Fragen zum Arbeitsvertrag? ➠ Wir prüfen den Vertrag für SieGratifikationen sind Sonderzuwendungen zu bestimmten Anlässen (Weihnachten, Urlaub, Jubiläum). Zweck ist die Anerkennung für die Vergangenheit und Anreiz für die Zukunft.
Ähnlich sind Erfolgsprämien zu beurteilen, mit denen
Arbeitnehmer unabhängig von der persönlichen Leistung am Unternehmensgewinn beteiligt werden. Dagegen dient das 13. Monatsgehalt oft nur der Abgeltung vergangener Leistungen.
Gratifikationen können also mit unterschiedlichen Intentionen verbunden werden. Auch ein Mischcharakter ist denkbar.
Derartige Sonderzuwendungen sind keine Geschenke, sondern in jedem Falle Teil des Entgelts, daher ist zum Beispiel kein Widerruf wegen groben Undanks möglich.
Gibt es einen Anspruch auf Gratifikationen?
Arbeitnehmer haben keinen gesetzlichen Anspruch auf Gratifikationen des
Arbeitgebers. Ein Anspruch kann sich aber aus dem
Arbeitsvertrag, einen
Tarifvertrag, einer
Betriebsvereinbarung, betrieblicher Übung oder dem arbeitsrechtlichen
Gleichbehandlungsgrundsatz ergeben. Auch eine mündliche Zusage kommt als Anspruchsgrundlage in Betracht.
Sofern eine Gratifikation nicht unter Freiwilligkeitsvorbehalt gezahlt wird, kann betriebliche Übung nicht entstehen. Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden (BAG, 25.01.2023 - Az:
10 AZR 116/22). Dem kann dadurch entgegengewirkt werden, dass die Freiwilligkeit der Leistung und der Ausschluss künftiger Wiederholung der Leistung bei jeder Gewährung einer Gratifikation erklärt wird.
Für jährlich an die gesamte Belegschaft geleistete Gratifikationen ist insoweit die Regel aufgestellt worden, nach der eine zumindest dreimalige vorbehaltlose Gewährung zur Verbindlichkeit erstarkt, falls nicht besondere Umstände hiergegen sprechen oder der Arbeitgeber bei der Zahlung einen Bindungswillen für die Zukunft ausgeschlossen hat (BAG, 25.01.2023 - Az:
10 AZR 109/22).
Sofern der Arbeitnehmer einen rechtlichen Anspruch auf Zahlung einer Gratifikation hat, kann der Arbeitgeber diesen Gratifikationsanspruch übrigens nicht einseitig „widerrufen“, sofern es keinen arbeitsvertraglichen Widerrufsvorbehalt, also die Vereinbarung eines dem Arbeitgeber zustehenden Rechts zum Widerruf einer Gratifikation, gibt (BAG, 12.01.2005 – Az:
5 AZR 364/04).
Was ist hinsichtlich der Höhe der Gratifikation zu beachten?
Sofern es keine tarifvertragliche, betriebliche oder einzelvertragliche Regelung gibt, kann der Arbeitgeber die Höhe nach freiem Ermessen festlegen. Innerbetrieblich ist hierbei der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten – eine willkürliche Ungleichbehandlung ohne sachlichen Grund ist nicht zulässig.
Teilzeitbeschäftigte haben in der Regel nur einen Anspruch auf anteilige Gewährung der Gratifikation.
Kann der Arbeitgeber eine Gratifikation kürzen?
Es ist möglich, eine Kürzung für Zeiten ohne Arbeitsleistung vorzunehmen, wenn dies entsprechend vereinbart wurde. Ohne eine Regelung zur Kürzungsmöglichkeit kommt es auf die Art der Gratifikation an. Handelt es sich um eine Zahlung mit ausschließlichem Entgeltcharakter, ist die anteilige Kürzung möglich - soll dagegen Betriebstreue belohnt werden, besteht ein Anspruch auf volle Zahlung auch bei Zeiten ohne Arbeitsleistung, da es alleine auf das Bestehen des Arbeitsverhältnisses ankommt.
Bei Kürzungsvereinbarungen ist darauf zu achten, dass diese einzelnen Gruppen von Arbeitnehmern nicht sachfremd oder willkürlich benachteiligen. Auch die Beeinträchtigung von zwingenden Arbeitnehmerschutzrechten ist unzulässig. So deckelt beispielsweise
§ 4a EntgeltFG die Kürzungsmöglichkeit für jeden Tag krankheitsbedingter
Arbeitsunfähigkeit auf ein Viertel des Arbeitsentgelts, das im Jahresdurchschnitt auf einen Arbeitstag fällt.
Auch beim Ausscheiden von Arbeitnehmern kann eine Kürzung je nach Ausgestaltung der Gratifikation in Betracht kommen. So kommt eine anteilige Zahlung in Betracht, wenn die Honorierung bereits geleisteter Dienste Ziel der Gratifikation ist. Ist dagegen Ziel der Leistung die Honorierung von Betriebstreue, so ist eine mangelnde Betriebstreue zum Stichtag ein Grund für die Nichtzahlung. Sofern es sich um eine Zahlung mit Mischcharakter handelt, kann eine Sonderzahlung, die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen geregelt wird, nicht vom Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem bestimmten Stichtag abhängig gemacht werden (BAG, 13.11.2013 – Az:
10 AZR 848/12).
Kann eine Gratifikation zurückgefordert werden?
Auch bei der Beantwortung dieser Frage kommt es auf den Charakter der Gratifikation an.
Bei Entgeltcharakter und leistungsabhängigen Gratifikationen scheidet eine Rückforderung aus, wenn kurz nach Erhalt das Arbeitsverhältnis beendet wird.
Bei einer mit dem Arbeitnehmer geschlossenen eindeutigen Vereinbarung (Rückforderungsvorbehalt) und wenn ausschließlich künftige oder vergangene Betriebstreue belohnt werden soll, kann eine Rückforderung des Arbeitgebers erfolgen. Für Gratifikationen – konkret
Weihnachtsgratifikationen – hält das BAG bei einem Betrag von bis 100 € eine Rückzahlungsklausel für unzulässig, bei Zahlungen bis unter einem Monatsgehalt kann eine Rückzahlung bei Ausscheiden vor dem 31.03. des Folgejahres vereinbart werden, bei höheren Gratifikationen kann die Bindung auch länger – maximal bis zum 30.06 des Folgejahres - zulässig sein. In diesem Fall wird sich an der Kündigungsfrist für den Arbeitnehmer orientiert.
Gratifikationen sind steuerpflichtig!
Auch eine einmalige Gratifikation ist als sonstiger Bezug zu versteuern und unterliegt der Steuer- und Sozialabgabenpflicht. Fortlaufend mit dem normalen Gehalt gezahlte Gratifikationen sind dagegen als Arbeitslohn zu versteuern.
Sachzuwendungen wie Arbeitsmittel, die auch privat genutzt werden können, sind für den Begünstigten dagegen steuerfrei und für den Arbeitgeber pauschaliert als geldwerter Vorteil zu versteuern, wobei eine monatliche Freigrenze besteht.