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Aufbauseminar: Voraussetzungen und Folgen für Führerscheininhaber

Verkehrsrecht | Lesezeit: ca. 11 Minuten

In der Praxis ist die Anordnung eines Aufbauseminars ein klarer Hinweis darauf, dass der Bestand der Fahrerlaubnis in Gefahr ist. Die Teilnahme an einem angeordneten Aufbauseminar ist nämlich kein freiwilliges Bildungsangebot, sondern für den Betroffenen verpflichtend und betrifft insbesondere Fahranfänger innerhalb der sogenannten Probezeit.

Wer die Teilnahme an einem angeordneten Aufbauseminar verweigert oder verzögert, riskiert den Verlust der Fahrerlaubnis und muss dann später mit dem aufwendigen Verfahren zur Wiedererteilung auseinandersetzen.

Rechtliche Einordnung und Zweck des Aufbauseminars

Das Aufbauseminar ist eine verkehrspädagogische Maßnahme, die in der Regel angeordnet wird, wenn ein Fahranfänger innerhalb der zweijährigen Probezeit einen schwerwiegenden oder zwei weniger schwerwiegende Verkehrsverstöße begeht. Die Maßnahme zielt darauf ab, die Verkehrssicherheit zu erhöhen und auffällige Fahranfänger zur Reflexion ihres Verhaltens im Straßenverkehr zu bewegen. Sie ist Teil des abgestuften Sanktionssystems für Fahranfänger.

Rechtsgrundlage für die Anordnung eines Aufbauseminars ist § 2a Abs. 2 StVG i.V.m. der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV). Zuständig für die Anordnung ist die Fahrerlaubnisbehörde.

Wer muss ein Aufbauseminar absolvieren?

Zur Teilnahme verpflichtet sind Personen, die sich innerhalb der Probezeit befinden und wegen eines sogenannten A-Verstoßes oder wegen zweier B-Verstöße auffällig geworden sind. Ein A-Verstoß umfasst schwerwiegende Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr. Dies betrifft beispielsweise das Überfahren einer roten AmpelGeschwindigkeitsüberschreitungen von mehr als 21 km/h oder das Fahren unter Alkoholeinfluss. B-Verstöße sind weniger gravierend, etwa das Nichtmitführen der Zulassungsbescheinigung oder das Fahren mit abgefahrenen Reifen.

Die Feststellung eines entsprechenden Verstoßes erfolgt durch Bußgeldbescheid oder gerichtliche Entscheidung. Mit Bestandskraft dieser Entscheidung wird die Fahrerlaubnisbehörde tätig und ordnet das Aufbauseminar an. Ein Widerspruch gegen den Bußgeldbescheid hindert die Anordnung in der Regel nicht, solange der Verstoß rechtskräftig festgestellt wird.

Ablauf und Inhalte des Aufbauseminars

Das Aufbauseminar gliedert sich in vier Sitzungen à 135 Minuten sowie eine Fahrprobe zwischen der ersten und zweiten Sitzung. Es wird ausschließlich von Fahrlehrern durchgeführt, die über eine besondere Seminarerlaubnis verfügen (§ 2b Abs. 2 StVG).

Im Seminarverlauf setzen sich die Teilnehmer mit typischen Gefahrenquellen im Straßenverkehr auseinander, analysieren das eigene Fahrverhalten und erhalten Anleitungen zu einer sichereren Teilnahme am Straßenverkehr. Ziel ist eine Sensibilisierung für Risiken und die Förderung eines verantwortungsvollen Fahrstils.

Die Fahrprobe dient nicht der Überprüfung der fahrerischen Fähigkeiten im Sinne einer Prüfungsfahrt, sondern soll das Fahrverhalten in der Praxis reflektieren und als Grundlage für Diskussionen innerhalb der Gruppe dienen.

Fristsetzung und Folgen bei Nichtteilnahme

Die Fahrerlaubnisbehörde setzt zur Teilnahme an einem Aufbauseminar eine Frist von in der Regel acht Wochen. Die Frist beginnt mit Bekanntgabe der Anordnung. Eine Verlängerung ist nur in begründeten Ausnahmefällen möglich, etwa bei Krankheit oder nachgewiesenen zwingenden beruflichen Gründen. Die Hürde für eine Fristverlängerung liegt jedoch hoch.

Wird das Seminar nicht fristgerecht und vollständig absolviert, führt dies zwingend zur Entziehung der Fahrerlaubnis. Ein Ermessen besteht in diesem Fall nicht. Eine Wiedererteilung der Fahrerlaubnis ist frühestens nach Vorlage einer Bescheinigung über die erfolgreiche Teilnahme an einem Aufbauseminar möglich. Die Kosten der Maßnahme hat der Betroffene selbst zu tragen.

Verlängerung der Probezeit

Neben der Verpflichtung zur Teilnahme am Aufbauseminar hat die Anordnung weitere Konsequenzen: Die ursprünglich zweijährige Probezeit wird um weitere zwei Jahre verlängert. Während dieser verlängerten Probezeit steht die betroffene Person unter besonderer Beobachtung der Fahrerlaubnisbehörde. Weitere Verkehrsverstöße können zusätzliche Maßnahmen nach sich ziehen.

Was passiert bei erneuten Verstößen?

Bei einem erneuten A-Verstoß oder zwei weiteren B-Verstößen innerhalb der verlängerten Probezeit erfolgt die Anordnung einer verkehrspsychologischen Beratung (§ 2a Abs. 2 Nr. 2 StVG). Die Teilnahme daran ist freiwillig, wird jedoch als letzter Warnschuss angesehen. Kommt es danach erneut zu einem A-Verstoß oder zu zwei B-Verstößen, droht die Entziehung der Fahrerlaubnis ohne weitere Zwischenschritte.

Sonderformen des Aufbauseminars

Neben dem klassischen Aufbauseminar für Fahranfänger gibt es Sonderformen für besondere Zielgruppen. Für Fahranfänger, die unter dem Einfluss von Alkohol oder Drogen auffällig geworden sind, kann die Behörde ein spezielles Aufbauseminar für alkohol- oder drogenauffällige Kraftfahrer anordnen. Diese Seminare haben einen anderen inhaltlichen Fokus und werden nicht von Fahrlehrern, sondern von Verkehrspsychologen durchgeführt.

Auch außerhalb der Probezeit kann die Teilnahme an einem Seminar Bestandteil einer medizinisch-psychologischen Begutachtung (MPU) sein oder im Rahmen eines Punktereduzierungsprogramms nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem erfolgen. Diese Seminare sind jedoch von den hier beschriebenen Aufbauseminaren rechtlich und inhaltlich zu unterscheiden.

Kosten und Anbieter

Die Kosten für ein Aufbauseminar variieren je nach Anbieter und Region. In der Regel liegen sie zwischen 300 und 500 Euro. Die Maßnahme wird nur von zugelassenen Fahrschulen angeboten, die über eine entsprechende Seminarerlaubnis verfügen. Die Behörde stellt mit der Anordnung keine Empfehlung für einen bestimmten Anbieter aus, der Betroffene muss sich selbst um einen Platz bemühen.

Eine vorherige telefonische Anmeldung bei der Fahrschule ist dringend angeraten, da nicht alle Fahrschulen regelmäßig Aufbauseminare anbieten und Wartezeiten bestehen können.

Die Teilnahmebescheinigung ist der Fahrerlaubnisbehörde unaufgefordert vorzulegen, andernfalls droht die Entziehung der Fahrerlaubnis.

Eintragungen im Fahreignungsregister

Die Anordnung und Absolvierung eines Aufbauseminars selbst führt nicht zu einem Eintrag im Fahreignungsregister (FAER). Eintragungsfähig ist jedoch der zugrunde liegende Verkehrsverstoß, sofern er mit mindestens 1 Punkt bewertet wird. Das Seminar hat somit keinen unmittelbaren Einfluss auf das Punktestandkonto, sondern dient ausschließlich der Probezeitregelung.

Wird das Seminar nicht rechtzeitig absolviert und die Fahrerlaubnis entzogen, erfolgt im Fahreignungsregister eine Eintragung wegen Entziehung der Fahrerlaubnis. Diese Eintragung bleibt für fünf Jahre bestehen und kann bei künftigen Fahreignungsprüfungen negativ berücksichtigt werden.

Besonderheiten bei ausländischer Fahrerlaubnis

Auch Inhaber einer ausländischen EU-Fahrerlaubnis unterliegen den deutschen Vorschriften zur Probezeit, wenn sie ihren Wohnsitz in Deutschland haben. Bei festgestellten Verstößen innerhalb der Probezeit ist daher auch hier eine Anordnung eines Aufbauseminars möglich. Wird das Seminar nicht absolviert, kann die Nutzungserlaubnis im Inland entzogen werden – unabhängig davon, ob die Fahrerlaubnis in einem anderen EU-Mitgliedsstaat weiterhin Gültigkeit behält.

Wie unterscheidet sich das Aufbauseminar von einer MPU?

Die Anordnung eines Aufbauseminars ist nicht mit der medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) gleichzusetzen. Während das Seminar eine standardisierte Gruppenmaßnahme darstellt, ist die MPU eine individuelle Begutachtung der Fahreignung durch einen Verkehrspsychologen und einen Arzt. Allerdings kann bei wiederholter Nichtteilnahme am Aufbauseminar oder bei wiederholtem Fehlverhalten zusätzlich zur Seminarverpflichtung auch eine MPU angeordnet werden.
Stand: 01.09.2025
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