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ADHS-Patient verliert Fahrerlaubnis: Wer Cannabis-Gutachten verweigert, gilt als ungeeignet

Verkehrsrecht | Lesezeit: ca. 4 Minuten

Die Fahrerlaubnisbehörde darf die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens nach § 11 Abs. 2 Satz 1 FeV anordnen, wenn Tatsachen bekannt werden, die begründete Zweifel an der Fahreignung auslösen. Bei regelmäßiger Einnahme von Medizinal-Cannabis können sich solche Zweifel aus der Vorgeschichte des Patienten, insbesondere aus früherem illegalem Cannabiskonsum oder dem Vorliegen einer Komorbidität ergeben. Die Anlage 4 zur FeV ist nicht abschließend und umfasst keine Kumulationen aus verschiedenen fahreignungsrelevanten Erkrankungen, die in ihrer Verbindung Fahreignungszweifel auslösen.

Während ADHS für sich genommen in der Regel keine Fahreignungszweifel begründen kann, sind Fälle anders zu beurteilen, in denen weitere fahreignungsrelevante Aspekte hinzutreten (vgl. VGH Bayern, 25.03.2020 - Az: 11 CS 20.203). Vorliegend bestand nicht nur eine ADHS-Erkrankung, die sich durch Defizite bei der Reaktions- und Impulskontrollfähigkeit äußerte, sondern es lagen auch Schmerzbelastungs- und Bluthochdruckprobleme vor. Diese Kumulation von Erkrankungen, die vom behandelnden Arzt als schwerwiegend eingestuft wurden, rechtfertigte die Anordnung einer gutachterlichen Klärung.

Eine Dauerbehandlung mit Medizinal-Cannabis nach Nr. 9.6 der Anlage 4 zur FeV setzt voraus, dass die Einnahme medizinisch indiziert und ärztlich verordnet ist, das Cannabis zuverlässig nur nach ärztlicher Verordnung eingenommen wird, keine dauerhaften Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit feststellbar sind und die Grunderkrankung keine verkehrsmedizinisch relevante Ausprägung aufweist (vgl. VGH Bayern, 30.03.2021 - Az: 11 ZB 20.1138). Eine nervenärztliche Stellungnahme des behandelnden Arztes kann diese Fragen nicht hinreichend beantworten und eine ärztliche Begutachtung nicht ersetzen (vgl. VGH Bayern, 10.10.2019 - Az: 11 CS 19.1451).

Die Aufforderung zur Begutachtung darf auch Fragen enthalten, die grundsätzlich psychologischer Natur sind (Therapietreue, Risikoeinschätzung, missbräuchliche Einnahme), wenn diese zunächst einer medizinischen Tatsachenklärung bedürfen und das Stufenverhältnis zwischen ärztlicher und medizinisch-psychologischer Begutachtung gewahrt bleibt. Die Behörde muss sicherstellen, dass dem Arzt nicht schwerpunktmäßig psychologische Testverfahren überantwortet werden (vgl. VGH Baden-Württemberg, 11.08.2015 - Az: 10 S 444/14). Eine psychologische Zusatzuntersuchung („Leistungstestung") kann das ärztliche Gutachten nicht ersetzen.

Bringt der Betroffene ein rechtmäßig angefordertes ärztliches Gutachten nicht fristgerecht bei, darf die Behörde nach § 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung schließen und die Fahrerlaubnis nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 Satz 1, 2 FeV entziehen.


VG München, 03.04.2024 - Az: M 19 S 23.3709

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