Der erforderliche hinreichend substantiierte Sachvortrag des Mieters zu einer gesundheitlichen Härte im Sinne von
§ 574 Abs. 1 Satz 1 BGB kann insbesondere - muss aber nicht stets - durch Vorlage eines (ausführlichen) fachärztlichen Attests untermauert werden.
Vielmehr kann im Einzelfall auch eine (ausführliche) Stellungnahme eines - bezogen auf das geltend gemachte Beschwerdebild - medizinisch qualifizierten Behandlers geeignet sein, den Sachvortrag des Mieters zu untermauern, auch wenn diese nicht von einem Facharzt erstellt worden ist. Dabei kommt es auf die konkreten Umstände, insbesondere den konkreten Inhalt des (ausführlichen) Attests an.
Der Entscheidung lag der nachfolgende Sachverhalt zugrunde:
Der Beklagte zu 1 ist seit Dezember 2006 Mieter einer Wohnung der Klägerin in Berlin. Die Beklagte zu 2 ist seine
Untermieterin. Am 30. April 2020 erklärte die Klägerin die Kündigung des Mietverhältnisses wegen
Eigenbedarfs zum 31. Januar 2021.
Der Beklagte zu 1 widersprach der Kündigung unter Vorlage einer „Stellungnahme über Psychotherapie“ seines - sich als Psychoanalytiker bezeichnenden - Behandlers vom 20. November 2020. In der Stellungnahme, in deren Briefkopf die Tätigkeitsfelder des Behandlers unter anderem als „Psychoanalyse“ und „Psychotherapie (HPG)“ bezeichnet sind, heißt es im Wesentlichen, seit Mitte Oktober 2020 fänden regelmäßig einmal wöchentlich psychotherapeutische Sitzungen mit dem Patienten (dem Beklagten zu 1) statt. Er leide an einer akuten Depression und emotionaler Instabilität verbunden mit Existenzängsten, die ihn zeitweise arbeitsunfähig machten. Ein Umzug führe mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer deutlichen Verschlechterung des Krankheitsbildes.
Das Amtsgericht hat der auf
Räumung und Herausgabe der Wohnung gerichteten Klage stattgegeben. Es hat - was in den Rechtsmittelinstanzen nicht im Streit steht - Eigenbedarf der Klägerin an der Wohnung festgestellt. Einen Anspruch des Beklagten zu 1 auf Fortsetzung des Mietverhältnisses nach Maßgabe des § 574 BGB hat das Amtsgericht verneint. Dazu hat es im Wesentlichen ausgeführt, es sei nicht dargetan, in welchem Umfang und mit welchen Folgen sich die behauptete - und vom Amtsgericht unterstellte - schwere Depression des Beklagten zu 1 durch einen Umzug verschlechtere.
Das Landgericht hat auf die Berufung der Beklagten in einem Hinweisbeschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO im Wesentlichen ausgeführt, eine dem Beklagten zu 1 im Falle des Wohnungswechsels drohende schwerwiegende Gesundheitsgefahr sei nicht hinreichend konkret dargelegt. Der Mieter genüge seiner Darlegungs- beziehungsweise Substantiierungslast dann, wenn er unter Vorlage eines (ausführlichen) fachärztlichen Attests geltend mache, ihm sei ein Umzug wegen einer schweren Erkrankung nicht zuzumuten. Hier fehle es bereits an der Vorlage eines fachärztlichen Attests. Die Beklagten hätten lediglich eine Stellungnahme eingereicht, welche nicht von einem (Fach-)Arzt, sondern von einem „Psychoanalytiker“ erstellt worden sei. Mangels hinreichend konkreten Vortrags zu der behaupteten Verschlechterung des gesundheitlichen Zustands des Beklagten zu 1 im Falle eines Wohnungswechsels sei dem Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens daher nicht nachzugehen.
Die Beklagten haben daraufhin eine „Stellungnahme über Psychotherapie“ des Behandlers des Beklagten zu 1 zu den Gerichtsakten gereicht. Dort heißt es unter anderem, für den Beklagten zu 1 seien Suizidgedanken der einzige Ausweg in den regelmäßigen Episoden seiner manischen Depression. Die Behandlung stehe am Beginn eines langen Gesundungsprozesses. Ein Verlust seines Lebensmittelpunkts könne mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Verzweiflungstat führen, die gegebenenfalls in einem Suizid enden könne.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht die Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
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