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Inobhutnahme: Schutz für Jugendliche

Familienrecht | Lesezeit: ca. 9 Minuten

Eine Inobhutnahme ist eine Aufgabe der Jugendhilfe, bei der ein Kind oder Jugendlicher in einer Notsituation durch das Jugendamt vorläufig aufgenommen und untergebracht wird.

Alleine das Jugendamt, in dessen Zuständigkeitsbereich der Jugendliche sich befindet, entscheidet, ob eine Inobhutnahme erfolgt.

Was ist eigentlich eine Inobhutnahme?

Es handelt sich bei der Inobhutnahme um einen Verwaltungsakt, die eine vorläufige Schutzmaßnahme in einer Notsituation schnell und unbürokratisch betroffene Jugendliche schützen soll. Die Inobhutnahme wird in § 42 Abs. 1 SGB VIII i.V.m. § 8a SGB VIII geregelt. Es gibt ein Widerspruchs- und Klagerecht.

Das Jugendamt ist befugt, ein Kind oder einen Jugendlichen von einer anderen Person wegzunehmen, wenn das Kindeswohl gefährdet ist, eine familienrichterliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann und die Personensorgeberechtigten nicht widersprechen.

Die Inobhutnahme kann vom Jugendamt selbst aber auch von anderen Institutionen (z.B. Schule, Polizei, Ärzte) angeregt sowie vom Kind selbst erbeten werden.

Weil es sich hier um einen tiefgreifenden Eingriff in das Sorgerecht der Eltern handelt, erfordert die direkte Inobhutnahme ohne richterlichen Beschluss immer Gefahr im Verzug.

Sofern ein Jugendlicher selber um Schutz nachsucht, ist das Jugendamt verpflichtet, der Bitte nachzukommen. Hierbei kommt es nur auf das subjektive Empfinden des Schutzsuchenden an, wobei dann regelmäßig vom Jugendamt eine Aufklärung über die Folgen einer Inobhutnahme vorgenommen wird und zu vermeiden, dass es zu einer Konfliktverhärtung kommt.

Bei einer Herausnahme handelt es sich um eine besondere Inobhutnahme, bei der der Betroffene trotz Widerspruches der Eltern oder gegen seinen Willen in Obhut des Jugendamtes genommen wird.

Welche Rechte und Pflichten hat das Jugendamt?

Nimmt das Jugendamt eine Inobhutnahme vor, so muss dies den Sorgeberechtigten mitgeteilt werden. Diese können der Inobhutnahme widersprechen.

Sofern die Sorgeberechtigten die Herausgabe des Jugendlichen verlangen, muss das Jugendamt den Sachverhalt prüfen und dem Wunsch entweder nachkommen oder aber eine Entscheidung des Familiengerichts herbeiführen, wenn das Jugendamt zur Ansicht kommt, dass das Kindeswohl durch die Herausgabe nicht gesichert ist.

Will das Kind nicht zurück, so ist ebenfalls eine Entscheidung des Familiengerichts erforderlich.

Das Jugendamt kann dann, wenn es von einer Kindeswohlgefährdung erfährt, den Jugendlichen in Obhut nehmen, wenn keine andere geeignetere Hilfemöglichkeit besteht.

Kommt es zu freiheitsentziehenden Maßnahmen, so sind diese nur dann zulässig, wenn hierdurch Gefahren für Leib und Leben des Betroffenen oder von Dritten abgewendet werden. Solche Maßnahmen sind ohne richterliche Entscheidung nach einem Tag zu beenden.

Das Jugendamt ist weiterhin verpflichtet, die Eltern zur Zusammenarbeit zu bewegen und andernfalls eine Eilentscheidung des Familiengerichts nach § 1666 bzw. § 1666a BGB zu erwirken.

Eigene Befugnisse zur Anwendung eines sogenannten „unmittelbaren Zwangs“ hat das Jugendamt nicht und muss sich daher z.B. der Unterstützung durch die Polizei bedienen.

Während der Inobhutnahme übt das Jugendamt das Aufenthaltsbestimmungsrecht sowie das Recht zur Beaufsichtigung und Erziehung unter Berücksichtigung des Willens der Sorgeberechtigten aus. Über eine etwaige weitergehende (teilweise) Übertragung des Sorgerechts entscheidet das Familiengericht.

Wann kommt eine Inobhutnahme in Frage?

Eine Inobhutnahme kommt u.a. in Betracht
  • auf Wunsch des Kindes / Jugendlichen
  • bei vorausgegangener oder drohender Gewalt
  • bei sexuellen Missbrauch oder Hinweisen darauf
  • bei Alkohol- und/oder Drogenproblemen der Sorgeberechtigten oder des Jugendlichen
  • bei Kindesvernachlässigung
  • bei Straftaten durch die Sorgeberechtigten oder den Jugendlichen
  • bei erheblichen Beziehungsproblemen der Sorgeberechtigten
  • bei nachweislicher, erheblicher Überforderung der Sorgeberechtigten
  • bei Schul- und/oder Ausbildungsproblemen
  • bei Wohnungsproblemen

Ist eine Inobhutnahme immer gerechtfertigt?

Eigentlich sollte die Inobhutnahme – sofern diese nicht vom Jugendlichen selbst gewünscht wird – das einzig angemessene Mittel zur Abwehr einer Kindeswohlgefährdung sein. Dies erfordert eine Abwägung im konkreten Einzelfall sowie eine entsprechend nachvollziehbare Begründung, was jedoch nicht immer in der erforderlichen Form vorliegt.

So rechtfertigt eine Überforderung der Eltern nicht zwingend eine Inobhutnahme, wenn andere unterstützende Maßnahmen zur Verfügung stehen. Selbst wenn die Sorgeberechtigten eine Mitarbeit verweigern sollten, kann das Familiengericht angerufen werden, um eine Verpflichtung zur Inanspruchnahme von Hilfen herbeizuführen.

Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Zusammenhang den Entzug der elterlichen Sorge als nur dann zulässig bezeichnet, wenn das Kind bei einem Verbleiben in der Familie in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet ist und zudem alle Möglichkeiten von helfenden und unterschützenden Maßnahmen auf Herstellung der Wiederherstellung eines verantwortungsgerechten Verhaltens der leiblichen Eltern ausgeschöpft sind.

Es ist also im Prinzip erforderlich, dass vor der Inobhutnahme alle Möglichkeiten von helfenden und unterschützenden Maßnahmen auf Herstellung der Wiederherstellung eines verantwortungsgerechten Verhaltens der Sorgeberechtigten (nachweislich) ausgeschöpft wurden.

Auf der anderen Seite stellt das Kindeswohl sowohl für Behörden wie das Jugendamt als auch die Gerichte das höchste Gut dar, welches stets berücksichtigt werden muss.

Ein Eilantrag des Jugendamtes auf Inobhutnahme an das Familiengericht muss klare Anhaltspunkte einer Kindeswohlgefährdung enthalten, sodass die Inobhutnahme nach Einschätzung mehrerer Fachkräfte das einzige Mittel darstellt, diese abzuwenden.

Das Familiengericht muss dann diesen Gründen nachgehen und sie zu erforschen und danach eine Entscheidung im Eilverfahren treffen.

Sofern Anhaltspunkte einer Kindeswohlgefährdung nicht vorliegen, muss eine bereits vollzogene Inobhutnahme aufgehoben werden bzw. wird der Antrag des Jugendamtes abgewiesen.

Liegen Anhaltspunkte vor, dass die Sorgeberechtigten grundsätzlich in der Lage sind, das Kind zu versorgen und zu erziehen und es weder verwahrlost, unterernährt noch in einem unordentlichen Umfeld aufwächst, darf eine Inobhutnahme nicht stattfinden.

Nur dann, wenn das Kind selbst um seine Inobhutnahme bittet bzw. gebeten hat, ist eine Kindeswohlgefährdung nicht erforderlich.

Wie erfolgt die Unterbringung bei einer Inobhutnahme?

Eine Inobhutnahme kann bei einer geeigneten Person, in einer geeigneten Einrichtung oder in einer sonstigen Wohnform erfolgen.

Hierbei kommen z. B. Pflegepersonen, Verwandte, Freunde, Nachbarn, die Bereitschaftsbetreuung, Inobhutnahmegruppen innerhalb von Einrichtungen der Heimerziehung, Kinder- und Jugendnotdienste aber auch sogenannte Jugendhotels oder Einzelwohnungen in Betracht.

Hierbei soll die Sicherheit des Jugendlichen gewährleistet und Möglichkeiten der Perspektivenklärung geboten werden.
Stand: 02.01.2023 (aktualisiert am: 20.05.2025)
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