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Pandemiebedingte Beschränkungen sind ein Reisemangel

Reiserecht | Lesezeit: ca. 8 Minuten

Eine Reisepreisminderung nach § 651 m BGB ergibt sich bereits aus pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen im Hotelbetrieb, weil ungezwungene soziale Interaktion mit anderen Reisenden Teil der Erholungsfunktion des Urlaubs ist.

Die Höhe der Minderung ist dabei zu differenzieren danach, ob für den Reiseveranstalter aus der Buchung erkennbar ein Einzelurlaub oder ein Familienurlaub vorlag. Wegen der besonderen Bedeutung sozialer Interaktionsmöglichkeit für den Einzelreisenden ergeben sich für diesen allein aus Kontaktbeschränkungen erhebliche Minderungsquoten.

Ist ein Pool jeweils zur selben Zeit nur durch ein Kind gleichzeitig nutzbar, stellt diese eine erhebliche Beeinträchtigung kindlicher Urlaubsbedürfnisse dar, weil kindliche Grundbedürfnisse sozialer Interaktion verletzt werden. Dies rechtfertigt eine Minderung von mindestens 10 % des Reisepreises.

Pandemiebedingte Beschränkungen stellen keine Realisierung des allgemeinen Lebensrisikos dar. Sie bestehen in gewissem Umfang auch im Heimatland, wirken sich aber in einer Urlaubssituation deutlich gravierender aus, als im Alltag, der anders als der Urlaub nicht grundsätzlich auf unbeschwerte Entspannung ausgerichtet ist.

Hierzu führte das Gericht aus:

Für die Frage der Minderung kommt es nicht darauf an, ob der Reiseveranstalter für die Einschränkungen des Hotelbetriebs verantwortlich ist oder nicht. Voraussetzung ist lediglich das Vorhandensein eines Mangels, selbst höhere Gewalt steht der Minderung nicht entgegen.

Die im Einzelnen beanstandeten Punkte gehen dabei über das Ausmaß typischer Alltagsbeeinträchtigungen, die ohne Minderung hinzunehmen sind, hinaus. Sie stellen auch keine Realisierung eines allgemeinen Lebensrisikos dar. Vielmehr ist die Höhe der Minderung zu bemessen nach der Relation zwischen dem vorgesehenen Nutzen der Reise als Erholungsurlaub und der Beeinträchtigung dieses Nutzens.

Dabei ergibt sich eine Beeinträchtigung ohne weiteres selbst ohne Beschränkungen des Hotelbetriebs allein aus den Abstandsgeboten und Hygienemaßnahmen.

Es ist typischerweise Inhalt des Urlaubs, frei mit anderen Gästen in Kontakt treten zu können und nicht andere Menschen meiden zu müssen. Bereits die Notwendigkeit, andere Menschen im Urlaub vorrangig nicht mehr als mögliche Kommunikationspartner anzusehen zu haben, sondern sie auf die Möglichkeit ihrer Infektiosität reduzieren zu müssen und daher unter Hintanstellung menschlicher Grundbedürfnisse Kontaktreduzierung zu betreiben, stellt eine erhebliche psychische Beeinträchtigung dar, die die Erholungswirkung eines Urlaubs regelmäßig beeinträchtigen wird.

Dabei spielt es keine Rolle, dass entsprechende Beschränkungen in gewissem Umfang auch im Alltag im Heimatland zur selben Zeit bestanden haben, weil es sich hierbei nicht um eine Urlaubssituation gehandelt hätte.

Ein Urlaub ist typischerweise ein Zeitraum der Unbeschwertheit, sowohl was den Ablauf des Alltags, als auch die ungezwungene Kontaktmöglichkeit mit anderen Gästen angeht. Wird man hingegen im Urlaub durch allgegenwärtige Hygienemaßnahmen praktisch vom Zeitpunkt des Aufstehens bis zum Zeitpunkt des Schlafengehens ständig daran erinnert, dass ein normaler Alltag den Menschen nicht einmal mehr im Urlaub gewährt ist, liegt hierin offensichtlich eine erhebliche Beeinträchtigung der Erholungsfunktion des Urlaubs, die bereits für sich genommen eine Minderung rechtfertigt.

Wie hoch die Minderung im Einzelfall ausfällt, dürfte dabei davon abhängen, ob es sich um eine Familienreise oder um eine Reise einer Einzelperson gehandelt hat.

Bei der Reise einer Einzelperson liegt es nahe, dass Kontaktbeeinträchtigungen zu anderen Gästen (wie z.B. die typische Möglichkeit, in einem Barbetrieb oder am Rande eines Pools ohne Abstandsgebote Kontakte zu anderen Reisenden knüpfen zu können) schon für sich genommen ganz erhebliche Minderungsquoten zur Folge haben können, weil eine derartige Situation die Erholungsfunktion des Urlaubs bereits im Keim erstickt.

Bei einer Familienreise hingegen ist zu berücksichtigen, dass Kontakte zu anderen Gästen nicht von so wesentlicher Bedeutung sind wie bei einem Einzelreisenden, weil hier schon innerhalb der Familie soziale Kontakte stattfinden können und die Kontaktmöglichkeit zu anderen Gästen daher nicht so zentral ist.

Dennoch rechtfertigen auch bei einem Familienurlaub allein schon Hygienemaßnahmen, die eine Isolierung bedeuten - wie die isolierte Nutzung des Speiseraums oder die auf Abstand ausgerichtete eingeschränkte Nutzung des Pools - schon ohne irgendwelche Wartezeiten oder sonstige zeitliche Beschränkungen eine Minderung im Bereich von 20%.

Dies gilt erst recht, wenn über die genannten Hygienemaßnahmen hinausgehend tatsächlich Bereiche des Hotels geschlossen waren.

Bereits die Schließung des Fitnessraums rechtfertigt allein bereits eine Minderung von etwa 10 %, das geschlossene Hallenbad rechtfertigt im Winter eine Minderung von etwa 10 %, mithin lässt sich im Sommer eine Quote von 5 % ansetzen.

Die erheblich eingeschränkte Nutzung des Außenpools, die es vorliegend insbesondere den Geschwistern durch die Beschränkung auf ein Kind unmöglich gemacht hat, diesen so zu nutzen, wie es kindlichen Urlaubswünschen entspricht, nämlich entsprechend jahrzehntelanger Selbstverständlichkeit den Pool in sozialer Interaktion untereinander sowie mit anderen Urlauberkindern zu nutzen, rechtfertigt eine weitere Minderung für sich genommen bereits von mindestens 10 %. Es stellt unzweifelhaft eine erheblichste Beeinträchtigung kindlicher Urlaubsbedürfnisse dar, wenn diese einen Pool entgegen sozialer Entwicklungsanforderungen faktisch in sozialer Isolierung von anderen Kindern zu benutzen haben.


AG Düsseldorf, 26.02.2021 - Az: 37 C 414/20

ECLI:DE:AGD:2021:0226.37C414.20.00

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