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Rückerstattung des Flugticketpreises nach versehentlicher Stornierung

Reiserecht | Lesezeit: ca. 29 Minuten

Das versehentliche Anklicken einer digitalen Schaltfläche, durch welches automatisch eine Erklärung (hier: Stornierung eines Flugs) generiert und übermittelt wird, begründet einen Erklärungsirrtum nach § 119 Abs. 1 Alt.2 BGB.

Der Entscheidung lag der nachfolgende Sachverhalt zugrunde:

Die Kläger begehren vollständige Rückerstattung des bezahlten Flugticketpreises nach Stornierung ihrer Buchung.

Der Kläger zu 1) buchte für sich, seine Ehefrau F. und seine beide minderjährigen Kinder C. (geb. ... 2010) und C. (geb. ... 2013) bei der Beklagten Flüge von München nach Kapstadt und zurück für den 23.12.21 / 05.01.22 und bezahlte hierfür einen Ticketpreis in Höhe von insgesamt 4.459,04 €.

Die Kläger entschieden sich hierbei für einen Tarif, in welchem im Rücktrittsfalle nach den einbezogenen Beförderungsbedingungen der Beklagten nicht der Flugpreis, sondern lediglich die Gebühren und Steuern erstattet werden („Die Erstattung des Tickets ist nicht möglich. Die nicht verbrauchten Steuern und Gebühren sind erstattbar. Der internationale / nationale Zuschlag ist nicht erstattbar“).

Die Kläger erhielten für ihre Buchung von der Beklagten eine Bestätigung (Passenger / ItineraryReceipt / Status: Confirmed) unter Angabe der Flugzeiten, Flugnummern, Abflug- und Zielflughäfen mit ausgegebenen Buchungs- und Ticketnummern. Weiterhin erhielten die Kläger entsprechende Flugscheine.

Am 22.09.2021 änderte sich die geplante Abflugzeit des Hinfluges in München von 19:25 Uhr auf 17:45 Uhr. Diese Änderung wurde von den Klägern nach Erhalt einer entsprechenden Information per E-Mail mit einer diesbezüglichen Anfrage der Beklagten am 27.09.2021 bestätigt und akzeptiert.

Am 10.12.2021 teilte die Beklagte den Klägern eine weitere Flugzeitenänderung mit. Der Start des Rückfluges in Kapstadt wurde um 30 Minuten vorverlegt von 09:30 Uhr auf 09:00 Uhr. Die Kläger erhielten eine E-Mail der Beklagten, in welcher die Kläger unter Fristsetzung bis 20.12.2021 zur Vermeidung einer Stornierung aufgefordert wurden, sich für eine von drei Auswahlmöglichkeiten zu entscheiden, namentlich das Akzeptieren der geänderten Buchung, eine Umbuchung auf einen späteren Zeitpunkt oder die Anforderung einer Erstattung.

Der Kläger zu 1. klickte auf den Button „Ich möchte eine Erstattung anfordern“. Diese Option wird in der E-Mail der Beklagten folgendermaßen erläutert: „Wenn Ihr Flug gestrichen wurde oder der geänderte Reiseplan um mehr als zwei Stunden von der ursprünglichen Abflugs- oder Ankunftszeit abweicht haben Sie das Recht auf eine Erstattung des Ticketpreises. Bitte wählen Sie diese Option aus, wenn Sie die gesamte Reise stornieren und eine Erstattung Ihres Ticketpreises anfordern möchten.“ Die betragsmäßige Höhe einer möglichen Erstattung wird dabei nicht angezeigt.

Die Beklagte stornierte die Flugbuchung der Kläger und erstattete den Klägern Steuern und Gebühren in Höhe von insgesamt 485,04 €. Die Kläger forderten die Beklagte am 29.12.2021 unter Fristsetzung von 7 Tagen erfolglos zur vollständigen Flugpreiserstattung auf. Anschließend beauftragten die Kläger ihren Prozessbevollmächtigten mit der außergerichtlichen Geltendmachung. Mit anwaltlichem Schreiben vom 02.02.2022 wurde die Beklagte erfolglos zur vollständigen Flugpreiserstattung sowie mit Ablehnungsandrohung gem. § 250 BGB zur Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 445,00 € aufgefordert.

Die Kläger behaupten, der Kläger zu 1) habe sich zunächst nur über die Erstattungshöhe informieren wollen. Zu seiner Überraschung sei es dann sofort zu einer Erstattung gekommen.

In der mündlichen Verhandlung vom 29.09.2022 stellte der Kläger im Rahmen seiner informatorischen Anhörung abweichend zum Vortrag in der Klageschrift klar, dass er gar nicht auf den Button „Erstattung“ habe klicken wollen. Er habe die E-Mail der Beklagten auf seinem Handy gelesen und müsse beim Scrollen aus Versehen auf diesen Erstattungsbutton gekommen sein. Die Kläger hätten auf jeden Fall auch zu den geänderten Flugzeiten fliegen wollen, weil ein Besuch der Schwester des Klägers zu 1) in Südafrika zu Weihnachten vereinbart gewesen sei.

Mehrere telefonische Versuche zur Klärung dieses Missverständnisses und zur Wiederherstellung der Buchung vom 12. bis 14.12.21 seien ebenso erfolglos geblieben wie eine Eingabe der Buchungsproblematik auf der hierfür zur Verfügung stehenden Internetseite der Beklagten.

Die Beklagte habe die Beförderung verweigert, als die Kläger vor Abflug versucht hätten, online einzuchecken.

Bei dem Anklicken des Erstattungsbuttons habe keine Willenserklärung des Klägers zu 1) vorgelegen. Es fehle an Geschäftswillen und Erklärungsbewusstsein. Im Übrigen habe der Kläger eine solche Erklärung jedenfalls im Rahmen der geführten Telefonate rechtzeitig und wirksam wegen arglistiger Täuschung bzw. Erklärungsirrtums angefochten worden. Daneben liege auch ein wirksamer Widerruf eines Fernabsatzgeschäfts vor. Weiterhin sei von einer Informationspflichtverletzung der Beklagten auszugehen, weil der Kläger nicht darüber aufgeklärt wurde, dass nur eine Teilerstattung erfolgen kann. Da das Erstattungsangebot der Beklagten in der übersandten E-Mail betragsmäßig nicht begrenzt war, ergebe sich auch ein vertraglicher Anspruch auf vollständige Rückerstattung, hilfsweise könne der Anspruch auch auf § 648 S.2 BGB gestützt werden, der zumindest eine Erstattung in Höhe von 95% vorsehe. Die Beschränkung einer Erstattung in den AGB der Beklagten auf Steuern und Gebühren sei unwirksam. Denn bei verwenderfeindlichster Lesart schließe diese Klausel auch dann eine Erstattung aus, wenn sich diese aus Art. 8 Abs. 1 lit.a) VO (EG) 261/2004 als Folge einer Annullierung ergeben. Eine solche Klausel sei wegen Verstoßes gegen Art. 15 Abs. 1 VO (EG) 261/2004 nach § 134 BGB unwirksam.

Die Beklagte wendet ein, dass die Kläger vom Beförderungsvertrag mit der Wahl der Erstattung zurückgetreten seien. Es sei erklärt worden, dass die gesamte Reise storniert werden soll. Damit hätten keine Leistungspflichten der Beklagten mehr bestanden. Die allein erstattbaren Steuern und Gebühren wurden ausbezahlt. Eine Vorverlegung der Abflugzeit um mehr als eine Stunde, die einer Annullierung gleichgestellt werden könnte, habe nur beim Hinflug bereits am 22.09.2021 stattgefunden, wobei diese Änderung von den Klägern bestätigt und akzeptiert wurde. Es läge bei den Klägern allenfalls ein unbeachtlicher Rechtsfolgenirrtum vor. Eine Informationspflichtverletzung könne der Beklagten nicht zur Last gelegt werden, weil bereits bei der Buchung darauf hingewiesen wurde, dass eine Erstattung des Ticketpreises, abgesehen von nicht verbrauchten Steuern und Gebühren, nicht möglich ist.

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