Das Urheberrecht schützt die Schöpfer von
Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst. Es sichert ihnen das ausschließliche Recht zu, über die Nutzung, Vervielfältigung und Verbreitung ihrer Schöpfungen zu bestimmen. Ein zentraler Aspekt dieses Schutzsystems ist jedoch, dass dieser Schutz nicht ewig währt. Die Dauer des Urheberrechts ist gesetzlich klar befristet. Nach Ablauf dieser Frist wird das Werk „gemeinfrei“, was bedeutet, dass es von der Allgemeinheit ohne die Notwendigkeit einer Genehmigung oder Lizenzzahlung frei genutzt werden kann. Die Berechnung dieser Schutzfrist folgt dabei klaren Regeln, die sich je nach Art des Werkes und den Umständen seiner Entstehung unterscheiden können.
Die allgemeine Schutzfrist: 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers
Die grundlegende Regel zur Dauer des Urheberrechtsschutzes findet sich im
Urheberrechtsgesetz (UrhG). Demnach erlischt das Urheberrecht siebzig Jahre nach dem Tode des
Urhebers,
§ 64 UrhG. Diese als Regelschutzfrist bekannte Dauer wird in der Rechtswissenschaft auch mit dem lateinischen Begriff „post mortem auctoris“ (nach dem Tode des Urhebers) bezeichnet. Die Frist beginnt dabei nicht taggenau mit dem Todestag, sondern erst mit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Urheber verstorben ist. Verstirbt ein Komponist beispielsweise am 15. Mai 2025, beginnt die 70-jährige Schutzfrist am 1. Januar 2026 und endet somit am 31. Dezember 2095. Ab dem 1. Januar 2096 wären seine Kompositionen gemeinfrei. Diese Regelung dient dem Zweck, einen Ausgleich zwischen den Interessen des Urhebers und seiner Erben an einer wirtschaftlichen Verwertung des Werkes und dem Interesse der Allgemeinheit an einem freien Zugang zu Kulturgütern zu schaffen.
Besonderheiten bei mehreren Urhebern
In der Praxis werden viele Werke nicht von einer einzelnen Person, sondern von einem Kollektiv geschaffen. Haben mehrere Personen ein Werk gemeinsam so erschaffen, dass sich ihre Anteile nicht gesondert verwerten lassen, spricht man von Miturhebern. In einem solchen Fall richtet sich das Erlöschen des Urheberrechts nach dem Tod des längstlebenden Miturhebers, wie es
§ 65 Abs. 1 UrhG festlegt. Auch hier erlischt der Schutz siebzig Jahre nach dem Tod dieses letzten beteiligten Schöpfers. Diese Regelung stellt sicher, dass das Werk als unteilbare Einheit geschützt bleibt und nicht einzelne Teile zu unterschiedlichen Zeitpunkten gemeinfrei werden. Für die Berechnung ist es unerheblich, wie groß der jeweilige schöpferische Beitrag der einzelnen Miturheber war. Entscheidend ist allein der Todeszeitpunkt des letzten Überlebenden aus der Gruppe der Miturheber.
Schutzdauer bei anonymen und pseudonymen Werken
Eine besondere Herausforderung für die Berechnung der Schutzfrist stellt sich, wenn der Urheber nicht namentlich bekannt ist. Bei Werken, die anonym oder unter einem Pseudonym (einem Decknamen) veröffentlicht werden, kann der Todestag des Schöpfers als Anknüpfungspunkt für die 70-Jahres-Frist naturgemäß nicht herangezogen werden. Aus diesem Grund sieht das Gesetz in
§ 66 UrhG eine abweichende Regelung vor. Hier erlischt das Urheberrecht bereits siebzig Jahre nach der Veröffentlichung des Werkes. Erfolgt keine Veröffentlichung, endet der Schutz siebzig Jahre nach der Schaffung des Werkes.
Allerdings hat der Urheber oder seine Rechtsnachfolger die Möglichkeit, die volle Schutzdauer der Regelfrist zu sichern. Wird die wahre Identität des Urhebers, also sein bürgerlicher Name, offengelegt, gilt wieder die allgemeine Schutzfrist von siebzig Jahren nach seinem Tod. Dies kann beispielsweise durch eine Anmeldung des bürgerlichen Namens im Register anonymer und pseudonymer Werke beim Deutschen Patent- und Markenamt geschehen. Eine solche Eintragung stellt sicher, dass der maximale Schutzumfang für das Werk Geltung beanspruchen kann - dies ist aber nicht zwingend notwendig, sondern nur optional und in der Praxis selten relevant.
Persönlichkeitsrechte nach Ablauf der Schutzfrist
Auch nachdem das Urheberrecht und damit der wirtschaftliche Schutz eines Werkes abgelaufen ist, können bestimmte Persönlichkeitsrechte des Urhebers weiterhin beachtet werden müssen. So schützt
§ 14 UrhG das Recht des Urhebers auf Anerkennung seiner Urheberschaft („Entstellungsschutz“) bis zu seinem Tod. Nach dem Tod können Erben bis zu 70 Jahre gegen bestimmte schwerwiegende Entstellungen des Werkes vorgehen.
Verwandte Schutzrechte mit abweichenden Fristen
Neben dem Urheberrecht im engeren Sinne, das eine persönliche geistige Schöpfung voraussetzt, kennt das Gesetz die sogenannten verwandten Schutzrechte, auch als Leistungsschutzrechte bekannt. Diese schützen Leistungen, die zwar nicht die für ein urheberrechtlich geschütztes Werk erforderliche Schöpfungshöhe erreichen, vom Gesetzgeber aber dennoch als schutzwürdig erachtet werden. Diese Rechte sind in den §§ 70 ff. UrhG geregelt und weisen oft kürzere und eigenständige Schutzfristen auf.
Ein praxisrelevantes Beispiel sind die Rechte des ausübenden Künstlers, also etwa eines Schauspielers oder Musikers. Deren Darbietungen sind für 70 Jahre nach dem Erscheinen einer Aufzeichnung oder der öffentlichen Wiedergabe geschützt. Die Schutzfrist für die Hersteller von Tonträgern beträgt ebenfalls 70 Jahre nach dem Erscheinen. Für Sendeunternehmen gilt eine Schutzfrist von 50 Jahren nach der ersten Ausstrahlung einer Sendung. Diese Leistungsschutzrechte bestehen unabhängig von den Urheberrechten an den zugrundeliegenden Werken, wie etwa der Komposition eines Liedes oder dem Drehbuch eines Films.
Amtliche Werke und Gemeinfreiheit
Es gibt Werke, die von vornherein keinen urheberrechtlichen Schutz genießen und damit dauerhaft gemeinfrei sind. Hierzu zählen nach
§ 5 Abs. 1 UrhG amtliche Werke wie Gesetze, Verordnungen, amtliche Bekanntmachungen sowie Urteile, die im amtlichen Auftrag veröffentlicht werden. Diese Texte dürfen von jedermann ohne Einschränkungen genutzt und verbreitet werden.
Unterschied bei Fotografien: Lichtbild und Lichtbildwerk
Eine besonders wichtige Differenzierung mit direkten Auswirkungen auf die Schutzdauer betrifft Fotografien. Das Urheberrechtsgesetz unterscheidet hier zwischen „Lichtbildwerken“ und einfachen „Lichtbildern“. Lichtbildwerke sind Fotografien, die eine ausreichende Schöpfungshöhe aufweisen und damit als persönliche geistige Schöpfungen gelten. Sie genießen den vollen urheberrechtlichen Schutz und sind somit bis 70 Jahre nach dem Tod des Fotografen geschützt.
Einfache Lichtbilder hingegen sind Fotografien, die diese Schöpfungshöhe nicht erreichen, wie zum Beispiel alltägliche Schnappschüsse oder einfache Produktfotos. Obwohl sie keine „Werke“ im Sinne des Urheberrechts sind, gewährt ihnen das Gesetz über das Leistungsschutzrecht des
§ 72 UrhG dennoch einen Schutz. Dieser ist jedoch deutlich kürzer. Die Schutzfrist für einfache Lichtbilder beträgt lediglich 50 Jahre. Die Frist beginnt mit dem Erscheinen des Lichtbildes oder, falls es nicht erschienen ist, mit seiner Herstellung. Diese Unterscheidung ist in der Praxis oft schwierig zu treffen, hat aber erhebliche Konsequenzen für die Dauer, in der eine Fotografie geschützt ist.
Für Lichtbilder, die vor dem 1. Juli 1995 veröffentlicht oder hergestellt wurden, gelten teilweise abweichende Schutzfristen. Hier sieht das Gesetz vor, dass der Schutz in bestimmten Fällen vorzeitig enden konnte. Diese Übergangsregelungen können im Einzelfall relevant sein, insbesondere bei der Nutzung älterer Fotografien.
Schutz nachgelassener und wissenschaftlicher Ausgaben
Für Werke, die während der regulären Schutzfrist nie veröffentlicht wurden und erst nach ihrem Erlöschen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, sieht das Gesetz eine Sonderregelung vor. Wer ein solches nachgelassenes Werk rechtmäßig erstveröffentlicht oder öffentlich wiedergibt, erhält gemäß
§ 71 UrhG ein ausschließliches Nutzungsrecht für die Dauer von 25 Jahren. Diese Regelung soll einen Anreiz schaffen, bislang unbekannte Werke aus Nachlässen zu erschließen und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Eine ähnliche Regelung existiert für wissenschaftliche Ausgaben. Wer eine wissenschaftlich-kritische Ausgabe eines nicht mehr urheberrechtlich geschützten Werkes, beispielsweise eines mittelalterlichen Textes, erstellt, erhält nach
§ 70 UrhG ebenfalls ein Leistungsschutzrecht an seiner Ausgabe für die Dauer von 25 Jahren nach dem Erscheinen. Geschützt wird hier die wissenschaftliche Auseinandersetzung und Aufbereitung des gemeinfreien Inhalts.