Das Verwaltungsgericht Gießen gab der Klage eines Einwohners des Landkreises Marburg-Biedenkopf statt, der sich gegen die
Entziehung seiner Fahrerlaubnis wandte.
Die Fahrerlaubnisbehörde vermutet das Vorliegen einer psychischen Erkrankung bei dem Kläger, weil dieser gegenüber Polizisten unter anderem von „Elektro Magnetische Wellen Terroristen“ gesprochen habe.
Der Entscheidung lag der nachfolgende Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger wurde im Herbst 2021 von Polizisten in seinem Fahrzeug angetroffen. Diese vermerkten anschließend, dass er einen verwirrten Eindruck gemacht habe. Er habe von „Elektro Magnetische Wellen Terroristen“ gesprochen. Bei der Durchsuchung des Fahrzeugs fanden die Polizisten eine mit Alufolie umwickelte Schale aus Blei und eine Weste mit Blei. Der Kläger habe angegeben, dass er die Schale bei Kopfschmerzen auf den Kopf setze und die Weste ihm zum Schutz diene. Daraufhin beobachteten die Polizisten auf dem Heimweg des Klägers, dass dieser ungewöhnlich langsam gefahren sei und mehrfach den Mittelstreifen überfahren habe.
Das nahm die Fahrerlaubnisbehörde des beklagten Landkreises zum Anlass, von dem Kläger die Vorlage eines
fachärztlichen Gutachtens zu fordern. Geklärt werden sollte, ob der Kläger an einer Erkrankung leidet, die seine Fahreignung ausschließen könnte.
Nachdem der Kläger dieses Gutachten nicht vorlegte, wurde ihm die
Fahrerlaubnis entzogen.
Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg.
Die Gutachtenanforderung sei zu unbestimmt. Es lasse sich auch unter Berücksichtigung der Begründung nicht erkennen, welche Art der Erkrankung überprüft werden solle.
Darüber hinaus habe der ermittelte Sachverhalt keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür geboten, die Beibringung eines Gutachtens zu verlangen. Denn auch völlig abwegig erscheinende Erklärungen rechtlicher oder tatsächlicher Art sowie Verhaltensweisen des Fahrerlaubnisinhabers außerhalb des Straßenverkehrs würden grundsätzlich keine als ausreichend anzusehende Grundlage für die Annahme einer die Fahreignung beeinträchtigenden Gesundheitsstörung darstellen.
Hinreichende Anhaltspunkte hierfür seien auch nicht aus dem sonstigen (Fahr-)Verhalten des Klägers ersichtlich. „Schüsse ins Blaue“ auf Grundlage eines bloßen „Verdachts-Verdachts“, der dem Betroffenen im Ergebnis einen im Gesetz nicht vorgesehenen Eignungsbeweis auferlegen würde, seien nicht zulässig.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Berufung wurde zugelassen, da das Urteil von einer Entscheidung des VGH Hessen, welches im vorangegangenen Eilverfahren am 28. April 2023 (Az: 2 B 61/23) erging, abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Berufung kann innerhalb eines Monats nach Zustellung beim VGH Hessen eingelegt werden.