Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrheit der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird (§ 33 Abs. 1 EStG). Nach § 33 Abs. 2 EStG erwachsen Aufwendungen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).
Diese Voraussetzungen waren im vorliegenden Fall erfüllt.
Bei den Aufwendungen des Betroffenen im Zusammenhang mit der Entführung des Kindes durch die Mutter ins Ausland handelt es sich um größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrheit der Steuerpflichtigen entstehen. Sie erwuchsen dem Kläger auch zwangsläufig, da er sich ihnen aus tatsächlichen Gründen nicht entziehen konnte, um seine Tochter wieder zurück nach Deutschland holen zu können.
Zwar fehlt es nach der Rechtsprechung des BFH im Allgemeinen bei einem Zivilprozess an der Zwangsläufigkeit des die Zahlungspflicht der Prozesskosten auslösenden Ereignisses. Der BFH hat jedoch Ausnahmen von der mangelnden Zwangsläufigkeit erkannt, etwa wenn der Rechtsstreit einen für den Steuerpflichtigen existenziell wichtigen Bereich berührt und der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Eine weitere Ausnahme – neben Aufwendungen für eine
Ehescheidung und bestimmte Scheidungsfolgesachen – hielt der BFH für gerechtfertigt, wenn die Streitigkeit einen Kernbereich menschlichen Lebens berührt, wie es beim
Umgangsrecht der Eltern mit ihren Kindern der Fall ist. Die Verweigerung des Umgangs mit den eigenen Kindern könne zu einer tatsächlichen Zwangslage führen, die die Anrufung eines Gerichts unabweisbar mache. Um einen solchen Fall, in dem der Kernbereich menschlichen Lebens berührt ist, handelte es sich vorliegend bei dem Rechtsstreit, den der Kläger nach der Entführung seiner Tochter durch die Kindesmutter in Südamerika wegen seines Umgangsrechts und der Rückführung der Tochter nach Deutschland führte.