Wird im Rahmen eines Vollstreckungsschutzverfahrens nach § 765a ZPO substantiiert vorgetragen, dass eine
Zwangsräumung erhebliche Gesundheitsgefahren mit sich bringt, müssen die Vollstreckungsgerichte diese Einwände ernsthaft prüfen und unter Umständen sachverständig klären.
Die Entscheidung des Amtsgerichts, eine Zwangsräumung trotz konkreter gesundheitlicher Risiken zuzulassen, begegnete vorliegend verfassungsrechtlichen Bedenken. Insbesondere das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verpflichtet staatliche Stellen, schwerwiegende gesundheitliche Gefahren bei einer Zwangsvollstreckung sorgfältig zu prüfen und erforderlichenfalls sachverständige Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Dabei ist nicht nur eine konkrete Suizidgefahr relevant. Auch andere erhebliche Gesundheitsrisiken, etwa bei einer schwangeren Person, können eine unzumutbare Härte im Sinne des § 765a ZPO darstellen. Gefahren für Leben und Gesundheit müssen sowohl im Hinblick auf die Zwangsräumung selbst als auch für die Zeit danach berücksichtigt werden.
Im konkreten Fall deutete vieles darauf hin, dass das Amtsgericht die besondere Situation der hochschwangeren Antragstellerin nicht hinreichend gewürdigt hat. Die Ablehnung des Räumungsschutzes erfolgte ohne sachgerechte Abwägung der widerstreitenden Interessen und unter Zurückweisung medizinisch belegter Risiken. Auch der Hinweis des Amtsgerichts auf angeblich fahrlässiges Verhalten wegen der Schwangerschaft der Antragstellerin ist verfassungsrechtlich nicht tragfähig.
Zudem wurde im Rahmen der Beschwerdeentscheidung dem Eigentümerinteresse Vorrang eingeräumt, ohne eine echte Berücksichtigung der grundrechtlich geschützten Positionen der Antragstellerin und ihres ungeborenen Kindes vorzunehmen. Auch der bloße Verweis auf eine mögliche Zuständigkeit der Ordnungsbehörde entbindet die Fachgerichte nicht von ihrer Pflicht, den Vollstreckungsschutz eigenständig zu prüfen und bei Bedarf aktiv Gefahrenvorsorge zu betreiben.
Eine einstweilige Anordnung war daher zur Sicherung der Grundrechte der Antragstellerin geboten.