Die Bundesagentur für Arbeit als Trägerin der Arbeitslosenversicherung ist nicht Sozialversicherungsträger im Sinne von § 110 Abs. 1 Satz 1 SGB VII.
Wird ein
Arbeitnehmer wegen eines von
Arbeitgeber grob fahrlässig verursachten
Arbeitsunfalls arbeitslos, steht der Bundesagentur für Arbeit daher kein Anspruch auf Erstattung des gezahlten Arbeitslosengelds zu.
Hierzu führte der BGH aus:
Den Versicherungsfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeiführende Personen, deren Haftung nach den §§ 104 bis 107 SGB VII beschränkt ist, haften den Sozialversicherungsträgern nach § 110 Abs. 1 Satz 1 SGB VII für die infolge des Versicherungsfalls entstandenen Aufwendungen bis zur Höhe des zivilrechtlichen Schadenersatzanspruchs.
Die Entstehungsgeschichte legt das Verständnis nahe, dass der Begriff des Sozialversicherungsträgers im Sozialgesetzbuch und damit auch in § 110 Abs. 1 SGB VII in einem formellen engen, den Träger der Arbeitslosenversicherung nicht einschließenden Sinn gebraucht wird. Dies wird durch die systematische Auslegung bestätigt.
Der Wortlaut des § 110 Abs. 1 SGB VII, der wie zuvor § 640 RVO in seinen Wirkungsbereich alle Träger der Sozialversicherung einbezieht, ist für beide Deutungen offen. Der Begriff der Sozialversicherung kann in einem materiellen weiten Sinn, der die Arbeitslosenversicherung miteinbezieht, verstanden werden. In diesem Sinne wird die Bundesagentur für Arbeit in ihrer Funktion als Trägerin der Arbeitslosenversicherung im Rahmen des § 117 Abs. 3 Satz 2 VVG, nach dem ein gegenüber seinem Versicherungsnehmer leistungsfreier Pflichthaftpflichtversicherer auch gegenüber dem geschädigten Dritten leistungsfrei ist, wenn dieser Ersatz seines Schadens von einem Sozialversicherungsträger erlangen kann, als Sozialversicherungsträger angesehen. Der Begriff der Sozialversicherung kann jedoch auch in einem formellen engen Sinn gedeutet werden, der - neben der erst nachträglich geschaffenen Pflegeversicherung - nur die vier zunächst in der Reichsversicherungsordnung geregelten "klassischen" Versicherungszweige (Krankheit, Alter, Invalidität und Unfall) umfasst. Gerade weil der Begriff der Sozialversicherung häufig in diesem beschränkten, engen Sinne verstanden wird, spricht das Grundgesetz in Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 von der "Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung". Damit wird dem besonders naheliegenden Missverständnis vorgebeugt, in der Kompetenzordnung des Grundgesetzes stehe das Wort "Sozialversicherung" nur für die vier "klassischen" Versicherungszweige. Es wird klargestellt, dass die Kompetenznorm des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG den Begriff "Sozialversicherung" als verfassungsrechtlichen Gattungsbegriff versteht, der alles umfasst, was sich "der Sache nach" als Sozialversicherung darstellt.
Die teleologische Auslegung des § 110 Abs. 1 SGB VII ist unergiebig. Maßgeblich dafür, dem Schädiger in den dort genannten Fällen eine Ersatzpflicht aufzubürden, sind - neben dem das Schadensrecht beherrschenden Ausgleichsgedanken - letztlich präventive und erzieherische Gründe, die dann greifen sollen, wenn der durch das Haftungsprivileg begünstigte Schädiger den Unfall und damit die Aufwendungen des Sozialversicherungsträgers durch ein besonders zu missbilligendes Verhalten verursacht hat. Diese Zwecke werden einerseits auch dann erreicht, wenn die Bundesagentur für Arbeit als Trägerin der Arbeitslosenversicherung ersatzberechtigt ist, erfordern andererseits aber nicht deren Einbeziehung in den Kreis der Anspruchsberechtigten. So werden, wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, auch den einst nach § 903 RVO anspruchsberechtigten Sozialhilfeträgern ihre durch einen Versicherungsfall entstehenden Aufwendungen bereits seit Inkrafttreten des durch das Gesetz zur Neuregelung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung (Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz - UVNG) vom 30. April 1963 (BGBl. I S. 241) geschaffenen § 640 RVO als Vorgängerregelung des § 110 Abs. 1 SGB VII nicht mehr ersetzt.
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