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Voraussetzungen und Verjährung von Ansprüchen auf weitere Zinsbeträge aus Prämiensparverträgen

Geld & Recht | Lesezeit: ca. 17 Minuten

Der Bundesgerichtshof hat im Rahmen einer Musterfeststellungsklage über verschiedene Voraussetzungen und über die Verjährung von Ansprüchen auf weitere Zinsbeträge aus Prämiensparverträgen entschieden.

Der Entscheidung lag der nachfolgende Sachverhalt zugrunde:

Der Musterkläger ist ein seit über vier Jahren als qualifizierte Einrichtung in die Liste nach § 4 UKlaG eingetragener Verbraucherschutzverband. Die beklagte Sparkasse schloss seit den 1990er-Jahren mit Verbrauchern sogenannte Prämiensparverträge ab, die eine variable Verzinsung der Spareinlage und ab dem dritten Sparjahr eine der Höhe nach - bis zu 50% ab dem 15. Sparjahr - gestaffelte verzinsliche Prämie vorsehen. Die Vertragsformulare enthielten keine konkreten Bestimmungen zur Änderung des variablen Zinssatzes.

Der Musterkläger hält die Regelungen zur Änderung des variablen Zinssatzes für unwirksam und die während der Laufzeit der Sparverträge von der Musterbeklagten vorgenommene Verzinsung für zu niedrig. Er begehrt mit seiner Musterfeststellungsklage unter anderem die Feststellung der Unwirksamkeit der Zinsanpassungsklausel, die Bestimmung eines Referenzzinses für die Sparverträge sowie die Feststellungen,

dass der Musterbeklagten formularmäßig ein ordentliches Kündigungsrecht aus Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen nicht zusteht, sofern die Sparer der Neufassung dieser Kündigungsklausel nicht aktiv zugestimmt haben (Feststellungsziel III. 1. c)),

dass die Erklärung der Musterbeklagten in ihren Kündigungsschreiben zu den Sparverträgen so auszulegen ist, dass die Kündigungen ausschließlich auf Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen gestützt worden sind (Feststellungsziel III. 1. d)),

dass bei der Zinsanpassung das relative Verhältnis zwischen dem bei Vertragsschluss vereinbarten variablen Zins und dem im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ermittelten Referenzzins zu wahren sowie zu berücksichtigen ist, dass ein negativer vertraglicher Zinssatz ausgeschlossen ist (Feststellungsziel III. 6. a)),

dass der Anspruch auf weitere Zinsbeträge derselben Verjährung unterliegt wie der Anspruch auf Auszahlung der Spareinlage, und dass die Verjährung frühestens mit dem Zeitpunkt der wirksamen Beendigung des Sparvertrags beginnt (Feststellungsziel III. 7.) und

dass die in einigen Sparverträgen verwendete formularmäßige Bestimmung einer Laufzeit von 1188 Monaten zur Folge hat, dass das ordentliche Kündigungsrecht der Musterbeklagten für diesen Zeitraum ausgeschlossen ist (Feststellungsziel III. 10. b)).

Das Vorgericht hat festgestellt, dass die Erklärung der Musterbeklagten in ihren Kündigungsschreiben nicht als außerordentliche Kündigung ausgelegt werden kann, (Feststellungsziel III. 1. d)). Als Referenzzins hat es für Sparverträge, die ab dem Jahr 2020 geschlossen worden sind, die von der Deutschen Bundesbank aus der Zinsstruktur abgeleiteten Renditen für Bundeswertpapiere mit Restlaufzeiten von 15 Jahren, für Sparverträge, die ab September 1993 geschlossen worden sind, die Umlaufsrenditen inländischer Bundeswertpapiere mit einer Restlaufzeit von über 8 bis 15 Jahren (ehemalige Zeitreihe WU 9554 der Deutschen Bundesbank) und für Sparverträge, die vor September 1993 geschlossen worden sind, die von der Deutschen Bundesbank aus der Zinsstruktur abgeleiteten Renditen für Bundeswertpapiere mit Restlaufzeiten von 10 Jahren bestimmt. Es hat außerdem festgestellt, dass die Zinsanpassung unter Wahrung des absoluten Abstands zwischen dem bei Vertragsschluss vereinbarten variablen Zins und dem Referenzzins vorzunehmen ist, und dass der vertragliche Zinssatz nicht negativ werden kann. Den Feststellungszielen III. 7. und III. 10. b) hat es stattgegeben. Im Übrigen hat es die Musterfeststellungsklage zurückgewiesen.

Mit der Revision verfolgt der Musterkläger die Feststellung der Unwirksamkeit der Zinsanpassungsklausel sowie die Feststellungsziele III. 1. c), III. 1. d), III. 3. d) und III. 6. a) weiter, soweit das Vorgericht zu seinem Nachteil erkannt hat. Er begehrt einen einheitlichen Referenzzins für den gesamten Zeitraum. Die Musterbeklagte verfolgt mit der Revision ihren Antrag auf vollständige Zurückweisung der Feststellungsziele III. 1. d), III. 7. und III. 10. b) weiter und beanstandet die vom Vorgericht vorgenommene Bestimmung des Referenzzinses für die im Zeitraum von September 1993 bis zum Jahr 2020 geschlossenen Sparverträge.

Die Entscheidung des BGH:

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass das Feststellungsziel, mit dem der Musterkläger die Unwirksamkeit der Zinsanpassungsklausel festgestellt wissen möchte, unzulässig ist, weil insoweit kein Klärungsbedarf mehr besteht.

Der Senat hat bereits im Jahr 2004 entschieden (Az: XI ZR 140/03), dass Zinsanpassungsklauseln der vorliegenden Art unwirksam sind. Die Musterbeklagte teilt diese Ansicht.

Das Feststellungsziel III. 1. c) ist unbegründet, weil es zu weit gefasst ist. Es ist darauf gerichtet, festzustellen, dass die Musterbeklagte die Kündigungsklausel nach Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen im Wege der Zustimmungsfiktion nach Nr. 2 AGB-Sparkassen in der bis Oktober 2020 geltenden Fassung nicht wirksam in die Sparverträge einbezogen hat, wenn der Verbraucher der Einbeziehung der neuen Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht „aktiv“ zugestimmt hat. Nach der maßgebenden Auslegung sind unter „aktiver“ Zustimmung ausschließlich ausdrückliche Zustimmungen der Verbraucher zu verstehen. Für eine wirksame Einbeziehung der neuen Kündigungsklausel in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Musterbeklagten genügt allerdings auch ein konkludentes, d.h. ein schlüssiges Verhalten, der Verbraucher, wenn es einen entsprechenden Erklärungsinhalt hat. Der Musterbeklagten steht folglich gegenüber Verbrauchern ein ordentliches Kündigungsrecht aus Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen auch dann zu, wenn der Verbraucher seine Zustimmung zur Einbeziehung der neugefassten Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht „aktiv“ erklärt, sondern wenn er der Einbeziehung durch konkludentes Verhalten zugestimmt hat. Damit ist die mit dem Feststellungsziel III. 1. c) begehrte Feststellung zu weit gefasst, weil sie konkludente Zustimmungen der Verbraucher nicht in den Blick nimmt.

Das Feststellungsziel III. 1. d) ist unzulässig, weil die mit ihm verbundene Frage nicht verallgemeinerungsfähig ist. Im Musterfeststellungsverfahren können nur verallgemeinerungsfähige Tatsachen oder Rechtsfragen geklärt werden. Hierzu zählt die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen, nicht aber von Individualerklärungen. Einseitige Rechtsgeschäfte - wie etwa Kündigungserklärungen - enthalten keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen, weil der Erklärende keine fremde, sondern ausschließlich eigene rechtsgeschäftliche Gestaltungsmacht in Anspruch nimmt. Die Auslegung der Kündigungserklärung der Musterbeklagten ist folglich in Individualklageverfahren zwischen Verbrauchern und der Beklagten vorzunehmen.

Die vom Vorgericht im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung bestimmten Referenzzinsen sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (Feststellungsziel III. 3. d)). Nach den Vorgaben des Senats muss der vom Tatgericht zu bestimmende Referenzzins in öffentlich zugänglichen Medien abgebildet und von unabhängigen Stellen nach einem genau festgelegten Verfahren ermittelt sein. Er darf die Bank zudem nicht einseitig begünstigen. Die in den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Zinssätze genügen diesen Anforderungen. Unter den Bezugsgrößen des Kapitalmarkts ist diejenige oder eine Kombination derjenigen auszuwählen, die dem konkreten Geschäft möglichst nahekommt. Da die Sparverträge angesichts der Ausgestaltung der Prämienstaffel auf ein langfristiges Sparen bis zum Ablauf des 15. Sparjahres ausgerichtet sind, sind als Referenz die in den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Zinssätze oder Umlaufsrenditen zugrunde zu legen, die einer Laufzeit von 15 Jahren möglichst nahekommen. Dabei hat der als Referenz heranzuziehende Marktzinssatz oder die als Referenz heranzuziehende Umlaufsrendite widerzuspiegeln, dass es sich bei den streitgegenständlichen Sparverträgen um eine risikolose Anlageform handelt. Die vom Vorgericht mit sachverständiger Hilfe bestimmten Referenzzinsen genügen diesen Anforderungen.

Das Feststellungsziel III. 6. a) ist begründet. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats muss bei den vorzunehmenden Zinsanpassungen das Verhältnis des bei Vertragsabschluss vereinbarten Zinssatzes zum Referenzzins gewahrt bleiben und nicht eine gleichbleibende absolute Gewinnmarge (sog. Verhältnismethode). Die Anwendung der Verhältnismethode entspricht bei der maßgebenden objektiv-generalisierenden Sicht den typischen Vorstellungen der Vertragsparteien bei Vertragsschluss. Sie wahrt das Äquivalenzprinzip, indem sie gewährleistet, dass günstige Zinskonditionen günstig bleiben und ungünstige auch ungünstig bleiben dürfen. Unerheblich ist der Einwand, der Musterbeklagten sei eine Ausrichtung des internen Risikomanagements auf die mit der Verhältnismethode verbundenen Zinsänderungsrisiken nicht möglich. Das Aufsichtsrecht hat keinen Einfluss auf die Vertragsparität. Darüber hinaus hat sich der aufsichtsrechtliche Einwand gegen die Verhältnismethode in der Praxis als unbegründet erwiesen, nachdem verschiedene Kreditinstitute die Vorgabe der Senatsrechtsprechung, die Zinsberechnungen nach der Verhältnismethode durchzuführen, umgesetzt haben. Das aufsichtsrechtliche Argument verfängt auch deswegen schon nicht, weil die weiteren Zinsbeträge, die im Rahmen der Sparverträge von den Sparkassen an die Verbraucher nachzuzahlen sind, lediglich einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum betreffen. Gegenwärtige Zinsänderungsrisiken, die aufsichtsrechtlich erfasst werden müssen, sind mit den nachträglich vorzunehmenden Zinsanpassungen nicht verbunden.

Die gegen die Zinsanpassung nach der Verhältnismethode weiter vorgebrachten mathematischen Argumente geben dem Senat ebenfalls keinen Anlass, seine gefestigte Rechtsprechung zu ändern. Soweit geltend gemacht wird, es sei unzutreffend, dass die Verhältnismethode den Sparer davor schütze, dass der Vertragszins negativ werde, hat der Senat bereits klargestellt, dass ein negativer Vertragszins bei Anwendung der Verhältnismethode zwar aus mathematischer Sicht nicht ausgeschlossen ist. Anders als bei Anwendung der Differenzmethode, bei der der bei Vertragsschluss bestehende absolute Abstand zwischen dem Vertragszins und dem Referenzzins im Rahmen der Zinsanpassungen beibehalten wird, bleibt der Vertragszins, wenn er nach der Verhältnismethode berechnet wird, aber stets positiv, wenn der Referenzzins positiv ist. Prämiensparverträgen ist eine Zinsuntergrenze von 0% immanent, so dass ein negativer Vertragszins in den vorliegenden Sparverträgen aus rechtlichen Gründen von vornherein ausgeschlossen ist. Die Gegenauffassung verkennt, dass es vorliegend um eine für die Vertragsparteien angemessene Zinsanpassung im Rahmen einer ergänzenden Vertragsauslegung geht und nicht um eine „streng mathematische Lösung“.

Das Feststellungsziel III. 7. ist begründet. Die Fälligkeit des Anspruchs auf (weitere) Zinsgutschriften ist hinausgeschoben, bis der Verbraucher einen solchen Anspruch geltend macht, längstens jedoch bis zum Zeitpunkt der Fälligkeit des Anspruchs auf Auszahlung der weiteren Zinsbeträge mit Beendigung des Sparvertrags. Die dem Verbraucher eingeräumte Möglichkeit, über gutgeschriebene Zinsen innerhalb von zwei Monaten nach einer Zinsgutschrift zu verfügen, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Denn diese Verfügungsmöglichkeit betrifft nur tatsächlich gutgeschriebene Zinsen, nicht aber die weiteren Zinsbeträge, die sich aus der ergänzenden Vertragsauslegung und Neuberechnung ergeben. Solche Mehrbeträge, die der Spareinlage gutzuschreiben sind, werden mit der Gutschrift selbst zur Spareinlage. Nur eine einheitliche Fälligkeit des Anspruchs auf Rückzahlung des angesparten Kapitals einschließlich der tatsächlich gutgeschriebenen Zinsen einerseits und des Anspruchs auf Zahlung der weiteren bislang nicht gutgeschriebenen Zinsbeträge andererseits wird der berechtigten Erwartungshaltung des Kunden gerecht.

Das Feststellungsziel III. 10. b) ist ebenfalls begründet. Die Klausel ist nach ihrem eindeutigen Wortlaut dahin zu verstehen, dass die Vertragslaufzeit 1188 Monate, mithin 99 Jahre, beträgt und damit das Recht der Musterbeklagten zur ordentlichen Kündigung für diesen Zeitraum, also auch noch nach Erreichen der höchsten Prämienstufe, ausgeschlossen sein soll. Die Frage, ob ein Verbraucher und die Musterbeklagte die Klausel im Einzelfall übereinstimmend abweichend von ihrem objektiven Sinn verstanden haben, kann nur im Rahmen von Individualklageverfahren zwischen Verbrauchern und der Musterbeklagten beantwortet werden.


BGH, 23.09.2025 - Az: XI ZR 29/24

Quelle: PM des BGH

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