Die Antragstellerin ist Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft ... Sie behauptet
Wasserschäden in ihrer Sondereigentumseinheit. Die Antragstellerin möchte im Wege eines selbständigen Beweisverfahrens die sachverständige Begutachtung des Wasserschadens und die Ermittlung seiner Ursachen gerichtlich durchsetzen.
Damit begehrt die Antragstellerin eine Maßnahme, die noch nicht zur Abstimmung der Eigentümerversammlung gestanden hat. Zu einer ordnungsmäßigen, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer entsprechenden Verwaltung gehört insbesondere die ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums (
§ 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG). Wenn Schäden am Gemeinschaftseigentum oder Schäden im Sondereigentum eines Wohnungseigentümers auftreten, deren Ursache in Mängeln des Gemeinschaftseigentums liegen kann, entspricht es ordnungsmäßiger Verwaltung im Sinne von § 21 Abs. 4 WEG, die Ursachen umgehend durch einen Sachverständigen feststellen zu lassen. Der Verwalter ist verpflichtet, das hierzu Erforderliche zu veranlassen, also in der Regel einen Beschluss der Eigentümer herbeizuführen. Jeder Wohnungseigentümer hat in einer solchen Lage Anspruch auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens. Die Entscheidung über das „Ob“ und „Wie“ von Instandsetzungsmaßnahmen ist jedoch gemäß § 21 Abs. 1 und 3 WEG der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer vorbehalten. Soweit es um die Mitwirkung der übrigen Wohnungseigentümer an einer ordnungsmäßigen Verwaltung geht, muss sich der Kläger vor der Anrufung des Gerichts um die Beschlussfassung der Versammlung bemühen, weil einer Klage sonst das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Gleiches muss grundsätzlich für den Antrag auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens gelten.
Einer anderen Auffassung folgt seit 2016 die 1. Kammer des Landgerichts München I.
Im Beschluss vom 18.07.2016 (Az: 1 T 7429/16 WEG) hob das Landgericht München I die Entscheidung des Amtsgerichts München vom 21.04.2016 (Az: 482 H 738/16), auf und führte zur Begründung unter anderem aus:
„Der Antrag auf Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens kann auch nicht mit der Begründung abgelehnt werden, es fehle an der erforderlichen Vorbefassung der Eigentümerversammlung. Eine solche sieht § 485 Absatz 2 ZPO als Voraussetzung für die Erholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens nicht vor. Einer Vorbefassung der Eigentümer bedarf es vielmehr grundsätzlich nur dann, wenn es um Maßnahmen der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums geht, weil hierfür gemäß § 21 Absatz 1, 3 WEG die Eigentümer gemeinschaftlich zuständig ist und das ihnen in diesem Rahmen zustehende Ermessen grundsätzlich nicht durch eine gerichtliche Entscheidung vorweggenommen werden soll. Bei der beantragten Beweiserhebung geht es hingegen nicht um eine Maßnahme der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums, da die Entscheidung ob und gegebenenfalls welche Maßnahmen hinsichtlich der Heizungsanlage ergriffen werden, nach wie vor bei den Eigentümern verbleibt, das Gutachten vielmehr allein der Feststellung des aktuellen Zustands der Heizungsanlage sowie der Ursachen etwaiger Schäden und Mängel hieran und der Möglichkeiten zu deren Behebung dient, ohne insoweit eine Entscheidung der Eigentümer vorweg zu nehmen.
Den Antragsgegnern entsteht durch die Durchführung des selbstständigen Beweisverfahrens auch kein erheblicher Nachteil. Eine Belastung mit Kosten durch das selbstständige Beweisverfahren können sie gegebenenfalls mit einem Antrag nach § 494 a ZPO abwenden. Sie müssten eine Belastung mit Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens dann fürchten, wenn sie tatsächlich erforderliche Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen zumindest fahrlässig nicht durchgeführt haben bzw. nicht durchführen. In diesem Fall wäre es aber auch nicht unbillig, dass sie mit Kosten belastet werden.“
In einem weiteren Beschluss des Landgerichts München I vom 25.07.2016 (Az: 1 T 10029/16 WEG) wird ferner ausgeführt:
„Das selbstständige Beweisverfahren stellt (...) kein solches unmittelbares gerichtliches Geltendmachen eines Anspruchs dar, für welches mangels Vorbefassung das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. (...) Denn das selbstständige Beweisverfahren führt nicht zu einer die Entscheidungsautonomie der Eigentümer übergehenden gerichtlichen Entscheidung. Das Beweisverfahren dient lediglich der Beweissicherung und etwaigen Streitvermeidung.
Die Erholung eines Sachverständigengutachtens zu den von Antragstellerseite behaupteten Schäden kann durchaus dazu dienen, einen Rechtsstreit zu vermeiden. Insbesondere kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass bei Feststellung der Schäden durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen die Eigentümer entsprechend reagieren. Ebenso erscheint es naheliegend, dass dann, wenn der Sachverständige die vom Antragsteller behaupteten Mängel und/oder Ursachen nicht bestätigen kann, der Antragsteller von der Einleitung weiterer rechtlicher Schritte und einer etwaigen Klageerhebung absehen wird.“
Dieser Auffassung folgt das Gericht nicht.
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