Der Erwerb von Wohneigentum stellt für viele eine der größten finanziellen Entscheidungen ihres Lebens dar. Ein klassischer Weg zur Realisierung dieses Ziels ist der Abschluss eines
Bausparvertrages. Zuerst wird in einer
Ansparphase ein bestimmtes Mindestguthaben angespart, um anschließend in der
Darlehensphase ein zinsgünstiges Bauspardarlehen zu erhalten. Doch was geschieht, wenn der Bedarf an Kapital für eine Immobilie entsteht, bevor der Bausparvertrag die sogenannte Zuteilungsreife erlangt hat? In solchen Fällen bieten Finanzinstitute die Möglichkeit einer Bauspar-Vorfinanzierung oder einer Bauspar-Zwischenfinanzierung an. Diese Instrumente können eine flexible Lösung darstellen, bergen jedoch auch spezifische rechtliche und finanzielle Aspekte, die sorgfältig geprüft werden müssen.
Funktionsweise von Vor- und Zwischenfinanzierung
Obwohl die Begriffe oft synonym verwendet werden, gibt es eine gebräuchliche Abgrenzung. Von einer Vorfinanzierung wird typischerweise gesprochen, wenn die Finanzierungslücke geschlossen wird, bevor das im Bausparvertrag vereinbarte Mindestsparguthaben erreicht ist. Eine Zwischenfinanzierung hingegen überbrückt den Zeitraum zwischen dem Erreichen des Mindestsparguthabens und der tatsächlichen Zuteilung des Bausparvertrages. In der Praxis ist die Struktur beider Modelle jedoch sehr ähnlich.
Der Bausparer erhält ein Darlehen, das in seiner Höhe der gesamten Bausparsumme entspricht. Ein wesentliches Merkmal dieses Kredits ist, dass er tilgungsfrei gestellt wird. Das bedeutet, der Darlehensnehmer zahlt während der Laufzeit lediglich die anfallenden Zinsen an das finanzierende Kreditinstitut. Parallel dazu laufen die Sparraten für den Bausparvertrag weiter, bis dieser die Zuteilungsreife erlangt. Sobald die Bausparkasse den Vertrag zuteilt, wird die gesamte Bausparsumme – bestehend aus dem angesparten Guthaben und dem nun verfügbaren Bauspardarlehen – verwendet, um das Vor- oder Zwischenfinanzierungsdarlehen vollständig abzulösen. Anschließend beginnt die reguläre Tilgung des Bauspardarlehens. Die Vermittlung solcher Finanzierungen erfolgt häufig direkt durch die Bausparkasse, die dabei auf Kredite von Partnerbanken oder anderen Kreditinstituten zurückgreift.
Vertragliche Fallstricke: Bedeutung der Zinsbindungsfrist
Ein entscheidender Punkt bei der Prüfung eines Angebots zur Vor- oder Zwischenfinanzierung ist die vertragliche Ausgestaltung der Zinsen. Bausparer sollten mit Nachdruck darauf achten, dass der Zinssatz für das bereitgestellte Darlehen über die gesamte voraussichtliche Laufzeit bis zum Zuteilungszeitpunkt festgeschrieben ist. Die
Zuteilung eines Bausparvertrages erfolgt nicht zu einem exakt vorhersagbaren Kalenderdatum, sondern hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie der Höhe des angesparten Guthabens, der Vertragslaufzeit und der sogenannten Bewertungszahl. Diese Kennzahl wird von der Bausparkasse ermittelt und spiegelt die „Sparverdienste“ des Kunden wider.
Die Gefahr liegt in einer zu kurz bemessenen Zinsbindungsfrist. Läuft diese aus, bevor der Bausparvertrag zuteilungsreif ist, kann das finanzierende Kreditinstitut den Zinssatz an die dann aktuellen Marktbedingungen anpassen. In einer Phase steigender Zinsen kann dies zu einer unvorhergesehenen und erheblichen finanziellen Mehrbelastung führen, da die monatlichen Zinszahlungen für das Darlehen sprunghaft ansteigen. Eine sorgfältige und realistische Planung der voraussichtlichen Zuteilungsreife in Verbindung mit einer ausreichend langen Zinsfestschreibung ist daher unerlässlich, um finanzielle Risiken zu minimieren. Teilweise werden die Mittel für eine Zwischenfinanzierung direkt von der Bausparkasse zu Konditionen gewährt, die etwas unter den marktüblichen Hypothekenzinsen liegen können, was eine genaue Prüfung der Angebote umso wichtiger macht.
Korrekte Berechnung der Kosten: Transparenz beim effektiven Jahreszins
Die mit einem Bausparvertrag und dessen Vorfinanzierung verbundenen Kosten müssen für den Verbraucher transparent und nachvollziehbar dargestellt werden. Eine zentrale Kennziffer hierfür ist der effektive Jahreszins, der neben dem Nominalzins auch weitere Kostenbestandteile wie Bearbeitungsgebühren berücksichtigt. Eine besondere rechtliche Frage stellt sich im Zusammenhang mit der Abschlussgebühr des Bausparvertrages, wenn dieser von Beginn an vorfinanziert wird. Diese einmalige Gebühr fällt für den Abschluss des Bausparvertrages an, ihre Kostenwirkung erstreckt sich aber über die gesamte Konstruktion, also sowohl über die Phase des Vorfinanzierungsdarlehens als auch über die spätere Phase des Bauspardarlehens.
Ein Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts hat hier für mehr Klarheit gesorgt. Wird die Bausparvertragssumme vorfinanziert, so ist die Abschlussgebühr bei der Berechnung des effektiven Jahreszinssatzes nicht willkürlich einem der beiden Darlehensteile zuzuordnen. Stattdessen muss sie prozentual aufgeteilt werden. (OLG Schleswig, 24.11.2022 - Az:
5 U 141/21) Die Aufteilung richtet sich dabei nach dem Verhältnis, in dem das Bauspardarlehen und die angesparten Raten zur gesamten Bausparsumme stehen. Diese Vorgehensweise, die sich auf die Preisangabenverordnung (PAngV) in ihrer damals gültigen Fassung stützt, stellt sicher, dass die Kostenbelastung periodengerecht verteilt wird und der effektive Jahreszins ein realistisches Bild der Gesamtkosten vermittelt. Für Verbraucher bedeutet dies einen besseren Schutz vor irreführenden Kostenangaben, bei denen die Abschlussgebühr möglicherweise so verrechnet wird, dass einer der beiden Finanzierungsabschnitte künstlich günstiger erscheint.
Gesamtwirtschaftliche Betrachtung und alternative Finanzierungsformen
Bei der Entscheidung für oder gegen eine Vor- oder Zwischenfinanzierung sollte nicht nur die unmittelbare Verfügbarkeit des Kapitals im Vordergrund stehen. Es ist eine umfassende wirtschaftliche Bewertung notwendig. Bausparer müssen sich bewusst sein, dass sie während der Laufzeit des tilgungsfreien Darlehens Zinsen auf die volle Bausparsumme zahlen, während ihr eigenes Sparvermögen im Bausparvertrag nur vergleichsweise gering verzinst wird. Diese „Doppelbelastung“ kann die Gesamtfinanzierung im Vergleich zu einem klassischen Annuitätendarlehen, bei dem von Anfang an getilgt wird, deutlich verteuern.
Die Sinnhaftigkeit einer solchen Konstruktion hängt stark von der individuellen Situation ab, insbesondere vom aktuellen Zinsniveau und der erwarteten Zinsentwicklung. In einer Niedrigzinsphase kann die Sicherung eines günstigen Darlehenszinses für die Zukunft durch den Bausparvertrag ein starkes Argument sein. Stehen die Zinsen für das Vorfinanzierungsdarlehen jedoch in einem ungünstigen Verhältnis zum Bauspardarlehenszins und den Guthabenzinsen, können alternative Finanzierungsmodelle wie ein variables Darlehen oder ein Annuitätendarlehen mit der Möglichkeit von Sondertilgungen die wirtschaftlich vernünftigere Wahl sein. Eine fundierte und unabhängige Beratung ist hierbei von entscheidender Bedeutung, um die langfristigen finanziellen Auswirkungen der gewählten Finanzierungsstruktur vollständig zu überblicken und eine informierte Entscheidung zu treffen, die den eigenen finanziellen Zielen und Möglichkeiten entspricht.