Eine
Vaterschaftsanerkennung ist nicht mehr möglich, wenn die Kindsmutter vor Erteilung der Zustimmung zur Anerkennung verstirbt.
Hierzu führte das Gericht aus:
Zu der Frage, ob eine Vaterschaftsanerkennung nach dem Tod der Mutter mangels deren Zustimmung (
§ 1595 Abs. 1 BGB) unmöglich ist und Vater und Kind auf ein gerichtliches Vaterschaftsfeststellungsverfahren zu verweisen sind, werden in Rechtsprechung und Literatur unterschiedliche Ansichten vertreten.
Nach einer Auffassung kommt nach dem Tod der Kindesmutter eine Vaterschaftsanerkennung nicht mehr in Betracht. Im Gesetzestext fänden sich keine Anhaltspunkte für eine Einschränkung des Zustimmungserfordernisses. Der Regierungsentwurf zum Kindschaftsrechtsreformgesetz weise ausdrücklich darauf hin, dass beim Tod der Mutter nur das gerichtliche Feststellungsverfahren möglich sei (BT-Drs. 13/4899, S. 54, rechte Spalte, 2. Absatz a. E.). Auch nach dem Zweck der Regelung sei dies sachgerecht. Insbesondere biete die Zustimmung allein des Kindes (vgl. § 1595 Abs. 2 BGB) keine gleichwertige Gewähr für die Richtigkeit der Anerkennung, da das Kind naturgemäß keine vergleichbare Kenntnis von seiner Abstammung habe. Wegen der weitreichenden Konsequenzen der Vaterschaftsanerkennung für den Anerkennenden und das Kind seien nach dem Tod der Mutter hohe Anforderungen an den Nachweis der Vaterschaft zu stellen, die weder im schlichten Anerkennungsverfahren vor dem Jugendamt noch im standesamtlichen Verfahren im erforderlichen Umfang gewürdigt werden könnten.
Nach der Gegenauffassung entfällt mit dem Tod der Mutter das Zustimmungserfordernis. Es sei kein Grund ersichtlich, den Beteiligten in dieser Konstellation den Weg über die Anerkennung zu versagen. Die Zustimmung gemäß § 1595 Abs. 1 BGB als höchstpersönliches Beteiligungsrecht setze voraus, dass die Erklärungsbefugte am Leben sei. Insofern gehe es nicht darum, die höchstpersönliche Erklärung der Mutter zu ersetzen, sondern diese werde mit deren Tod schlicht entbehrlich. Das Kind habe in der Regel ein schutzwürdiges Interesse daran, zeitnah und effizient einen Vater zu erhalten, zumal wenn die Mutter verstorben sei. Wäre nach dem Tod der Mutter zwingend ein gerichtliches Vaterschaftsfeststellungsverfahren durchzuführen, bliebe das Kind gegebenenfalls gegen seinen Willen und gegen den Willen des anerkennungsbereiten Mannes ohne Vater, wenn sich die biologische Vaterschaft nicht feststellen lassen sollte. Dass das Gesetz der „biologischen Wahrheit“ bei der Abstammung keinen unbedingten Vorrang einräume, ergebe sich daraus, dass auch im Falle eines Vaterschaftsanerkenntnisses mit Zustimmung der Mutter weder die biologische Vaterschaft noch die Motive der Mutter für deren Zustimmung geprüft würden. Grund für die Einführung des Zustimmungserfordernisses durch das Kindschaftsrechtsreformgesetz sei nicht in erster Linie der Schutz der Kindesmutter vor der Unterstellung eines intimen Verhältnisses zum Anerkennenden gewesen (auch wenn das Interesse der Mutter, ohne ihre Zustimmung keinen Kindesvater „aufgedrängt“ zu bekommen, unter dem Gesichtspunkt des postmortalen Persönlichkeitsschutzes noch Bedeutung haben können möge). Der Gesetzgeber habe vielmehr durch die Anerkennung die Rechtsstellung der Mutter etwa wegen der Umgangsrechte des Vaters als betroffen angesehen (BT-Drs. 13/4899, S. 54, linke Spalte unten und rechte Spalte oben). Derartige Einwirkungen auf die Rechte der Mutter durch die Rechte des Vaters endeten jedoch mit dem Tod der Mutter.
Der Senat schließt sich der erstgenannten Ansicht an und folgt damit insbesondere nicht der Rechtsprechung des Kammergerichts. Die Argumentation der Gegenauffassung, eine zeitnahe Vaterschaftsanerkennung sei im Interesse des Kindes einem langwierigen Gerichtsverfahren vorzuziehen, beinhaltet eine Wertung, die dem Gesetzgeber vorbehalten ist. Ausweislich des Regierungsentwurfs zum Kindschaftsrechtsreformgesetz sollte beim Tod der Mutter gerade keine Anerkennung mehr möglich sein; vielmehr sei „ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren für das Kind wegen der größeren Sicherheit günstiger“ (BT-Drs. 13/4899, S. 54, rechte Spalte, 2. Absatz a. E.). Hätte der Gesetzgeber für den Todesfall eine Ausnahme vom Zustimmungserfordernis vorsehen wollen, hätte dies im Gesetz Niederschlag finden müssen. Eine teleologische Reduktion verbietet sich, da der Zweck der Regelung in der Tat nicht primär im Schutz der Mutter liegt, sondern auch und gerade in der Gewährleistung der Statuswahrheit. Dies gilt umso mehr, als das Kind aus seinem verfassungsrechtlich verbürgten Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG) ein Recht auf Kenntnis der eigenen biologisch-genetischen Abstammung hat. Die Argumentation der Gegenauffassung, dass auch im Fall eines Vaterschaftsanerkenntnisses mit Zustimmung der Mutter die biologische Vaterschaft nicht geprüft werde, greift insofern zu kurz, als die Zustimmung der Mutter zumindest eine höhere - wenn auch nicht absolute - Gewähr für die biologische Richtigkeit der Anerkennung bietet als der bloße positive Wille von Anerkennendem und Kind. Die Ermöglichung von Abstammungsverhältnissen ohne hinreichend sichere Feststellung der biologischen Vaterschaft stellt indes keinen legitimen Zweck des Abstammungsrechts dar, sondern wäre letztlich an den Regeln der Adoption zu messen. Nach alledem wird allein die erstgenannte Ansicht, wonach der Tod der Kindesmutter das Zustimmungserfordernis des § 1595 Abs. 1 BGB nicht entfallen lässt, dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers und den verfassungsrechtlichen Implikationen gerecht.