Fragen zum Ehevertrag? ➠ Wir erstellen oder prüfen den Vertrag für SieEin Ausschluss des
Versorgungsausgleichs in einem
Ehevertrag ist nach
§ 1408 Abs. 2 BGB grundsätzlich zulässig. Er kann jedoch nach den zivilrechtlichen Generalklauseln (§ 138 Abs. 1 BGB, § 242 BGB) unwirksam sein, wenn er Ausdruck einer erheblichen Störung der Vertragsparität ist. Maßgeblich ist, ob die Vereinbarung das Ergebnis einer gleichberechtigten Partnerschaft ist oder ob ein Ehegatte aufgrund der Gesamtumstände den Vertragsinhalt faktisch einseitig bestimmen konnte.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, 06.02.2001 - Az:
1 BvR 12/92) unterliegen Eheverträge einer besonderen richterlichen Inhaltskontrolle, wenn eine erkennbare einseitige Lastenverteilung vorliegt, insbesondere dann, wenn sie im Zusammenhang mit einer bestehenden Schwangerschaft der Frau geschlossen werden. Eine nicht verheiratete Schwangere befindet sich typischerweise in einer deutlich unterlegenen Verhandlungsposition, da sie einerseits für das Kind Verantwortung übernehmen muss, andererseits gesellschaftlichen und sozialen Zwängen unterliegt. Diese besondere Lage kann dazu führen, dass die Vertragsfreiheit zugunsten des Schutzes der Grundrechte eingeschränkt wird.
Ein starkes Indiz für eine gestörte Vertragsparität liegt vor, wenn der Ehevertrag vor der Eheschließung und im Zusammenhang mit der Schwangerschaft geschlossen wird. In diesem Fall besteht die Gefahr, dass die Schwangere ihre Entscheidung nicht frei, sondern unter erheblichem Druck trifft. Hinzutreten können weitere Umstände wie eine ungleiche Vermögens- und Einkommenssituation, unterschiedliche berufliche Perspektiven oder eine geplante Rollenverteilung innerhalb der Ehe, die einen Erwerb eigener Versorgungsanwartschaften faktisch ausschließen.
Im vorliegenden Fall war der Ausschluss des Versorgungsausgleichs besonders schwerwiegend, weil er die Ehefrau im Falle einer einseitigen Rollenverteilung ihrer Möglichkeiten beraubte, eine eigene Altersversorgung aufzubauen. Verstärkt wurde die einseitige Belastung, da zusätzlich
Gütertrennung vereinbart und weitere
Unterhaltsansprüche – mit Ausnahme des Betreuungsunterhalts nach
§ 1570 BGB – ausgeschlossen werden. In der Zusammenschau entstand dadurch ein Gesamtgefüge, das den Ehevertragspartner unangemessen benachteiligt.
Besondere Bedeutung hatte zudem der Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Der Ehevertrag wurde am Tag der Hochzeit unmittelbar vor der Eheschließung geschlossen. Dies kann erheblichen sozialen und psychischen Druck auf einen Vertragspartner ausüben. Verweigert dieser die Unterschrift, muss er mit dem Abbruch der geplanten Hochzeit und den damit verbundenen gesellschaftlichen Folgen rechnen. Diese Umstände verstärkten eine ohnehin bestehende unterlegene Verhandlungsposition zusätzlich.
Unter Berücksichtigung aller Faktoren – Schwangerschaft, ungleiche wirtschaftliche Ausgangslage, geplante Rollenverteilung sowie der unter erheblichem Druck erfolgte Vertragsschluss – führte die Gesamtabwägung dazu, dass der Ausschluss des Versorgungsausgleichs sittenwidrig war. Infolge der Nichtigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB entfaltet die Vereinbarung keine Wirkung. Das Familiengericht war daher verpflichtet, den Versorgungsausgleich nach den gesetzlichen Vorschriften durchzuführen.