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Räumung: Hat der Mieter bei Krankheit Vollstreckungsschutz?

Mietrecht | Lesezeit: ca. 13 Minuten

Eine von der Eigentümergemeinschaft betriebene Zwangsvollstreckung gegen einen mit einem ganz erheblichen Betrag rückständigen Eigentümer kann vom Gericht eingestellt werden, wenn durch die Zwangsvollstreckung eine lebensgefährliche Situation für den akut herzinfarktgefährdeten Eigentümer entstehen kann.

Es ist eine Abwägung zwischen dem finanziellen Interesse und den gesundheitlichen Risiken zu treffen, wobei auch Auflagen wie beispielsweise eine amtsärztliche Untersuchung und intensive ärztliche Behandlung gemacht werden können.

Anmerkung AnwaltOnline:

Die Grundsätze, die das BVerfG aufgestellt hat, werden auch auf Räumungsvollstreckungen gegen kranke Mieter anwendbar sein.

Der Entscheidung lag der nachfolgende Sachverhalt zugrunde:

Die Verfassungsbeschwerde betrifft zivilgerichtliche Entscheidungen in einem Zwangsversteigerungsverfahren.

1. Der Beschwerdeführer ist Eigentümer einer Eigentumswohnung, die auf Betreiben von zwei Banken, des Finanzamts und der Eigentümergemeinschaft unter anderem wegen rückständiger Wohngelder zwangsversteigert werden soll.

Der Beschwerdeführer leidet an einer koronaren Herzgefäßerkrankung, der Herzmuskel ist infarktgeschädigt. Seit etwa 1997 wird eine fortschreitende Arteriosklerose (Kalkablagerungen in den Blutgefäßwänden) diagnostiziert.

Im Zwangsversteigerungsverfahren beantragte der Beschwerdeführer im Dezember 2002 beim Amtsgericht, die Zwangsversteigerung gemäß § 765 a ZPO auf Dauer ohne Auflagen einzustellen. Zur Begründung verwies er auf seinen lebensbedrohlichen Gesundheitszustand und legte ein internistisch-kardiologisches Gutachten vom Februar 2002 vor. In dem Gutachten ist ausgeführt, dem Beschwerdeführer gehe es schlecht. Die beschriebenen Brustschmerzen müssten als Vorboten eines Herzinfarktes gewertet werden. Es sei zu erwarten, dass sich während der öffentlichen Zwangsversteigerung beim Patienten ein lebensbedrohlicher Stress akut aufbaue. Es müsse ärztlicherseits dringend davor gewarnt werden, diesen kranken Menschen einer solchen akuten Gefährdung (hypertensive Krise, plötzlicher Herztod oder tödlicher Schlaganfall) auszusetzen. Der Antrag hatte keinen Erfolg.

Das Landgericht wies die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers zurück. Zur Begründung heißt es, die Kammer habe bereits darauf hingewiesen, dass eine Verfahrenseinstellung trotz der Erkrankung des Beschwerdeführers nicht in Betracht komme, falls dieser weiterhin die Wohngelder nicht zahle. Der Wohngemeinschaft sei es nämlich nicht zuzumuten, auf Dauer hinzunehmen, dass die Wohngelder auf die Gemeinschaft umgelegt werden müssten. Einer Einstellung der Zwangsvollstreckung stehe insofern ein überwiegendes Interesse dieser Gläubigerin an der Zwangsvollstreckung, hinter dem - bei der vorzunehmenden Abwägung - auch die Gefahr der Verschlimmerung einer lebensbedrohlichen Erkrankung zurücktreten müsse, entgegen. Ein besonderer Härtefall liege nämlich dann nicht vor, wenn der Schuldner nicht bereit sei, mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln an der Befriedigung der Gläubiger mitzuwirken. Der Beschwerdeführer habe seine in der mündlichen Verhandlung im Oktober 2000 gegebene Zusage, ab November 2000 pünktlich die laufenden Wohngelder zu bezahlen, nicht eingehalten. Der Wohngeldrückstand belaufe sich inzwischen auf rund 21.000 €. Dem könne der Beschwerdeführer nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass es seinen Gläubigern nur um das Geld gehe und dieses Interesse in jedem Falle vor seinem Interesse am Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit zurücktreten müsse. Der Beschwerdeführer könne sich auch nicht darauf berufen, dass er auf Grund seiner finanziellen Lage außer Stande sei, das Wohngeld zu zahlen. Er erhalte eine Rente, die oberhalb des Sozialhilferegelsatzes liege. Dem Beschwerdeführer sei darüber hinaus mehrfach die Gelegenheit eingeräumt worden, die Wohnung freihändig zu verkaufen. So sei bereits mit Beschluss von 26. November 1999 das Verfahren einstweilen mit der Auflage eingestellt worden, dass der Beschwerdeführer einen Vertrag über den Verkauf der Wohnung vorlegen möge. In der mündlichen Verhandlung im Oktober 2000 habe sich der Beschwerdeführer verpflichtet, einen Makler mit der Veräußerung der Wohnung zu beauftragen. Dennoch habe er seit nunmehr fast vier Jahren keinen Verkauf herbeigeführt.

2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Entscheidungen des Amtsgerichts und des Landgerichts und rügt eine Verletzung des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Unter Vorlage eines aktuellen ärztlichen Gutachtens macht der Beschwerdeführer geltend, im Falle der Durchführung der Zwangsversteigerung drohe ihm ein letaler Herzinfarkt. Das Landgericht habe sein Grundrecht auf Leben und Gesundheit fehlerhaft gewichtet. Er habe inzwischen die Überweisung des Wohngeldes veranlasst.

Der Beschwerdeführer hat außerdem beantragt, im Wege der einstweiligen Anordnung den Termin zur Zwangsversteigerung am 26. September 2003 aufzuheben.

3. Von einer Anhörung der weiteren Beteiligten des Ausgangsverfahrens hat die Kammer wegen der besonderen Eilbedürftigkeit der Sache abgesehen.

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