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Porno-Mail ist nicht zwingend ein Kündigungsgrund!

Arbeitsrecht | Lesezeit: ca. 38 Minuten

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Im vorliegenden Fall hatte ein Arbeitnehmer während der Arbeitszeit E-Mails mit pornografischem Inhalt an fünf Arbeitskollegen weitergeleitet.

Ein solches Verhalten kann zwar grundsätzlich eine außerordentlichen Kündigung rechtfertigen, das Fortsetzungsinteresse des Arbeitnehmers überwiegt jedoch das Beendigungsinteresse des Arbeitgebers, wenn die Auswirkungen des Fehlverhaltens nicht erheblich sind. Dies war vorliegend der Fall, da insbesondere keine weiteren Personen vom Inhalt der Mail Kenntnis erlangt haben und der Arbeitnehmer bereits seit zwanzig Jahren beanstandungsfrei im Betrieb des Arbeitgebers tätig war.

Der Entscheidung lag der nachfolgende Sachverhalt zugrunde:

Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer fristlos und hilfsweise ordentlich erklärten Kündigung sowie um die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers während des Rechtsstreits.

Ergänzend ist dem unstreitigen Tatbestand folgendes hinzuzufügen:

Herr Z, ein Arbeitskollege des Klägers, leitete am 19.10.2007 ein E-Mail mit dem Titel „Wg: Coucou“, am 24.10.2007 eine E-Mail mit dem Titel „Wg: Bonjour“ und am 08.11.2007 eine E-Mail mit dem Titel „Wg: Guten Morgen“ weiter. Diese weitergeleiteten E-Mails mit jeweils pornographischem Inhalt hatte Herr Z zuvor vom Kläger am 19.10.2007, 15.10.2007 und 05.11.2007 erhalten; sie gehören zu den vom Arbeitsgericht in seinem Urteil vom 11.04.2008 erwähnten, vom Kläger an fünf Arbeitskollegen versandten E-Mails.

Der Inhalt folgender Dateien, die der Kläger auf seinem persönlichen Laufwerk gespeichert hatte, tauchte in Anhängen zu E-Mails des Arbeitskollegen Y auf:

- Film „Le ramoneur savoyard.mpeg“ (pornographischer Inhalt), versandt an drei externe Adressen

- Power-Point-Datei „Indianska Love Story - sex Hot.pps“ (pornographischer Inhalt), versandt an drei externe Adressen

- Datei „La_mort_d-une_mouche1.mpeg“ (pornographischer Inhalt), versandt an interne und externe Adressaten

- Datei „Joyeux_Anniversaire.wmv“ (pornographischer Inhalt), versandt an zwei interne und drei externe Adressaten

- Datei „Le_devastateur.pps“ (pornographischer Inhalt), versandt an eine externe Adresse

- Videofilm „bravehound.wmv“ (tierpornographischer Inhalt), versandt an drei externe und zwei interne Adressaten

- Videofilm „jecomprendspourquoituvasàlacampagne-mpe“ (tierpornographischer Inhalt), versandt an vier externe und zwei interne Adressaten

Die fünf Arbeitskollegen, die im selben Großbüro arbeiteten wie der Kläger und an die er E-Mails mit pornographischem oder tierpornographischem Inhalt versandte, wurden von der Beklagten wegen der Befassung mit pornographischen Dateien und deren Weiterleitung mit folgenden arbeitsrechtlichen Maßnahmen belegt: Y erhielt eine fristlose Kündigung, Z eine ordentliche Kündigung und X, W sowie V jeweils eine Abmahnung.

Mit Urteil vom 11.04.2008 hat das Arbeitsgericht Ludwigshafen festgestellt, dass das am 08.02.1988 zwischen den Parteien begründete Arbeitsverhältnis weder durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 14.12.2007 aufgelöst wurde, noch durch die hilfsweise ordentliche Kündigung zum 30.06.2008. Des Weiteren hat es die Beklagte verurteilt, den Kläger als Sachbearbeiter zu unveränderten Arbeitsbedingungen bis zur Beendigung des Kündigungsrechtsstreits weiter zu beschäftigen.

Zur Begründung dieser Entscheidung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die außerordentliche Kündigung vom 14.12.2007 sei rechtsunwirksam, da es an einem wichtigem Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB fehle. Allerdings seien die Verfehlungen des Klägers an sich geeignet, Grundlage einer außerordentlichen Kündigung zu sein. Der Kläger habe nämlich während der Arbeitszeit im Betrieb der Beklagten E-Mails mit pornographischem Inhalt an fünf Arbeitskollegen weitergeleitet. Hierdurch habe er gegen die E-Mail-Richtlinie der Beklagten vom 01.05.2003 während des Zeitraumes vom September bis November 2007 verstoßen. Dem Kläger komme - entgegen der Auffassung der Beklagten - jedoch keine Schlüsselposition für die Beschaffung und Weiterverbreitung pornographischer Dateien zu. Er habe zwar von seinem Bekannten, Herrn U pornographische Dateien in den Betrieb zugesandt bekommen und diese an Kollegen weitergeleitet, jedoch seien auch innerhalb des Betriebes pornographische Dateien von einem Kollegen des Klägers aus dem Internet heruntergeladen worden. Die nach unbestrittenen Angaben des Klägers in dem Parallelrechtsstreit mit dem Aktenzeichen 9 Ca 1080/07 vorgelegten Bilder würden größtenteils aus einer anderen Quelle stammen.

Des Weiteren könne dem Kläger nicht der Verdacht eines Arbeitszeitbetruges vorgehalten werden. Er habe das E-Mail-System der Beklagten auch privat nutzen dürfen und es lägen keine objektivierbare tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass er dieses System über das übliche Maß hinaus für private Zwecke genutzt habe.

Trotz der demnach gegebenen Pflichtverletzung des Klägers könne die fristlose Kündigung keinen rechtlichen Bestand haben, da die einzelfallbezogene Interessenabwägung ergebe, dass der Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar sei. Diese habe zwar ein berechtigtes Interesse daran, dass in ihrem Betrieb pornographische Dateien weder abgespeichert noch weitergeleitet würden. Berechtigterweise wolle sich die Beklagte nämlich vor einer Rufschädigung schützen und des Weiteren auch ihre Mitarbeiter vor einer Belästigung mit pornographischem Material.

Zu Gunsten des Klägers spreche aber, dass er seit 20 Jahren bei der Beklagten beschäftigt sei, bereits 48 Jahre alt und gegenüber seiner Ehefrau und zwei minderjährigen Kindern zum Unterhalt verpflichtet sei. Ein Straftatbestand sei auch hinsichtlich des Weiterleitens von Tierpornographie nicht erkennbar, da „Verbreiten“ im Sinne des § 184 a StGB bedeute, dass eine Schrift einem größeren, nach Zahl und Individualität unbestimmten oder jedenfalls unübersehbaren Personenkreis zugänglich gemacht werde. Diese Voraussetzungen seien im Falle des Klägers nicht erfüllt.

Das Fortsetzungsinteresse des Klägers überwiege gegenüber dem Beendigungsinteresse der Beklagten insbesondere deshalb, weil die Auswirkungen des Fehlverhaltens des Klägers für die Beklagte nicht erheblich seien und die fristlose Kündigung zukunftsbezogen beurteilt werden müsse. Eine tätsächliche Rufschädigung der Beklagten sei nicht eingetreten, da der Kläger die pornographischen E-Mails lediglich an fünf Arbeitskollegen, die mit ihm im Büro gesessen hätten, versandt habe. Andere Personen, insbesondere Frauen und Auszubildende, seien nicht betroffen gewesen. Die Weiterleitung der pornographischen E-Mails sei nicht viel anders zu werten, als wenn der Kläger pornographische Heftchen mitgebracht hätte, die man sich im Büro gemeinsam angeschaut hätte.

Für das Fehlverhalten des Klägers sei eine Abmahnung unter Berücksichtigung des ultima-ratio-Prinzip als angemessene Sanktion anzusehen. Die Beklagte habe zwar in ihren E-Mail-Richtlinien, wie auch in einer Betriebs/Abteilungsversammlung darauf hingewiesen, dass die Befassung mit Pornographie im Internet bzw. in E-Mails nicht geduldet werde und zu einer Kündigung führen könne. Hierdurch könne aber ein solches Verhalten nicht zu einem absoluten Kündigungsgrund gemacht werden; vielmehr sei nach wie vor eine Einzelfallprüfung erforderlich. Da der Kläger unstreitig unmittelbar, als er von der Überprüfung der Rechner durch die Beklagte Kenntnis erlangt habe, den externen Bekannten, von dem er die E-Mails mit pornographischem Dateien erhalten habe, dazu aufgefordert habe, dies zukünftig zu unterlassen, sei davon auszugehen, dass er bereit sei, sich zukünftig vertragskonform zu verhalten.

Mangels einer vorausgegangenen Abmahnung sei auch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung nicht rechtswirksam geworden.

Des Weiteren sei die Beklagte verpflichtet, den Kläger bis zur rechtskräftigen Entscheidung in dem vorliegenden Kündigungsschutzprozess als Sachbearbeiter weiter zu beschäftigen, da das Interesse des Arbeitnehmers an der Weiterbeschäftigung nach einem erstinstanzlich stattgebenden Urteil im Kündigungsschutzprozess überwiege.

Die Beklagte, der die Entscheidung des Arbeitsgerichts am 27.05.2008 zugestellt worden ist, hat am 05.06.2008 Berufung zum Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt und am 11.08.2008 ihr Rechtsmittel begründet nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis einschließlich 11.08.2008 verlängert worden war.

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