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Rechtfertigen Waldbrände den kostenlosen Rücktritt vom Reisevertrag?

Reiserecht | Lesezeit: ca. 19 Minuten

Bei im Rücktrittszeitpunkt vorherrschenden schweren Waldbränden kann es sich um einen unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstand handeln, der die Durchführung der Pauschalreise erheblich beeinträchtigt.

Für die Beurteilung, ob ein zum „kostenfreien“ Rücktritt berechtigender unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstand vorlag, kommt es darauf an, wann der Reisende zurückgetreten ist und ob die Gegebenheiten zu dieser Zeit bereits als außergewöhnliche Umstände zu qualifizieren waren.

Die Vertragspartei, die zurücktreten möchte, muss zum Zeitpunkt des Rücktritts eine Prognose anstellen, wann und mit welcher Wahrscheinlichkeit eine erhebliche Beeinträchtigung eintreten könnte. Es kommt mithin darauf an, ob anzunehmen war, dass die konkrete Reise aufgrund dieser im Voraus zu treffenden Prognoseentscheidung erheblich beeinträchtigt sein wird.

Je näher der Zeitpunkt der Reise herangerückt ist, desto präziser dürfte die Prognose ausfallen. An die dem Reisenden obliegende Darlegung und den Nachweis der konkreten außergewöhnlichen Umstände im Sinne von § 651h Abs. 3 BGB zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung dürfen aber keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden.

Für die Erheblichkeit der Beeinträchtigung kommt es nicht nur darauf an, welchen Anteil der Mangel in Relation zur gesamten Reiseleistung hat. Vielmehr ist auch zu berücksichtigen, wie gravierend sich der Mangel für den Reisenden auswirkt.

Dabei ist das Maß, mit dem ein Mangel die Reise beeinträchtigt, auf Grund einer an Zweck und konkreter Ausgestaltung der Reise sowie Art und Dauer der Beeinträchtigung orientierten Gesamtwürdigung zu beurteilen. Demgegenüber kommt es auf eine tatsächliche Gefahr und den Umstand, dass die Reise tatsächlich ohne Beeinträchtigung habe durchgeführt werden können, nicht an.

Die Beeinträchtigung muss im Zeitpunkt des Rücktritts gerade noch nicht feststehen. Vielmehr muss bei einer Prognose ex ante aus Sicht eines verständigen Durchschnittsreisenden eine hinreichende Wahrscheinlichkeit bzw. Gefährdung bestehen.

Der Entscheidung lag der nachfolgende Sachverhalt zugrunde:

Die Parteien streiten um die Rückzahlung von restlichem Reisepreis, den die Beklagte als Stornierungskosten einbehalten hat.

Die Klägerin buchte für sich und ihre Familie (Ehemann nebst Zwillinge im Babyalter) am 11.04.2023 bei der Beklagten eine Pauschalreise nach Kolymbia auf Rhodos (Griechenland) für den Reisezeitraum 27.07. bis zum 08.08.2023. Der Gesamtreisepreis betrug 3.910,00 EUR und wurde von der Klägerin vollständig an die Beklagte gezahlt.

Im Juli 2023 brach auf der Insel Rhodos ein Waldbrand aus. Am 26.07.2023 veröffentlichte das Auswärtige Amt auf seiner Homepage folgenden Sicherheitshinweis: „Die Waldbrandgefahr ist in großen Teilen Griechenlands weiterhin sehr hoch, aktuell werden zahlreiche Brandherde bekämpft. Waldbrände wüten insbesondere im Südosten der Insel Rhodos, die Feuer weiten sich abhängig von wechselnden Windrichtungen aus. Dabei kann es jederzeit zu Straßensperren und weiteren Einschränkungen kommen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich aufgrund der herrschenden Wetterbedingungen neue Brandherde entwickeln. Die griechischen Behörden evakuieren abhängig von der Gefahrenlage Touristen aus ihren Unterkünften. Evakuierte auf Rhodos und Touristen, die Urlaube in den von Feuern bedrohten Orten gebucht haben, werden im Norden der Insel in Notunterkünften untergebracht. Informieren Sie sich vor Antritt Ihrer Reise über die Gefährdungslage an Ihrem Reiseziel und kontaktieren Sie Ihren Reiseveranstalter. Verschieben Sie gegebenenfalls nicht erforderliche Reisen in Gefahrengebiete.“

Nach dem Vortrag der Klägerin berichtete der Deutschlandfunk über die Lage auf der griechischen Insel Rhodos; Einsatzkräfte äußerten sich dahingehend, dass die Lage als besonders gefährlich eingestuft wurde. Ebenfalls nach dem Vortrag der Klägerin verkündete die Tagesschau am 25.07.2023: „Griechenland kämpft weiter gegen die schweren Waldbrände. Auf Rhodos ist trotz eines massiven Einsatzes von Löschflugzeugen und Helikoptern ein Großbrand immer noch außer Kontrolle. Auch weitere Hotelanlagen sind bedroht.“

Die Klägerin sah am 26.07.2023 eine FIRMS-Satellitenkarte der NASA ein, wobei hier ein Brand in Archangelos zu erkennen war, einem Ort, der 12 km Luftlinie von dem gebuchten Hotel entfernt liegt. Bei weiteren Recherchen hörte die Klägerin ihrem Vortrag nach auch den Sprecher einer Feuerwehr im öffentlichen Rundfunk, wonach sich die Löscharbeiten vor allem aufgrund der drehenden Winde sehr schwierig gestalteten und diese Winde dazu führten, dass sich der Brandgeruch und der Brandrauch auf die Umgebung ausdehnen.

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