Der Klick auf „Bieten“ ist schnell gemacht, die Freude über das gewonnene Schnäppchen bei einer Online-Auktion ist groß. Doch was passiert, wenn die bezahlte Ware auf dem Weg zum Käufer oder noch beim Verkäufer gestohlen wird - wer trägt den finanziellen Verlust? Die Antwort hängt von zahlreichen Faktoren ab, insbesondere vom Zeitpunkt des Diebstahls, der Art des Kaufgegenstands und dem Verhalten der Vertragsparteien.
Der entscheidende Unterschied: Stückkauf vs. Gattungskauf
Um die Rechtsfolgen eines Diebstahls im Rahmen eines Online-Kaufs zu verstehen, muss zunächst zwischen zwei grundlegenden Vertragsarten unterschieden werden: dem Stückkauf und dem Gattungskauf.
Bei einem Stückkauf ist der Kaufgegenstand ein ganz konkreter, individuell bestimmter Gegenstand. Dies ist bei den meisten Online-Auktionen, insbesondere bei Verkäufen von Privatpersonen, der Fall. Gegenstand des Vertrages ist dann genau dieser eine gebrauchte Pkw, jenes spezifische Designer-Kleid oder das antike Möbelstück. Diese Gegenstände sind in ihrer konkreten Beschaffenheit einzigartig und nicht ohne Weiteres durch einen anderen, identischen Gegenstand ersetzbar.
Im Gegensatz dazu steht der Gattungskauf. Hier ist der Kaufgegenstand nur nach allgemeinen Merkmalen, also „nur der Gattung nach bestimmt“ (§ 243 Abs. 1 BGB). Typische Beispiele sind fabrikneue Elektrogeräte, Bücher oder andere serienmäßig hergestellte Waren. Das wesentliche Merkmal ist, dass die einzelnen Exemplare der Gattung gleichartig, gleichwertig und somit austauschbar sind. Kauft jemand ein neues Smartphone-Modell, schuldet der Verkäufer nicht ein ganz bestimmtes Gerät mit einer spezifischen Seriennummer, sondern irgendein Gerät dieses Modells in neuwertigem Zustand.
Diese Unterscheidung ist entscheidend für die Frage, wer das Risiko eines Diebstahls trägt.
Diebstahl vor Gefahrübergang
Der juristische Begriff des „Gefahrübergangs“ bezeichnet den Zeitpunkt, an dem das Risiko des zufälligen Untergangs oder der zufälligen Verschlechterung der Kaufsache vom Verkäufer auf den Käufer übergeht. Bis zu diesem Zeitpunkt liegt das Risiko grundsätzlich beim Verkäufer.
Wird der Kaufgegenstand bei einem Stückkauf gestohlen, bevor der Gefahrübergang stattgefunden hat, wird der Verkäufer von seiner Leistungspflicht befreit. Es ist ihm rechtlich unmöglich geworden, genau diesen einzigartigen Gegenstand zu liefern (§ 275 Abs. 1 BGB). Als direkte Folge entfällt auch die Verpflichtung des Käufers zur Zahlung des Kaufpreises (§ 326 Abs. 1 BGB). Hat der Käufer bereits gezahlt, kann er den Betrag zurückfordern. Eine Ausnahme besteht jedoch, wenn der Verkäufer den Diebstahl zu vertreten hat. Hat er beispielsweise seine Sorgfaltspflichten verletzt, indem er den teuren Artikel ungesichert im frei zugänglichen Hausflur lagerte, kann der Käufer unter Umständen Schadensersatz verlangen (§§ 280, 283 BGB).
Beim Gattungskauf stellt sich die Situation anders dar. Wird ein für den Käufer vorgesehenes Exemplar aus dem Lager des Verkäufers gestohlen, führt dies in der Regel nicht zur Unmöglichkeit der Leistung. Solange noch andere, gleichartige Waren der betreffenden Gattung vorhanden sind, bleibt der Verkäufer zur Lieferung verpflichtet. Er muss sich gegebenenfalls neu eindecken, um seinen Vertrag zu erfüllen. Die Juristen sagen: „Gattungsschulden gehen nicht unter“. Anders kann es sich verhalten, wenn die Vertragsparteien die Leistungspflicht auf den vorhandenen Warenvorrat des Verkäufers beschränkt haben (sogenannte beschränkte Gattungsschuld oder Vorratsschuld). Dies wird bei Privatverkäufen oft angenommen. Wird dann der gesamte Bestand gestohlen, kann auch hier Unmöglichkeit eintreten.
Eine entscheidende Zäsur beim Gattungskauf ist die sogenannte Konkretisierung (§ 243 Abs. 2 BGB). Hat der Verkäufer seinerseits alles Erforderliche getan, um die Leistung zu bewirken – also einen bestimmten Gegenstand aus der Gattung für den Käufer ausgesondert, verpackt und beispielsweise an das Transportunternehmen übergeben – dann beschränkt sich seine Leistungsverpflichtung auf genau diesen Gegenstand. Ab diesem Moment wird die Gattungsschuld wie eine Stückschuld behandelt. Wird dieser nun konkretisierte Gegenstand gestohlen, gelten die Regeln des Stückkaufs.
Diebstahl nach Gefahrübergang
Sobald die Gefahr auf den Käufer übergegangen ist, muss dieser den Kaufpreis zahlen, auch wenn er die Ware nie erhält, weil sie nach diesem Zeitpunkt gestohlen wurde. Die entscheidende Frage ist daher, wann genau der Gefahrübergang stattfindet.
Die Grundregel des § 446 BGB besagt, dass die Gefahr mit der Übergabe der Kaufsache auf den Käufer übergeht. Holt der Käufer die Ware also beim Verkäufer ab, trägt er ab dem Moment der Entgegennahme das Risiko. Komplizierter wird es beim Versendungskauf, der bei Online-Auktionen die Regel ist. Hier ist strikt zu unterscheiden: Bei einem Kauf zwischen zwei Privatpersonen oder zwei Unternehmern geht die Gefahr bereits dann auf den Käufer über, wenn der Verkäufer die Sache dem Spediteur, dem Frachtführer oder der sonst zur Ausführung der Versendung bestimmten Person oder Anstalt ausgeliefert hat (§ 447 BGB).
Anders ist die Lage jedoch beim Verbrauchsgüterkauf, also wenn ein Verbraucher von einem Unternehmer kauft. Hier hat der Gesetzgeber den Verbraucher besonders geschützt. Die Regelung des § 447 BGB findet keine Anwendung (§ 475 Abs. 2 BGB). Die Gefahr geht erst dann auf den Käufer über, wenn dieser die Ware tatsächlich erhält. Wird das Paket auf dem Transportweg gestohlen, trägt der gewerbliche Verkäufer das Risiko und muss entweder erneut liefern oder den Kaufpreis erstatten.
Ein weiterer wichtiger Fall ist der Annahmeverzug des Käufers. Kommt der Käufer mit der Annahme der Kaufsache in Verzug, beispielsweise indem er einen vereinbarten Abholtermin platzen lässt, geht die Gefahr auf ihn über. Zudem haftet der Verkäufer während des Annahmeverzugs nur noch für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit (§ 300 Abs. 1 BGB). Ein Diebstahl, der auf leichter Fahrlässigkeit des Verkäufers beruht, geht dann zulasten des Käufers.
Mit einem solchen Fall hatte sich das Landgericht Bonn zu befassen (LG Bonn, 17.06.2016 - Az:
1 O 441/15). Ein Autohändler hatte bei einer Internetauktion ein Fahrzeug ersteigert, den Kaufpreis bezahlt, das Fahrzeug aber nicht innerhalb der vereinbarten Frist abgeholt. Mehrere Wochen nach Ablauf der Frist wurde das Fahrzeug vom umzäunten, aber nicht kameraüberwachten Gelände des Verkäufers gestohlen. Der Käufer verlangte Schadensersatz. Das Gericht wies die Klage ab. Es stellte fest, dass sich der Käufer im Annahmeverzug befand, da er das Fahrzeug nicht fristgerecht abgeholt hatte. Dadurch sei die Haftung des Verkäufers auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt worden. Das Abstellen des Fahrzeugs auf einem lediglich eingezäunten Gelände wertete das Gericht nicht als grob fahrlässig. Der Käufer musste daher den Schaden selbst tragen und verlor sowohl das Geld als auch das Fahrzeug.
Vorzeitiger Abbruch der Online-Auktion wegen Diebstahls
Was geschieht, wenn der angebotene Artikel gestohlen wird, während die Online-Auktion noch läuft? Darf der Verkäufer das Angebot einfach zurückziehen? Diese Frage hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einer Entscheidung geklärt (BGH, 08.06.2011 - Az:
VIII ZR 305/10).
Im verhandelten Fall bot ein Verkäufer bei eBay eine Digitalkamera an. Einen Tag nach Auktionsbeginn wurde ihm die Kamera gestohlen, woraufhin er die Auktion
vorzeitig beendete. Der zu diesem Zeitpunkt Höchstbietende sah sich als Vertragspartner und verlangte Schadensersatz in Höhe der Differenz zwischen seinem Gebot und dem Verkehrswert der Kamera. Der BGH entschied zugunsten des Verkäufers. Maßgeblich waren die
Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay, die eine vorzeitige Beendigung des Angebots erlauben, wenn der Anbieter „gesetzlich dazu berechtigt“ war, das Angebot zurückzunehmen. Der BGH legte diesen Passus weit aus. Er umfasse nicht nur gesetzliche Anfechtungsgründe, sondern auch solche Gründe, die von eBay selbst in den Hilfetexten als legitim für einen Abbruch genannt werden. Dazu gehört ausdrücklich der Verlust des Artikels, worunter auch ein Diebstahl fällt. Für alle Auktionsteilnehmer sei somit ersichtlich, dass das Angebot unter diesem Vorbehalt stehe. Konsequenz: Durch den berechtigten Abbruch kam kein wirksamer Kaufvertrag zustande, und dem Höchstbietenden standen keine Ansprüche zu.
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