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Darf die Schule den Gang zur Toilette verbieten?

Familienrecht | Lesezeit: ca. 11 Minuten

Ein Gang zur Toilette kann den Unterricht unter Umständen stören, während Klassenarbeiten oder Klausuren kann der Verdacht entstehen, dass ein Täuschungsversuch begangen werden soll. Es gibt also - vermeintlich - gute Gründe, Schüler, die auf die Toilette gehen wollen, auf die nächste Pause zu verweisen. Doch so einfach ist die Sache nicht.

Wie ist die Rechtslage?

Jeder - auch jeder Schüler - hat das Recht, nicht am Besuch einer Toilette zur Verrichtung der Notdurft gehindert zu werden. Dies gilt auch während des Schulbesuchs - hierbei handelt es sich um ein elementares Grundrecht jedes Einzelnen.

Weil es zu dieser Frage jedoch keine Gesetze gibt, die dies explizit regeln, kann eine Lehrkraft den Eindruck erhalten, dass die Entscheidung über den Toilettengang eines Schülers ins Ermessen der Lehrkraft gestellt ist. Das ist jedoch nicht der Fall. Die Lehrkraft kann dem Schüler weder im Unterricht noch während einer Klassenarbeit untersagen, die Toilette aufzusuchen.

Das Untersagen eines (notwendigen) Toilettengangs dürfte zudem regelmäßig eine Straftat darstellen, da dies u.a. den Tatbestand der Körperverletzung im Amt (§ 340 StGB) erfüllen kann. Weiterhin kommen in Betracht: Misshandlung Schutzbefohlener (§ 225 StGB), Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht (§ 171 StGB), Nötigung (§ 240 I StGB).

Die durchaus verbreitete Ansicht, dass es möglich sein sollte, während einer Klausur oder Unterrichtsstunde auf einen Toilettengang zu verzichten ist in diesem Zusammenhang vollkommen unerheblich.

Das Recht auf Erfüllung eines solchen Bedürfnisses ist bereits durch Art. 1 Abs. 1 GG (Menschenwürde), Art. 2 Abs. 1 und 2 GG  (Persönlichkeitsrecht), Art. 3 EMRK i.V.m. § 1626 BGB geschützt und ist immer zu wahren.

Das erzwungene Einhalten stellt übrigens auch dann eine erhebliche Qual dar, wenn der Schüler es dann doch durchhalten kann. Bereits dies erfüllt den Straftatbestand einer Körperverletzung. Sollte es dazu kommen, dass der Schüler in die Hosen macht, sind erhebliche psychische Verletzungsfolgen im Sinne des § 223 I StGB denkbar (Hilflosigkeit, Gespött, Angst, Verlust der Selbstachtung etc.).

Eine Lehrkraft würde bei einem Verbot des Toilettengangs während des Unterrichts im Rahmen hoheitlicher Gewalt handeln, sodass es sich um Körperverletzung im Amt handelt. Beamte sind zudem dazu verpflichtet, sich bei der Amtsausübung aller Eingriffe in fremde Rechte zu enthalten, die eine unerlaubte Handlung im Sinne des bürgerlichen Rechts darstellen.

Wird der Bitte um Erlaubnis eines Toilettenganges nicht entsprochen, so handelt die Lehrkraft vorsätzlich, da zumindest billigend in Kauf genommen wird, dass es zu einem „Unglück“ kommt. Es liegt ein Verstoß gegen die Fürsorge- und Erziehungspflicht vor - eine Lehrkraft darf weder selbst grundrechtsverletzende Handlungen vornehmen noch solche dulden.

Darf der Schüler trotz Verbots die Toilette aufsuchen?

Muss ein Schüler tatsächlich dringend auf die Toilette, so kann er dies auch dann tun, wenn die Lehrkraft oder die Aufsichtsperson dies ausdrücklich verboten hat. Der Schüler ist nicht dazu verpflichtet, sich dem Risiko auszusetzen, in die Hose zu machen. Eine Sanktionierung dieses Verhaltens ist nicht zulässig.

Was gilt während Klassenarbeiten oder Klausuren?

Das Interesse der Schule daran, einen etwaigen Täuschungsversuch zu vereiteln, hat in diesem Zusammenhang zurückzustehen, da das Recht des Schülers auf einen Toilettengang bereits nicht abwägungsfähig ist. Es gilt also auch hier nichts anderes.

Was gilt, wenn der Schüler gar nicht muss?

Wenn nachweislich kein Toilettengang notwendig ist, muss das Aufsuchen der Toiletten natürlich nicht gestattet werden. Hierzu ist allerdings die Lehrkraft bzw. Aufsichtsperson - und nicht der Schüler - im Streitfall dahingehend in der Darlegungs- und Beweislast, dass die Bitte um einen Toilettengang rechtsmissbräuchlich erfolgte.

Also kann auch dann, wenn man annehmen möchte, dass bis zur nächsten Pause gewartet werden kann, nicht pauschal ein Wunsch zum Aufsuchen der Toilette verweigert werden. Gibt der Schüler eine hohe Dringlichkeit an, so ist dem Wunsch nachzukommen. Hierzu ist weder ein ärztliches Attest noch eine absolute Glaubwürdigkeit erforderlich. Bei mehreren Toilettengängen mag zwar ein gewisser Zweifel berechtigt sein, es sollte dennoch seitens der Lehrkraft beachtet werden, dass der Schüler keine Beweislast für die tatsächliche Notwendigkeit des Toilettengangs hat. Vielmehr müsste die Lehrkraft beweisen können, dass der Toilettengang tatsächlich nicht bzw. nicht dringend notwendig war.

Kann die Schule eine Regelung in der Hausordnung zum Toilettenbesuch aufstellen?

Eine Regelung, die den Toilettenbesuch grundsätzlich außerhalb der Pausen verbietet, ist nicht möglich. Da es sich um ein Grundrecht handelt, scheiden alle Formen von Vereinbarungen oder Gesetzen, also auch Hausordnungen der Schule, als Rechtfertigung aus. Diese wären offensichtlich nichtig.

Es kann andererseits auch nicht erwartet werden, dass einem Schüler generell der Toilettenbesuch erlaubt wird. Denn es ist durchaus legitim, dass eine Lehrkraft alle Schüler während des Unterrichts - besonders in wichtigen Phasen - erreichen will. Ebenfalls darf erwartet werden, dass sich während einer Klassenarbeit mit dieser beschäftigt wird.

Es ist daher durchaus zulässig, dass allgemeine Verhaltensregeln aufgestellt werden, nach denen die Toilette nach Möglichkeit in den Pausen aufzusuchen ist und zu allen anderen Zeiten die Lehrkraft oder Aufsichtsperson um Erlaubnis gebeten werden muss, jeweils nur ein Schüler gehen darf und ggf. das Mobiltelefon abzugeben ist. Dies führt in der Regel dazu, dass sich Schüler überlegen ob der Gang tatsächlich notwendig ist oder nicht und der Unterricht nicht übermäßig gestört wird.

Auch hier ist jedoch Vorsicht geboten: Wenn doch einmal ein zweiter Schüler dringend muss, kann er nicht dazu gezwungen werden, zu warten bis der der andere Schüler zurückkehrt.

Auf ein pauschalisiertes Verbot sollte dagegen verzichtet werden. Dies mag zwar praktisch erscheinen, weil man sich darauf beziehen kann. Da es jedoch nichtig wäre, ist niemanden damit gedient.

Wie sollten sich Lehrkräfte verhalten?

Lehrkräfte sollten bei der Abwägung darüber, ob sie einen Gang zur Toilette erlauben wollen oder nicht, bedenken, dass die Verweigerung möglicherweise eine Straftat darstellen kann, für die Mindest-Freiheitsstrafen vorgesehen sind.

Gleichfalls muss darauf hingewiesen werden, dass entsprechende Verurteilungen bislang nicht bekannt geworden sind.

Wie sollten sich Eltern verhalten?

Trotz der klaren Rechtslage sollte man als Elternteil nicht sofort rechtliche Schritte in Erwägung ziehen. Es sollte berücksichtigt werden, dass Toilettengänge eben auch zu Unruhe im Unterricht führen und massenhafte Besuche während einer Klassenarbeit den vermutlich nicht gänzlich unberechtigten Verdacht nähren dürften, dass Täuschungsversuche begangen werden.

Sinnvoller dürfte es sein, die Hintergründe eines Verbotes zu besprechen und gemeinsam eine Lösung zu finden, die allen Beteiligten gerecht wird.

Eine Strafanzeige gegen eine Lehrkraft sollte ausschließlich als ultima ratio, also als letztes Mittel und auch nur mit vorheriger anwaltlicher Beratung in Erwägung gezogen werden.
Stand: 08.01.2024 (aktualisiert am: 23.05.2025)
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