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Verzicht des Arbeitnehmers auf Kündigungsschutzklage im Rahmen einer Verdachtskündigung?

Arbeitsrecht | Lesezeit: ca. 18 Minuten

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Ein formularmäßiger Verzicht auf Erhebung einer Kündigungsschutzklage ist aufgrund unangemessener Benachteiligung des Arbeitnehmers unwirksam, wenn der Arbeitnehmer keine ausgleichende Gegenleistung erhält.

Der Entscheidung lag der nachfolgende Sachverhalt zugrunde:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der von der Beklagten mit Schreiben vom 16.04.2004 ausgesprochenen außerordentlichen und mit Schreiben vom 19.04.2004 vorsorglich ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien.

Die am 13.07.1967 geborene, verheiratete und zwei Kindern unterhaltsverpflichtete Klägerin ist seit dem 05.01.1998 bei der Beklagten, einem Drogeriemarktunternehmen, als Verkäuferin/Kassiererin beschäftigt. Aufgrund des letzten Anstellungsvertrages vom 04.09.2003 arbeitet die Klägerin in der Verkaufsstelle D. in Teilzeit mit 10 Wochenstunden zu einer Vergütung von monatlich 456,00 € brutto.

Am 16.04.2004 wurde bei der Beklagten festgestellt, dass die Tageseinnahmen der Verkaufsstelle D. vom 14.04. und 15.04.2004 in Höhe von insgesamt 4.375,00 €, die in einem Tresor aufzubewahren waren, verschwunden waren. Der genaue Zeitpunkt der Entnahme der beiden Tageseinnahmen konnte von der Beklagten nicht ermittelt werden. In dem Zeitraum 14.04. bis 16.04.2004 hatten (jedenfalls) drei Mitarbeiterinnen in der Verkaufsstelle D., darunter auch die Klägerin, abwechselnd für eine bestimmte Zeit den Tresorschlüssel in Besitz. Die Klägerin hatte den Tresorschlüssel vom Abend des 15.04.2004 bis zum 16.04.2004 um 08.45 Uhr bei sich. Da nach einer mehrstündigen Befragung aller drei Mitarbeiterinnen der Verkaufsstelle D. die Beklagte den genauen Tathergang nicht klären konnte, bestand für die Beklagte ein Verdacht gegenüber allen drei Mitarbeiterinnen. Deshalb sprach die Beklagte am 16.04.2004 gegenüber allen drei Mitarbeiterinnen fristlose Kündigungen aus.

Im Rahmen der Befragung u. a. der Klägerin am 16.04.2004 und des Entschlusses, das bestehende Arbeitsverhältnis fristlos zu kündigen, benutzte die Beklagte, vertreten durch die kündigungsberechtigte und stellvertretende Verkaufsleiterin Frau K. und die Bezirksleiterin Frau F., ein Formularblatt. Dieser Vordruck „S. /Fristlose Kündigung/V55 03/95“, den die Beklagte seit längerer Zeit verwendet, sieht folgendermaßen aus:

Das bestehende Arbeitsverhältnis zwischen

Herr/Frau/Frl.:

geb. am: wohnhaft in:

und der Firma A. S. E.

wird fristlos zum gekündigt.

Der letzte Arbeitstag ist der

Begründung:

Ort, Datum:

Kündigung akzeptiert und mit Unterschrift bestätigt. Auf Klage gegen die Kündigung wird verzichtet.

Unterschrift Mitarbeiter

A. S.

Unterschrift VL/BL

Dieses Formular füllte Frau K. am 16.04.2004 handschriftlich mit den Personalien der Klägerin, der Kündigungsbegründung und dem Datum aus und unterschrieb das Formular in der untersten Zeile „Unterschrift VL/BL“. Dann übergab Frau K, die Kündigungserklärung der Klägerin, die in der Zeile „Unterschrift Mitarbeiter“ unterschrieb.

Am Abend des 16.04.2004 erstattete die Beklagte u. a. gegen die Klägerin Strafanzeige. Mit Schreiben vom 29.04.2004 verlangte die Beklagte von der Klägerin die Zahlung einer Vertragsstrafe gemäß dem Anstellungsvertrag in Höhe eines Bruttomonatsgehalts. Im Betrieb, zu dem die Verkaufsstelle D. gehört, besteht kein Betriebsrat.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Kündigungen unwirksam seien. Sie habe die Tageseinnahmen der Beklagten nicht entwendet. Es bestehe auch kein begründeter Verdacht gegen sie. Sie habe den Klageverzicht am 16.04.2004 nach extremer Druckausübung auf sie unterzeichnet. Die Klägerin hat diese Erklärung gemäß § 123 BGB angefochten und gemäß § 312 BGB widerrufen.

Die Beklagte hat vorgetragen, dass u. a. gegen die Klägerin wegen des Verlustes des Geldbetrages ein erheblicher Verdacht bestehe und deshalb das Vertrauensverhältnis zerstört worden sei. Im Übrigen habe die Klägerin mit ihrer Unterschrift auf eine Klage gegen diese Kündigung verzichtet. Da dieser Verzicht nach Zugang der Kündigung von der Klägerin erklärt worden sei, sei dieser auch wirksam.

Das Arbeitsgericht hat im am 21.06.2005 verkündeten Urteil die Klage abgewiesen. Zur Begründung führt das Urteil insbesondere an, dass das Kündigungsschreiben der Beklagten vom 16.04.2004 aufgrund einer Unterschrift der kündigungsberechtigten stellvertretenden Verkaufsleiterin formwirksam sei. Die Klägerin habe dann nach Ausspruch der Kündigung mit ihrer Unterschrift wirksam auf eine Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung vom 16.04.2004 verzichtet. § 312 BGB sei vorliegend nicht anwendbar. Wegen der weiteren Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Gegen dieses der Klägerin am 23.09.2005 zugestellte Urteil richtet sich die am 24.10.2005, einem Montag, eingelegte und am 23.01.2006 innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist ausgeführte Berufung der Klägerin. Zur Begründung der Berufung trägt die Klägerin insbesondere vor, dass die Kündigungserklärung der Beklagten vom 16.04.2004 bereits gemäß §§ 623, 125 BGB formunwirksam sei, weil die Unterschrift der Beklagten nicht an die Kündigungserklärung und Kündigungsbegründung anschließe. Die Kündigungserklärung sei der Klägerin auch nicht vor deren „Unterschrift“ neben deren Erklärung auf Klageverzicht gegen die Kündigung zugegangen. Für den Verzicht habe die Klägerin auch keine Gegenleistung erhalten. Wegen des weiteren Vorbringens der Klägerin im zweiten Rechtszug wird auf die in der mündlichen Verhandlung in Bezug genommenen Schriftsätze vom 23.01.2006 und 05.05.2006 verwiesen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und trägt insbesondere vor, dass das Kündigungsschreiben vom 16.04.2004 dem Schriftformerfordernis entsprochen habe und die Klägerin nach Zugang dieser Kündigung wirksam einen Klageverzicht erklärt habe. Die Klägerin habe die Klageverzichtserklärung auch nicht wirksam angefochten. Ein Klageverzicht sei auch nach Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes wirksam. Der Klageverzicht der Klägerin stelle auch keine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB dar, da die Beklagte im Hinblick auf die Erklärung der Klägerin auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen verzichtet habe. Die vorliegenden Kündigungen seien als Verdachtskündigungen wirksam. Gegenüber der Klägerin und ihren beiden Kolleginnen habe der erhebliche Verdacht bestanden, dass diese Mitarbeiterinnen einen Betrag von 4.375,00 € unterschlagen haben. Da eine der drei Mitarbeiterinnen das Geld entwendet habe, sei es der Beklagten in einer Kleinst-Verkaufsstelle nicht zuzumuten, auch nur eine der drei Mitarbeiterinnen weiterzubeschäftigen. Eine Verdachtskündigung gegenüber alle drei Mitarbeiterinnen sei wirksam. Wegen des weiteren Vorbringens der Beklagten im zweiten Rechtszug wird auf die in der mündlichen Verhandlung in Bezug genommenen Schriftsätze vom 02.02.2006, 10.04.2006 und 11.04.2006 verwiesen.

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