlaub kollidierte. Die Richter stellten klar, dass ein solcher automatischer Ausschluss eine unzulässige Diskriminierung darstellt. Einer Arbeitnehmerin im Mutterschutz müsse es in gleicher Weise wie ihren Kollegen ermöglicht werden, in den Genuss einer Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen, wozu auch Fort- und Weiterbildungen zählen, zu gelangen (EuGH, 06.03.2014 - Az: C-595/12).

Die Abgrenzung zwischen Mutterschutz und Elternzeit kann sich bei tarifvertraglichen Sonderregelungen als komplex erweisen. So hatte sich der EuGH mit einer Regelung zu befassen, die einen zusätzlichen, über den gesetzlichen Mutterschutz hinausgehenden Urlaub ausschließlich Müttern vorbehielt. Ein solcher Vorbehalt ist laut Gerichtshof nur dann zulässig, wenn der zusätzliche Urlaub dem spezifischen Schutz der Frau im Hinblick auf die körperlichen Folgen der Schwangerschaft und die besondere Mutter-Kind-Beziehung nach der Geburt dient. Handelt es sich hingegen um einen Urlaub, der der Kindererziehung dient und somit der Elternschaft als solcher zuzuordnen ist, stellt der Ausschluss von Vätern eine unzulässige Diskriminierung dar. Die bloße Tatsache, dass der Urlaub sich an den gesetzlichen Mutterschutz anschließt, genügt nicht, um ihn als reinen Mutterschaftsurlaub zu qualifizieren (EuGH, 18.11.2020 - Az: C-463/19).

Vaterschaftsurlaub und die fehlende Umsetzung der EU-Richtlinie

Während der Mutterschutz eine lange Tradition hat, ist ein eigenständiger, bezahlter Vaterschaftsurlaub eine neuere Entwicklung, die auf europäischer Ebene vorangetrieben wird. Die EU-Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben (RL (EU) 2019/1158) sieht einen Anspruch von zehn Arbeitstagen für Väter oder gleichgestellte zweite Elternteile anlässlich der Geburt eines Kindes vor. Dieser Urlaub soll vergütet werden, und zwar mindestens in Höhe des Krankengeldes. Die Mitgliedstaaten waren verpflichtet, diese Vorgabe bis zum 2. August 2022 in nationales Recht umzusetzen.

Deutschland ist dieser Verpflichtung bislang nicht durch ein entsprechendes Gesetz nachgekommen. Dies hat zu einer uneinheitlichen und auch unübersichtlichen Rechtslage geführt.

Wann erfolgt eine direkte Anwendbarkeit der EU-Richtlinie?

Die zu klärende Frage lautet, ob sich Arbeitnehmer direkt auf die EU-Richtlinie berufen können, solange ein nationales Umsetzungsgesetz fehlt. Hierzu existieren bereits einige Gerichtsentscheidungen.

Das Verwaltungsgericht Köln hat in einem Urteil entschieden, dass Bundesbeamten unmittelbar aus der EU-Richtlinie ein Anspruch auf zehn Tage vergüteten Vaterschaftsurlaub zusteht. Die Richter argumentierten, dass Deutschland seiner Umsetzungspflicht nicht nachgekommen sei. Die bestehenden Regelungen zu Elternzeit und Elterngeld seien kein adäquater Ersatz, da die Inanspruchnahme von Elternzeit für einen so kurzen Zeitraum nicht mit einer Lohnfortzahlung im Sinne der Richtlinie verbunden ist. Der Anspruch auf Elterngeld setzt in der Regel einen Bezug von mindestens zwei Lebensmonaten voraus. Das Gericht betonte jedoch ausdrücklich, dass diese unmittelbare Wirkung der Richtlinie nur im Verhältnis zwischen dem Bürger und dem Staat (hier: einem Bundesbeamten und seinem Dienstherrn) greife. Gegenüber privaten Arbeitgebern bestehe ein solcher direkter Anspruch nicht, da EU-Richtlinien nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs keine unmittelbare horizontale Wirkung zwischen Privatpersonen entfalten (VG Köln, 11.09.2025 - Az: 15 K 1556/24).

Das Landgericht Berlin II hat eine Schadensersatzklage eines Vaters abgewiesen, der die fehlende Umsetzung der Richtlinie rügte. Nach Ansicht dieses Gerichts hat Deutschland die Vorgaben der Richtlinie durch die bestehenden Regelungen zur Elternzeit und zum Elterngeld bereits ausreichend erfüllt. Die Richtlinie erlaube ausdrücklich die Berücksichtigung bestehender Regelungen. Da Väter in Deutschland die Möglichkeit hätten, flexibel Elternzeit – auch für nur zwei Wochen – zu nehmen und währenddessen Elterngeld zu beziehen, sei kein zusätzlicher, separater Vaterschaftsurlaub erforderlich, um den europäischen Vorgaben zu genügen. Die bestehende Rechtslage sei daher richtlinienkonform (LG Berlin II, 01.04.2025 - Az: 26 O 133/24).

Aktuelle Situation für Arbeitnehmer und praktische Alternativen

Derzeitig besteht für Väter, die in der Privatwirtschaft beschäftigt sind, wohl kein einklagbarer Anspruch auf einen zehn-tägigen bezahlten Vaterschaftsurlaub. Die Entscheidung des VG Köln eröffnet lediglich Beamten eine Möglichkeit, Ansprüche geltend zu machen.

In der Praxis bleibt Vätern wohl regelmäßig nur der Rückgriff auf bestehende Instrumente. In vielen Fällen wird zur Geburt Sonderurlaub für einen oder zwei Tage gewährt, der sich aus § 616 BGB oder aus Tarif- bzw. Arbeitsverträgen ergeben kann. Ein Anspruch aus § 616 BGB ist jedoch in vielen neueren Arbeitsverträgen ausgeschlossen. Die andere Möglichkeit ist die Inanspruchnahme von Elternzeit unmittelbar nach der Geburt. Diese muss spätestens sieben Wochen vor dem gewünschten Beginn beim Arbeitgeber angemeldet werden. Ein finanzieller Ausgleich erfolgt dann jedoch nicht durch den Arbeitgeber, sondern nur über den potenziellen Bezug von Elterngeld, was die kurze Freistellung für viele Familien wirtschaftlich unattraktiv macht. Es bleibt abzuwarten, wann der deutsche Gesetzgeber die Rechtsunsicherheit durch die Schaffung einer klaren gesetzlichen Regelung zur Familienstartzeit beenden wird.
Stand: 15.09.2025
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Andreas Maier , Bad Säckingen