Eine schwere postoperative Komplikation kann auch dann eine unerwartete Erkrankung im Sinne der
Reiserücktrittsversicherung darstellen, wenn sie im Zusammenhang mit einer bekannten Grunderkrankung steht. Entscheidend ist, ob der Eintritt der Komplikation nach objektiver Betrachtung überwiegend wahrscheinlich war. Eine Obliegenheitsverletzung liegt nicht vor, wenn die
Stornierung der Reise erst nach Ablauf einer angemessenen Prüfungs- und Überlegungsfrist erfolgt.
Der Eintritt des Versicherungsfalls richtet sich nach den Versicherungsbedingungen, wonach im zu entscheidenden Fall eine unerwartete schwere Erkrankung eines nahen Angehörigen die Zumutbarkeit des planmäßigen Reiseantritts entfallen lässt. Eine postoperative Verschlechterung ist als eigenständige Erkrankung anzusehen, wenn sie nicht dem Fachgebiet der ursprünglichen Operation zuzuordnen ist und nach den Umständen des Einzelfalls nicht mit einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu erwarten war. Maßgeblich ist die Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers ohne medizinische Spezialkenntnisse.
Eine Erkrankung gilt nicht schon deshalb als erwartet, weil ein allgemeines Operationsrisiko bestand oder ärztlicherseits auf mögliche Komplikationen hingewiesen wurde. Unerwartet ist eine Erkrankung vielmehr dann, wenn das konkrete Komplikationsgeschehen in seiner Art und Schwere außergewöhnlich ist und deutlich über das hinausgeht, womit typischerweise gerechnet werden muss. Kommt es infolge eines operativen Eingriffs zu einer schwerwiegenden Komplikation, die andere Organsysteme betrifft und einen intensivmedizinischen Verlauf erfordert, liegt eine unerwartet schwere Erkrankung im Sinne der Versicherungsbedingungen vor.
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