Nicht jede Kündigung ist zulässig. ➠ Lassen Sie sich beraten.Mit der Vorlage einer weder auf einer ärztlichen Untersuchung noch aufgrund einer individuellen ärztlichen Anamnese beruhenden aus dem Internet heruntergeladenen Bescheinigung über eine Corona-Impfunverträglichkeit verstößt eine
Arbeitnehmerin, die im Krankenhaus arbeitet, gegen eine gesetzlich geregelte Nebenpflicht aus ihrem
Arbeitsvertrag, § 20a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 IfSG a.F., § 241 Abs. 2 BGB.
Bei der Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten kommt eine
fristlose Kündigung regelmäßig erst dann in Betracht, wenn das Gewicht der Pflichtverletzung durch besondere Umstände erheblich verstärkt wird.
Allein die Vorlage einer solchen Internet-Bescheinigung ist an sich nicht geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darzustellen (Einzelfallentscheidung, aA. LAG Schleswig-Holstein, 24.11.2022 - Az: 4 Sa 139/22).
Hierzu führte das Gericht aus:
Es kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob die Rechtsfolgen des zum Zeitpunkt des Ausspruchs der streitgegenständlichen Kündigung geltenden § 20a Abs. 5 IfSG i.d.F. vom 10.12.2021 (künftig: a.F.) bei entsprechenden Verstößen gegen die Nachweispflichten des § 20a Abs. 2 IfSG a.F. eine Sperrwirkung für arbeitsrechtliche Maßnahmen bis hin zu einer außerordentlichen Kündigung durch den
Arbeitgeber enthält.
„§ 20a IfSG a.F. enthält u.a. folgende Regelungen:
„§ 20a Immunitätsnachweis gegen COVID-19
…
(2) Personen, die in den in Absatz 1 Satz 1 genannten Einrichtungen oder Unternehmen tätig sind, haben der Leitung der jeweiligen Einrichtung oder des jeweiligen Unternehmens bis zum Ablauf des 15. März 2022 folgenden Nachweis vorzulegen:
1. einen Impfnachweis im Sinne …
2. einen Genesenennachweis im Sinne …
3. ein ärztliches Zeugnis darüber, dass sie auf Grund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft werden können.
Wenn der Nachweis nach Satz 1 nicht bis zum Ablauf des 15. März 2022 vorgelegt wird oder wenn Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises bestehen, hat die Leitung der jeweiligen Einrichtung oder des jeweiligen Unternehmens unverzüglich das Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die jeweilige Einrichtung oder das jeweilige Unternehmen befindet, darüber zu benachrichtigen und dem Gesundheitsamt personenbezogene Angaben zu übermitteln. Die oberste Landesgesundheitsbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle kann bestimmen, dass
1. der Nachweis nach Satz 1 nicht der Leitung der jeweiligen Einrichtung oder des jeweiligen Unternehmens, sondern dem Gesundheitsamt oder einer anderen staatlichen Stelle gegenüber zu erbringen ist,
2. die Benachrichtigung nach Satz 2 nicht durch die Leitung der jeweiligen Einrichtung oder des jeweiligen Unternehmens, sondern durch die nach Nummer 1 bestimmte Stelle zu erfolgen hat,
3. die Benachrichtigung nach Satz 2 nicht gegenüber dem Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die jeweilige Einrichtung oder das jeweilige Unternehmen befindet, sondern gegenüber einer anderen staatlichen Stelle zu erfolgen hat.
…
(5) Die in Absatz 1 Satz 1 genannten Personen haben dem Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die jeweilige Einrichtung oder das jeweilige Unternehmen befindet, auf Anforderung einen Nachweis nach Absatz 2 Satz 1 vorzulegen. 2Bestehen Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises, so kann das Gesundheitsamt eine ärztliche Untersuchung dazu anordnen, ob die betroffene Person auf Grund einer medizinischen Kon-traindikation nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft werden kann. Das Gesundheitsamt kann einer Person, die trotz der Anforderung nach Satz 1 keinen Nachweis innerhalb einer angemessenen Frist vorlegt oder der Anordnung einer ärztlichen Untersuchung nach Satz 2 nicht Folge leistet, untersagen, dass sie die dem Betrieb einer in Absatz 1 Satz 1 genannten Einrichtung oder eines in Absatz 1 Satz 1 genannten Unternehmens dienenden Räume betritt oder in einer solchen Einrichtung oder einem solchen Unternehmen tätig wird. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen eine vom Gesundheitsamt nach Satz 2 erlassene Anordnung oder ein von ihm nach Satz 3 erteiltes Verbot haben keine aufschiebende Wirkung.“
Bei § 20a IfSG a.F. handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Norm zur Eindämmung und Bekämpfung der Corana-Pandemie. Dies ergibt sich bereits aus dem Sinn und Zweck des Gesetzes, der in § 1 IfSG a.F. niedergelegt ist. § 1 Abs. 2 IfSG a.F. stellt hierfür auf erforderliche Mitwirkung und Zusammenarbeit von u.a. Ärzten, Krankenhäusern sowie sonstigen Beteiligten mit den öffentlichen Institutionen sowie die Eigenverantwortung von u.a. Trägern und Leitern von Gemeinschafts- und Gesundheitseinrichtungen sowie des Einzelnen ab. Mit der Normierung eines Immunitätsnachweises iSd. § 20a IfSG a.F. wollte der Gesetzgeber eine Steigerung der Impfquote unter den in bestimmten Einrichtungen und Unternehmen tätigen Personen und den Schutz vulnerabler Personengruppen vor einer Covid-19-Erkrankung erreichen (siehe Drucksache 20/188 Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Impfprävention gegen COVID-19 und zur Änderung weiterer Vorschriften im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie v. 06.12.2021). Diesem öffentlich-rechtlichen Zweck dient § 20a IfSG a.F. Mit dem Arbeitsgericht Lübeck, 06.10.2022 - Az: 3 Ca 187/22 - geht auch die Berufungskammer davon aus, dass § 20a Abs. 2 IfSG a.F. indessen nicht das auf dem Arbeitsvertrag fußende
Direktions- und Sanktionsrecht des Arbeitgebers im Falle eines Verstoßes der Arbeitnehmer gegen die Nachweispflichten gegenüber dem Arbeitgeber beschränkt. Bei den Nachweispflichten gegenüber dem Arbeitgeber handelt es sich um eine gesetzlich vorgeschriebene Nebenpflicht aus dem
Arbeitsverhältnis (§ 20a Abs. 2 Satz 1 IfSG a.F. iVm. § 241 Abs. 2, 611 Abs. 1 BGB und dem Arbeitsvertrag), damit der Arbeitgeber seinerseits seine informationspflichten gegenüber dem Gesundheitsamt erfüllen kann, § 20a Abs. 2 Satz 2 IfSG a.F. Denn in Satz 2 ist geregelt, dass der Arbeitgeber das Gesundheitsamt unverzüglich zu benachrichtigen hat, falls Arbeitnehmer ihrer Nachweispflicht nicht nachgekommen sind oder der Arbeitgeber Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit der vorgelegten Impf- oder Genesenennachweise oder Impfunfähigkeitsbescheinigungen hat. Eine Einschränkung der Rechte des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer aus dem individual-rechtlich vereinbarten Arbeitsvertrag enthält diese Norm nicht. Dies folgt letztlich auch aus § 20a Abs. 5 IfSG a.F. In dieser Vorschrift sind ausschließlich Handlungsoptionen des Gesundheitsamtes gegenüber den Arbeitnehmern genannt, die den Nachweispflichten in § 20a Abs. 2 Satz 1 IfSG a.F. nicht oder nicht ausreichend nachgekommen sind. Die daneben bestehenden Rechte des Arbeitgebers aus dem individual-rechtlichen Arbeitsvertrag sowie die grundrechtlich geschützten Unternehmerentscheidungen in Bezug auf die Organisation seines Betriebs lässt die Vorschrift unberührt.
Ob § 20a IfSG a.F. vorliegend bereits einer außerordentlichen Kündigung entgegensteht, ist indessen nicht streitentscheidend, sodass es hierauf letztlich nicht ankommt. Diesen erstinstanzlichen Einwand hat die Klägerin im Berufungsverfahren auch nicht mehr aufrechterhalten.
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