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Urheberrechtsverletzung durch Lehrerhandreichung

Urheberrecht | Lesezeit: ca. 5 Minuten

Ein Verlag, der Inhaber umfassender Nutzungs- und Verwertungsrechte an einem Sprachwerk ist, kann Unterlassung, Schadensersatz und Auskunft verlangen, wenn ein anderes Werk in seine urheberrechtlich geschützten Positionen eingreift. Maßgeblich ist, ob die Nutzungshandlungen in Form von Vervielfältigung und Verbreitung nach §§ 1617 UrhG ohne Zustimmung vorgenommen werden und ob eine Schrankenregelung eingreift.

Ein Sprachwerk ist nicht nur in seiner konkreten Textfassung geschützt. Auch die Fabel, die Gestaltung von Szenen sowie die Charakteristik und Rollenverteilung der Figuren genießen Schutz, sofern sie eine hinreichende Schöpfungshöhe aufweisen. Einzelne Figuren können nur dann eigenständig geschützt sein, wenn sie sich in einer Weise verselbständigt haben, die sie über das konkrete Werk hinaus originell prägt. Daran fehlt es, wenn die Charaktere lediglich im Rahmen des Handlungsgeflechts Bedeutung haben. Dagegen können einzelne wörtlich übernommene Zitate und Textauszüge als selbständige Teile des Gesamtwerks urheberrechtlichen Schutz beanspruchen, sofern sie Originalität entfalten.

Die beanstandete Handreichung enthielt unter anderem eine Zusammenfassung des Sprachwerks, Vorschläge für eine Klassenarbeit, didaktische Anleitungen sowie ein Rollenspiel mit Schülerfragen und Lehrerhinweisen. Dabei wurden zentrale Elemente der Fabel wiedergegeben und wörtliche Textstellen aus dem Original übernommen.

Eine Vervielfältigungshandlung liegt bereits dann vor, wenn die wesentlichen Elemente der Fabel in einer Zusammenfassung wiedergegeben werden und das Originalwerk erkennbar bleibt. Gleiches gilt für wörtlich übernommene Passagen, etwa in einem didaktischen Spiel oder einer vorgeschlagenen Klassenarbeit. In beiden Fällen verblasst das ursprüngliche Werk nicht, sodass eine freie Benutzung im Sinne des § 23 Abs. 1 S. 2 UrhG n. F. ausscheidet.

Schrankenregelungen rechtfertigen den Eingriff nicht. Die Zitierfreiheit nach § 51 UrhG setzt voraus, dass die Übernahme einem eigenständigen gedanklichen Zweck dient. Werden Textteile lediglich eingefügt, um Schülern den Zugang zum Originalwerk zu erleichtern, fehlt es an diesem Zitatzweck. Auch § 51a UrhG (Karikatur, Parodie, Pastiche) findet keine Anwendung, da die Nutzung nicht in einem künstlerisch-satirischen, sondern in einem lehrmittelbezogenen Kontext erfolgt.

Die Schranke für Unterrichts- und Lehrmedien nach § 60b UrhG greift ebenfalls nicht. Diese Vorschrift setzt voraus, dass es sich um eine Sammlung handelt, die Werke mehrerer Urheber vereint. Der Begriff der „Sammlung“ erfordert nach Sinn und Zweck eine inhaltliche Vielfalt vergleichbarer Texte verschiedener Autoren. Ein Werk, das sich gezielt mit nur einem bestimmten Sprachwerk auseinandersetzt und sich in dessen Sogwirkung begibt, erfüllt diese Voraussetzung nicht. In einem solchen Fall kann § 60b UrhG nicht zur Rechtfertigung herangezogen werden.

Darüber hinaus ergibt sich aus § 242 BGB ein Anspruch auf Auskunft, soweit sie der Vorbereitung von Schadensersatzansprüchen dient. Dieser Anspruch besteht, wenn der Berechtigte über den Umfang der Rechtsverletzung im Unklaren ist und auf die Angaben des Verpflichteten angewiesen bleibt. Der Eingriff in die urheberrechtlich geschützten Bestandteile des Werkes führt daher zu umfassenden Auskunfts- und Schadensersatzpflichten.


LG Nürnberg-Fürth, 28.06.2024 - Az: 19 O 5537/23

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