Eine Räumungsunfähigkeit aufgrund einer Krankheit ist als Härtegrund im Rahmen des
§ 574 BGB zu berücksichtigen, ungeachtet des Umstandes, ob es sich um körperliche, geistige oder seelische Erkrankungen handelt. Eine Räumungsunfähigkeit liegt jedenfalls dann vor, wenn der Mieter aufgrund seines körperlichen oder geistigen Zustandes nicht in der Lage ist, eine Ersatzwohnung zu finden und dorthin umzuziehen oder wenn der Gesundheitszustand oder die allgemeine Lebenssituation des Mieters durch den Umzug erheblich verschlechtert werden würde.
Leidet der Mieter aus psychiatrischer Sicht nach den Kriterien der ICD-10 an einer schweren depressiven Episode ohne psychotischen Symptome, die sich bereits vor Jahren im Zuge der Frühpensionierung manifestierte und seitdem trotz ambulanter Medikation und Psychotherapie nicht remittierte, sondern einen chronifizierenden Verlauf nahm, so kann Räumungsunfähigkeit bestehen.
Im vorliegenden war eine Besserung des gesundheitlichen Zustandes nicht eingetreten. Aufgrund des Krankheitsbildes konnte im Falle einer Zwangsräumung eine Dekompensation bis hin zu einer akuten Suizidalität nicht ausgeschlossen werden. Die tatsächliche Gefahr eines Suizids im Falle einer
Zwangsräumung hat der Sachverständige mit einer Wahrscheinlichkeit von ca. 10 bis 20% angenommen.
Damit ist die ernsthafte Gefahr einer erheblichen gesundheitlichen Verschlechterung im Falle der Zwangsräumung gegeben - auch wenn eine akute Suizidalität nicht nachgewiesen werden konnte. Eine Härte kann auch dann gegeben sein, wenn dem Mieter ein Umzug objektiv unzumutbar ist, weil eine weitere erhebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes zu befürchten ist. Die Auswirkungen müssen nicht so erheblich sein, dass schwere seelische Schäden oder gar der Tod konkret drohen.
Der Schutz des Mieters auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 des Grundgesetzes gebietet in einem solchen Fall ein Zurücktreten der berechtigten Interessen der Vermieter an einer Eigennutzung.