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Verkehrssicherungspflicht im Pferdestall: Betreiber haftet für Gefahrenquelle

Pferderecht | Lesezeit: ca. 9 Minuten

Der Betreiber eines gewerblichen Offenstalls haftet für Verletzungen eines eingestellten Pferdes, die durch nicht ausreichend gesicherte bauliche Elemente des Stalls verursacht werden.

Der Entscheidung lag der nachfolgende Sachverhalt zugrunde:

Die Klägerin ist Halterin und Eigentümerin eines aus Liebhaberei gehaltenen, am 27.04.2020 geborenen männlichen Fohlens mit dem Rufnamen „Manolo“.

Die Beklagte betreibt gewerblich einen Pferde-Pensionsstall, der auch eine Offenstallhaltung umfasst.

„Manolo“ wurde zusammen mit einer Gruppe von insgesamt acht anderen Pferden, bestehend aus drei ebenfalls zweijährigen Junghengsten und fünf Wallachen, im Jahr 2022 bei der Beklagten im Offenstall eingestellt. Insoweit wurde mündlich ein Pferdeeinstellungsvertrag zwischen den Parteien zu einem Preis von 140 € monatlich geschlossen.

Am 16.04.2022 erlitt der Junghengst „Manolo“ einen Unfall. Er stürzte über ein aus dem Betonsockel eines Dachträgers etwa 20 cm herausragendes Flacheisen (rund 3 cm breit und 0,6 cm stark), das dabei in seinen Bauch eindrang.

Der Dachträger in Gestalt eines Holzpfahls, der die (überwiegende) Dachlast tragen sollte, war zu diesem Zeitpunkt beidseits nicht mit den im Betonsockel eingelassenen Flacheisen verbunden. Der Pfosten verschob sich deshalb vor dem Unfall des Pferdes durch eine Kollision mit einem spielenden Pferd, wodurch die Flacheisen freigelegt wurden.

Bereits in der Vergangenheit rieben sich eingestellten Pferde häufig an diesem Balken, ohne dass sich dieser hierdurch verschob, was der Beklagten bekannt war.

Das Pferd erlitt hierdurch eine perforierende Bauchwunde. Aufgrund der Schwere der Verletzung wurde das Tier unmittelbar in eine Tierklinik verbracht, wo es untersucht und behandelt wurde. Für die dortige Behandlung sind tierärztliche Kosten i. H. v. 9.047,63 € angefallen.

Die Klägerin trägt vor, die nicht miteinander verbundenen Flacheisen und der Pfosten hätten eine Gefahrenquelle dargestellt, die eine Verkehrssicherungspflicht ausgelöst habe.

Der Balken habe letztendlich keine tragende Funktion mehr ausüben können, weil er am unteren Ende morsch gewesen sei und deshalb keine hinreichende Stabilität mehr aufgewiesen habe. Er sei zudem an seinem Fuß zur Seite beweglich gewesen.

Es habe sich der Beklagten daher aufdrängen müssen, dass der nicht fixierte Pfosten bei Kontakt mit Pferden nachgebe und dann eine Sturzgefahr für sich anlehnende Pferde bestehe.

Zudem habe die Beklagte auch mit einem Spiel oder Rangkampf der jungen Hengste rechnen müssen. Sie verlangt Ersatz der entstandenen Tierarztkosten und ihrer außergerichtlich entstandenen Anwaltskosten.

Die Beklagte beantragt Klageabweisung. Sie trägt vor, der Pfosten sei ausreichend dimensioniert gewesen sodass ein willkürliches Verschieben praktisch nicht möglich gewesen sei, jedenfalls habe sie hiermit nicht rechnen müssen.

Der Balken habe sich lediglich durch ein wildes Spiel der jungen Hengste mit übermäßiger Kraftentfaltung verschieben können. Insbesondere auch hiermit habe die Beklagte nicht rechnen können und müssen.

Das Landgericht Koblenz hat der Klage stattgegeben.

Dem Grunde nach ergibt sich der klägerseits geltend gemachte (Schadensersatz-)Anspruch aus den §§ 280 I, 241 II BGB und aus § 823 I BGB aufgrund der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagte.

Dadurch, dass die Beklagte in dem von ihr betriebenen Pferdestall, in dem das dort verletzte Pferd der Klägerin vereinbarungsgemäß untergestellt war, den Pfosten nebst Flacheisen nicht gesichert hat, hat sie ihre Nebenpflichten aus dem Vertrag, aufgrund dessen sie auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen der Beklagten Rücksicht zu nehmen hatte (§ 241 II BGB), fahrlässig und somit schuldhaft verletzt.

Gleichermaßen hat sie sich durch diese Verkehrssicherungspflichtverletzung auch gem. § 823 I BGB für die hierdurch eingetretene Verletzung des Pferdes zu verantworten, das gem. § 90a BGB zwar keine Sache ist, aber gleichwohl im Eigentum der Klägerin steht.

Als Inhaberin der tatsächlichen Sachherrschaft am streitgegenständlichen Stall war die Beklagte für die in diesem befindlichen Gefahrenquellen verantwortlich.

Eine solche Gefahrenquelle lag hier bereits dadurch vor, dass der gegenständliche Holzpfosten nicht mit dem Flacheisen verbunden war, an dem sich das Pferd der Klägerin schließlich verletzte, ohne dass es auf die Frage ankommt, ob dies nicht bereits aus statischen Gründen erforderlich war.

Das vorgelegte Lichtbild verdeutlicht, dass die Flacheisen bereits ohne Einwirkung auf den Holzpfosten leicht in den Raum hin abstanden, der Pfosten selbst keinen Bodenkontakt und zudem Abstand zu den Flacheisen hatte sowie der Boden in der Nähe durch Unebenheiten geprägt war. In dieser Situation musste sich eine Verletzungsgefahr für die sich dort bestimmungsgemäß aufhaltenden Pferde bereits durch die nicht fixierten Flacheisen gerade zu aufdrängen.

Ein Pferd, das in der Nähe und in Richtung dieser – aus welchem Grund auch immer – gestürzt wäre, hätte sich beinahe zwangsläufig erheblich an diesen verletzen können.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Pfosten nach dem – insoweit streitigen – Beklagtenvorbringen lediglich mit „übermäßiger Kraft“ der Pferde bewegt werden konnte, wodurch die Flacheisen vollends freigelegt wurde.

Ein völlig atypischer, gänzlich außerhalb der Vorstellungskraft liegender Sachverhalt ist nicht ersichtlich und letztlich auch schon dadurch ausgeschlossen, dass es den spielenden Pferden gelungen ist, den Pfosten zu verschieben. Jedenfalls bei der Anzahl an Tieren, ihrem Gewicht, ihrer Kraft und in Relation zum hohen Gefahrenpotential der beiden frei stehenden Flacheisen musste ernsthaft damit gerechnet werden, dass der Pfosten - ggf. auch erst durch mehrere Tiere in einer dynamischen Situation - verschoben werden kann und die Gefahrenquelle dann vollends freiliegt.

Zwar ist unstreitig, dass bereits vor dem Unfall wiederholt Pferde auf den Pfosten eingewirkt und sich vor allem an diesem gerieben haben, ohne dass sich der Pfosten hierdurch verschoben hat. Dies erlaubte jedoch nicht den angeblich durch die Beklagte gezogenen Schluss, dies sei praktisch nicht möglich gewesen, der ebenfalls durch den Unfallhergang widerlegt ist.

Nur weil der Balken jeweils einem sich hieran reibenden Pferd standgehalten hat, macht dies ein Nachgeben desselben gegenüber dem Gewicht und der Kraft mehrerer Pferde etwa im Spiel nicht unwahrscheinlich. Vielmehr hätte im Gegenteil spätestens das unstreitig wiederholte Wahrnehmen eines zielgerichteten Kontakts zwischen Pferden und ungesichertem Pfosten die Beklagte zu entsprechenden Sicherungsmaßnahmen veranlassen müssen.


LG Koblenz, 02.10.2025 - Az: 4 O 305/22

Quelle: PM des LG Koblenz

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