Die immer weiter zunehmende Erreichbarkeit führt dazu, dass auch das Arbeitsleben außerhalb der
Arbeitszeit in den Alltag eingebunden wird. Sei es per E-Mail oder Kurznachricht oder einfach, weil man auf dem Firmenlaptop noch schnell etwas erledigt. Es ist fast selbstverständlich, dass man fast ständig und überall zu erreichen ist.
Wenn sich jedoch die Arbeit „meldet“, dann stellt sich die Frage, ob man als
Arbeitnehmer darauf überhaupt reagieren muss.
Keine gesetzliche Grundlage für Erreichbarkeit außerhalb der Arbeitszeit!
Gesetzlich sind Arbeitnehmer nicht dazu verpflichtet, außerhalb der Arbeitszeit überhaupt erreichbar zu sein oder gar noch schnell eine bestimmte Arbeit zu erledigen.
Gehört ein Feiertag nicht zur Arbeitszeit, so muss der Arbeitnehmer auch an solchen Tagen nicht für den
Arbeitgeber erreichbar sein.
Von diesem Grundsatz kann auch nicht
arbeitsvertraglich abgewichen werden, entsprechende Klauseln sind unwirksam.
Nur dann, wenn Bereitschaftsdienst oder Rufbereitschaft vereinbart wurde, gilt ein anderes.
Ein Arbeitnehmer ist nämlich ansonsten lediglich während der Arbeitszeit zur Erreichbarkeit verpflichtet. Die Arbeitszeit beträgt höchstens acht Stunden pro Tag. Dies gilt unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer vor Ort oder im Homeoffice tätig ist.
Hat sich ein Arbeitnehmer vom Homeoffice abgemeldet (z.B. für eine Mittagspause), so muss der Arbeitnehmer nur dann erreichbar sein, wenn dies zwischen den Vertragsparteien auch so vereinbart wurde.
Befindet sich der Arbeitnehmer in der Rufbereitschaft, so geht damit die Verpflichtung des Arbeitnehmers einher, sich für den Arbeitseinsatz bereitzuhalten. Hierzu muss der Arbeitnehmer für den Arbeitgeber erreichbar sein (i.d.R. über ein Diensthandy). Ein Bereitschaftsdienst gilt übrigens als Arbeitszeit und ist auch so zu vergüten.
Hierzu hat der EuGH entschieden, dass Bereitschaftszeit, die ein Arbeitnehmer zu Hause verbringt und während deren er der Verpflichtung unterliegt, einem Ruf des Arbeitgebers zum Einsatz innerhalb von wenigen Minuten Folge zu leisten, wodurch die Möglichkeit, anderen Tätigkeiten nachzugehen, erheblich eingeschränkt ist, als „Arbeitszeit“ anzusehen ist (EuGH, 21.02.2018 - Az:
C-518/15).
Unter den Begriff „Arbeitszeit“ in Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 2003/88 fallen sämtliche Bereitschaftszeiten einschließlich Rufbereitschaften, während deren dem Arbeitnehmer Einschränkungen von solcher Art auferlegt werden, dass sie seine Möglichkeit, während der Bereitschaftszeiten die Zeit, in der seine beruflichen Leistungen von seinem Arbeitgeber nicht in Anspruch genommen werden, frei zu gestalten und sie seinen eigenen Interessen zu widmen, objektiv gesehen ganz erheblich beeinträchtigen (EuGH, 11.11.2021 - Az:
C-214/20; ebenso: EuGH, 09.03.2021 - Az:
C-344/19, C-580/19).
Was gilt für das Diensthandy?
Auch für ein dienstlich zur Verfügung gestelltes Mobiltelefon gilt der allgemeine Grundsatz zur Erreichbarkeit. Während der Arbeitszeit muss der Arbeitnehmer über das Diensthandy erreichbar sein – darüber hinaus jedoch nicht. Der Arbeitnehmer darf deshalb das Diensthandy auch außerhalb der Arbeitszeit einfach ausschalten.
Was gilt für die Erreichbarkeit im Urlaub?
Grundsätzlich gilt im
Urlaub, dass der gesetzliche Mindesturlaub (vier Wochen) arbeitsfrei sein muss. Der Arbeitnehmer kann das Diensthandy in dieser Zeit ausschalten und muss auch nicht auf E-Mails oder Nachrichten reagieren. Auch Anrufe oder Nachrichten auf die private Nummer oder E-Mail müssen nicht beantwortet werden, wenn es sich nicht um einen zwingenden Notfall handelt. Für weitergehende Urlaubsansprüche kann ggf. ein anderes gelten.
Ein anderes gilt nur für den Fall, dass Rufbereitschaft besteht, wobei zu beachten ist, dass Rufbereitschaft bzw. Bereitschaftsdienst und Urlaub sich ausschließen.
Detailliert informiert der Beitrag „
Urlaub: Muss der Arbeitnehmer trotzdem immer erreichbar sein?“ zu diesem Thema.
Was gilt für die Erreichbarkeit während des Freizeitausgleichs?
Bei Freizeitausgleich zum Abbau von geleisteten Überstunden muss der Arbeitnehmer ebenfalls nicht erreichbar sein. Es handelt sich schließlich nicht um Arbeitszeit, sondern um Freizeit.
Muss man bei Krankschreibung erreichbar sein?
Ist ein Arbeitnehmer krankgeschrieben, so besteht grundsätzlich keine Verpflichtung des Arbeitnehmers, dem Arbeitgeber in dieser Zeit zur Verfügung zu stehen. Es kann jedoch ggf. etwas anderes zwischen den Parteien oder im
Tarifvertrag vereinbart werden.
Sofern ein Notfall vorliegen sollte, darf der Arbeitgeber den kranken Arbeitnehmer in jedem Fall kontaktieren.
Außerhalb der Arbeitszeit tätig geworden? Dann kann der Arbeitnehmer Geld verlangen!
Sofern ein Arbeitnehmer auf Verlangen des Arbeitgebers außerhalb der Arbeitszeit tätig geworden ist, handelt es sich um Mehrarbeit, die dem Arbeitnehmer zu vergüten ist. Es kann sinnvoll sein, zur Dokumentation ein Arbeitszeitkonto anzulegen.
Die Grenzen der Höchstarbeitszeit und die Ruhezeiten müssen auch in diesem Fall eingehalten werden.
Kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer wegen fehlender Erreichbarkeit abmahnen?
Es kommt immer wieder vor, dass Arbeitgeber, die den Arbeitnehmer außerhalb der Arbeitszeit nicht erreichen konnten, eine
Abmahnung aussprechen. Gibt es hierzu im Arbeits- oder Tarifvertrag keine Regelung, so muss der Arbeitnehmer jedoch nur in echten Notfällen erreichbar sein.
Eine Abmahnung wegen fehlender Erreichbarkeit kann bereits deshalb nicht ausgesprochen werden, weil es bis auf die genannten Ausnahmen bereits keine Verpflichtung des Arbeitnehmers gibt, erreichbar zu sein. Ein von einer unberechtigten Abmahnung betroffener Arbeitnehmer kann die Entfernung der Abmahnung aus der
Personalakte verlangen und auch juristisch gegen die Abmahnung vorgehen.
Gibt es Ausnahmen für Führungskräfte?
Bei Führungskräften kann – je nach konkreter Position und Aufgabenbereich – eine weitergehende Erreichbarkeit gelten. Die Anforderungen ergeben sich in der Regel aus der Stellenbeschreibung und können zudem auch mit einer entsprechend höheren Vergütung gerechtfertigt werden.