Liegen zum Zeitpunkt des Rücktritts keine amtlichen Reisewarnungen vor und ist das Zielgebiet (noch) nicht von dem
Corona-Ausbruch betroffen, schließt das die Annahme eines außergewöhnlichen Umstandes im Sinne des
§ 651h Abs. 3 BGB nicht generell aus. Vielmehr genügt zur dahingehenden Einordnung bereits eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine gesundheitsgefährdende Ausbreitung.
Ist indes weder eine Reisewarnung ausgesprochen noch das Zielgebiet von der Epidemie betroffen und mangelt es auch an einer gewissen Wahrscheinlichkeit, so stellen rein subjektive Unwohl- oder Angstgefühle des Reisenden vor einer Krankheit keinen außergewöhnlichen Umstand nach § 651h Abs. 3 BGB dar.
Gleiches gilt, wenn der Kunde selbst mit dem Corona-Virus infiziert ist und seinen Urlaub nicht antreten kann, das Reiseziel aber weiterhin nicht betroffen ist.
Hierzu führte das Gericht aus:
Zwischen den Parteien ist ein Reisevertrag über eine
Flugpauschalreise nach Gran Canaria vom 09.05.2020 bis zum 30.05.2020 zustande gekommen.
Der Kläger ist wirksam mit Erklärung vom 06.04.2020 von dem zwischen den Parteien geschlossenen
Reisevertrag vor Reisebeginn zurückgetreten.
Grundsätzlich verliert der
Reiseveranstalter zwar den Anspruch auf den vereinbarten
Reisepreis, wenn der Reisende vom Vertrag zurücktritt. Gemäß § 651h Abs. 1 S. 3 BGB kann der Reiseveranstalter jedoch eine angemessene Entschädigung verlangen. Der Beklagten steht vorliegend jedoch keine pauschalierte
Reiserücktrittskostenentschädigung zu, da die Ausnahmeregelung des § 651h Abs. 3 BGB eingreift.
Abweichend von § 651h Abs. 1 S. 3 BGB kann der Reiseveranstalter keine Entschädigung verlangen, wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen, § 651h Abs. 3 S. 1 BGB. Umstände sind unvermeidbar und außergewöhnlich in diesem Sinne, wenn sie nicht der Kontrolle der Partei unterliegen, die sich hierauf beruft, und sich ihre Folgen auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen worden wären (§ 651h Abs. 3 S. 2 BGB).
Für die Beurteilung kommt es darauf an, wann der Reisende zurückgetreten ist und ob die Gegebenheiten zu dieser Zeit bereits als außergewöhnliche Umstände zu qualifizieren sind. Hier verbietet sich jede schematische Betrachtung, maßgeblich bleiben vielmehr die Geschehnisse des konkreten Einzelfalles. In diesem Zusammenhang ist für die Bewertung der Zeitpunkt der Ausübung des Gestaltungsrechts maßgeblich. Es handelt sich um eine Prognoseentscheidung, für die es auf eine ex-ante-Betrachtung ankommt. Im Falle eines „übereilten“ Rücktritts fällt in aller Regel eine Entschädigung gemäß § 651h Abs. 1 S. 3 BGB an. Daran ändert sich nichts, wenn sich im Nachhinein eine Betroffenheit der späteren Reise von außergewöhnlichen Ereignissen ergibt und sich der Rücktritt ex-post darauf stützen ließe. Die entrichteten Stornierungsgebühren kann der Kunde nicht zurückverlangen. Es vermag nämlich nicht zu überzeugen, dass der Kunde möglichst frühzeitig vom Vertrag zurücktritt und dann auf die Fortdauer der Krise bis zu einem späteren Zeitpunkt spekuliert. Die Prognose und die Tatsachenlage im Zeitpunkt der Gestaltungserklärung wird durch nachträgliche Veränderungen nicht erschüttert.
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