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COVID-19-Pandemie und die Anpassung eines Hotelaufnahmevertrages nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage

Corona-Virus | Lesezeit: ca. 37 Minuten

Eine pandemiebedingte Absage der Hannover-Messe, welche als Geschäftsgrundlage für den Hotelaufnahmevertrag galt, rechtfertigt eine Anpassung des Vertrags gemäß § 313 BGB. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Messe das hauptsächliche Buchungsmotiv war und beide Parteien diese Erwartung bei Vertragsschluss hatten.

Eine angemessene Anpassung kann darin bestehen, die Rückzahlung der Hälfte der Beherbergungskosten, unter Berücksichtigung der ersparten Aufwendungen, zu gewähren.

Der Entscheidung lag der nachfolgende Sachverhalt zugrunde:

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der L. GmbH & Co. KG (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin) und nimmt die Beklagte auf Rückerstattung einer Vorauszahlung für nicht in Anspruch genommene Hotelzimmer in Anspruch.

Am 11. Juli 2019 schloss die Insolvenzschuldnerin mit der Beklagten, die ein Hotel in Hannover betreibt, einen Hotelaufnahmevertrag über acht Einzelzimmer inklusive Frühstück für den Zeitraum vom 19. bis zum 24. April 2020. Anlass für die Buchung war der von der Insolvenzschuldnerin geplante Besuch einer jährlich ausgerichteten internationalen Industriemesse („Hannover-Messe“), die vom 20. bis zum 24. April 2020 in Hannover stattfinden sollte. Im Hotelaufnahmevertrag war unter anderem geregelt, dass eine kostenfreie Stornierung der Buchung nach Bestätigung der Reservierung nicht mehr möglich war (Ziffer 5.1. des Vertrages) und dass sich die Beklagte bei Änderung der öffentlich bekannt gegebenen Messezeiten das Recht vorbehielt, die vertraglich vereinbarte Rate an die veränderten Messezeiten entsprechend angemessen anzupassen; für den Fall einer nachträglich erfolgenden Preisänderung war dem Kunden ein Rücktrittsrecht eingeräumt (Ziffer 9.1. des Vertrages). Die Regelung in Ziffer 9.1. des Vertrages hatte den Hintergrund, dass die Beklagte bei Messen und Großveranstaltungen aufgrund der höheren Nachfrage einen gegenüber der Standardrate für den gleichen Zimmertyp erhöhten Übernachtungspreis verlangt. Die Insolvenzschuldnerin entrichtete den zu zahlenden Gesamtbetrag in Höhe von 15.440 € im Voraus.

Anfang März 2020 wurde bekanntgegeben, dass die Hannover-Messe wegen der Ausbreitung des Corona-Virus verschoben werden sollte. Mit E-Mail vom 10. März 2020 bot die Beklagte der Insolvenzschuldnerin an, die Reservierung gegen eine „Bearbeitungs- und Umbuchungsgebühr“ in Höhe von 15 % des Gesamtpreises auf den Zeitraum vom 12. bis zum 17. Juli 2020 umzubuchen. Mit E-Mail vom 16. April 2020 erklärte die Insolvenzschuldnerin unter Hinweis darauf, dass die Hannover-Messe zwischenzeitlich auch für den ursprünglich geplanten Ersatztermin im Juli 2020 abgesagt worden sei, den Rücktritt vom Vertrag und forderte die Beklagte - vergeblich - zur Erstattung des vorausgezahlten Betrages auf. Am 29. Januar 2021 wurde über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet.

Der klagende Insolvenzverwalter begehrt von der Beklagten die Rückzahlung der von der Insolvenzschuldnerin auf den Hotelpreis vorausgezahlten 15.440 €. Das Landgericht hat die Beklagte unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt, an den Kläger 7.522 € nebst Zinsen zu zahlen. Die gegen ihre Verurteilung gerichtete Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit ihrer vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel einer vollständigen Klageabweisung weiter.

Hierzu führte das Gericht aus:

Die Revision hat keinen Erfolg.

I. Das Berufungsgericht hat die Auffassung vertreten, dass die Voraussetzungen für eine Vertragsanpassung nach § 313 BGB vorlägen und dem Kläger daher eine Rückzahlung zumindest in Höhe des von dem Landgericht ausgeurteilten Betrages zustehe.

Die Durchführung der Hannover-Messe sei, wenn auch nicht zum Vertragsinhalt, so doch zur Geschäftsgrundlage des Beherbergungsvertrages geworden. Beide Vertragsparteien hätten die übereinstimmende Vorstellung gehabt, dass die Messe im Mietzeitraum stattfinden werde, zumal Ziffer 9 des Mietvertrages sogar eine Sonderregelung für die Anpassung der vereinbarten Rate für den Fall geänderter Messedaten zugunsten der Beklagten enthalte. Durch die pandemiebedingte Absage der Hannover-Messe sei eine schwerwiegende Änderung der Umstände, die zur Grundlage des Beherbergungsvertrages geworden seien, eingetreten. Die Insolvenzschuldnerin habe auch nicht vertraglich das alleinige Risiko für den Fall einer solchen Messeabsage übernommen, weil dies über das gewöhnliche Verwendungsrisiko des Mieters hinausgehe. Hätten redliche Parteien bei Vertragsschluss die Möglichkeit der mit der Pandemie einhergehenden hoheitlichen Beschränkungen vorhergesehen, wäre das damit verbundene wirtschaftliche Risiko nicht einseitig zu Lasten des Mieters geregelt, sondern eine Anpassungsmöglichkeit vorgesehen worden.

Das Festhalten am unveränderten Beherbergungsvertrag zu den vereinbarten Konditionen („Messepreise“) sei der Insolvenzschuldnerin auch nicht zuzumuten gewesen. Sie habe für die bereits bezahlten Hotelkosten in Höhe von 15.440 € keine Gegenleistung erhalten. Es komme selbst unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls kein geringerer Rückzahlungsanspruch als die Hälfte der Beherbergungskosten in Betracht. Die Vertragsanpassung sei nicht auf die Verlegung der Hotelzimmerbuchungen auf den nächsten Messetermin beschränkt gewesen. Zwar habe die Insolvenzschuldnerin das Angebot der Beklagten, die Zimmerbuchungen auf den Ersatztermin für die Hannover-Messe im Juli 2020 zu verlegen, nicht angenommen. Dies sei ihr angesichts der von der Beklagten verlangten Umbuchungspauschale von 15 % und des Umstandes, dass die Insolvenzschuldnerin den Besuch der Hannover-Messe langfristig plane, nicht zumutbar gewesen. Es könne auch nicht festgestellt werden, dass die Insolvenzschuldnerin staatliche Unterstützung oder Leistungen aus Betriebsversicherungen erhalten oder dass sie infolge der weggefallenen Reise ihrer Mitarbeiter nach Hannover Personalkosten eingespart oder Kurzarbeitergeld erhalten hätte. Hingegen habe die Beklagte aufgrund der Nichtinanspruchnahme der Hotelleistungen durch die Insolvenzschuldnerin Aufwendungen erspart und für den betroffenen Zeitraum eine - wenn auch zurückzuzahlende - Liquiditätsbeihilfe erhalten. Auch sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte infolge des Ausfalls der Messe die höheren Messepreise auf dem Markt nicht mehr habe verlangen können und zudem von erhöhten Schwierigkeiten auszugehen sei, überhaupt Hotelgäste zu nicht touristischen Zwecken zu finden. Es könne deshalb auch als interessengerecht angesehen werden, den Zimmerpreis von 386 € pro Übernachtung/Frühstück und Zimmer an die außerhalb von Messezeiten geltende Standardrate von 130 € anzupassen, was aber letztlich nicht entschieden werden müsse. Denn der von der Beklagten verlangte Messepreis von 15.440 € für acht Zimmer und fünf Übernachtungen sei mehr als doppelt so hoch veranschlagt wie der Standardpreis von 5.200 €, wobei darüber hinaus noch die ersparten Aufwendungen zu berücksichtigen seien.

II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung stand. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass der Kläger von der Beklagten mindestens in Höhe des erstinstanzlich ausgeurteilten Betrages die Rückzahlung der von der Insolvenzschuldnerin geleisteten Vorauszahlung auf die Beherbergungskosten verlangen kann.

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