Die Antragstellerin vermietet Wohnmobile, sogenannte Lovemobile, an Prostituierte. Mit Normenkontrollantrag und -eilantrag vom 7. August 2020 wendet sie sich gegen die Schließung von Prostitutionsstätten, Bordellen und ähnlichen Einrichtungen sowie der Straßenprostitution nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der (6.) Niedersächsischen Verordnung zur Neuordnung der Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus SARS-CoV-2 - Niedersächsische Corona-Verordnung - vom 10. Juli 2020 (Nds. GVBl. S. 226, 257), zuletzt geändert durch Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 11. August 2020 (Nds. GVBl. S. 267).
Die Antragstellerin ist aber nicht antragsbefugt im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO.
Die von der Antragstellerin durchgeführte Bereitstellung von Prostitutionsfahrzeugen („Lovemobilen“) ist nicht durch § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung eingeschränkt.
Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung sind „Prostitutionsstätten, Bordelle und ähnliche Einrichtungen sowie die Straßenprostitution“ für den Publikumsverkehr und Besuche geschlossen. Prostitutionsfahrzeuge fallen nicht hierunter.
Laut der Gesetzesbegründung sollen von der Begriffsdefinition alle üblicherweise als Bordelle, bordellartige Einrichtungen, Wohnungsbordelle, Terminwohnungen, Modellwohnungen etc. qualifizierten, gewerbsmäßig betriebenen Betriebsstätten umfasst sein (BT-Drs. 18/8556, S. 60). Von dem eigenständigen Begriff der Prostitutionsstätte im Sinne des § 2 Abs. 3 Nr. 1 ProstSchG sind daher die unter § 2 Abs. 3 Nr. 2. bis 4. ProstSchG erwähnten Fallgruppen des Prostitutionsgewerbes, also auch Prostitutionsfahrzeuge nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 und Abs. 5 ProstSchG, nicht umfasst.
Es ist nicht erkennbar, dass der Verordnungsgeber der Niedersächsischen Corona-Verordnung eine vom Begriff der Prostitutionsstätte im Sinne des ProstSchG abweichende Begriffsbestimmung vornehmen wollte.
Prostitutionsfahrzeuge sind auch keine Bordelle im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Alternative 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung.
Der vom Verordnungsgeber verwendete Begriff „Bordell“ findet sich, soweit erkennbar, in keiner Bundes- oder niedersächsischen Landesnorm. Er entstammt der Alltagssprache und umschreibt ein Gebäude, in dem Menschen sexuelle Dienstleistungen anbieten. In der obergerichtlichen Rechtsprechung wird „Bordellbetrieb“ bzw. „Bordell“ von Prostitutionsstätten dahingehend abgegrenzt, dass bei einem Bordellbetrieb eine Vielzahl von Menschen zusammentreffen. Damit dürfte Bordell als Synonym, allenfalls als Unterfall einer Prostitutionsstätte zu verstehen sein. Teilweise werden auch Lovemobile als „mobile Bordelle“ bezeichnet, was jedoch bereits deutlich macht, dass keine Bordelle im eigentlichen Wortsinn vorliegen.
Prostitutionsfahrzeuge sind auch keine „ähnlichen Einrichtungen“ im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Alternative 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung.
Es ist schon fraglich, ob ein Wohnmobil einer Prostitutionsstätte oder einem Bordell ähnlich ist, da es keine bauliche Anlage darstellt. Dagegen, dass Prostitutionsfahrzeuge als ähnliche Einrichtungen anzusehen sind, spricht zudem die Erwägung, dass der Verordnungsgeber, wenn er denn derartige Tätigkeiten untersagen wollte, sich wie beim verwendeten Begriff „Prostitutionsstätte“ der entsprechenden Terminologie des ProstSchG hätte bedienen können. Er hätte entweder die Prostitutionsfahrzeuge eigenständig unter § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung aufführen können, oder anstelle des Begriffs Prostitutionsstätte den Begriff „Prostitutionsgewerbe“ verwenden können, den definierten Oberbegriff für Prostitutionsstätten, -fahrzeuge, -veranstaltungen und -vermittlung. Formulierungen wie „ähnliche Einrichtungen“ bezwecken, einen begrifflich nur schwer eingrenzbaren Bereich fassen zu können und Umgehungen zu vermeiden. Prostitution ist, wie § 2 ProstSchG zeigt, hingegen mit wenigen und zudem legal definierten Begriffen präzise eingrenzbar. Prostitutionsfahrzeuge sind auch keine Umgehungen bei einer Schließung von Prostitutionsstätten, sondern bereits zuvor bestehende, benennbare Fallgruppen des Prostitutionsgewerbes.
Prostitutionsfahrzeuge unterfallen schließlich nicht der Straßenprostitution im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Alternative 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung.
Der Begriff „Straßenprostitution“ ist, soweit erkennbar, wie „Bordell“ kein Begriff aus dem Bundes- oder niedersächsischen Landesrecht. Im ProstSchG wird der Begriff nicht verwendet; die Gesetzesbegründung geht allerdings davon aus, dass unter den Begriff „Straßenstrich“ Bereiche der Prostitution fallen, die nicht vom Begriff „Prostitutionsgewerbe“ (Prostitutionsstätten, -fahrzeuge, -versammlungen und -vermittlung) erfasst werden. Dies spricht bereits gegen die Annahme, dass Prostitutionsfahrzeuge hierunter fallen. Auch die wissenschaftliche Analyse der Prostitution differenziert zwischen „Straßenstrich“ (mit Auto oder mit Hotelbesuch/Zimmer) und „Wohnwagen“.
Die Bezeichnung findet sich als Rechtsbegriff nur in Sperrbezirksverordnungen und bezeichnet dort ein Verbot, auf öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen, in öffentlichen Anlagen sowie an sonstigen Orten, die von dort aus eingesehen werden können, der Prostitution nachzugehen. In entsprechenden Verordnungen wird, soweit überhaupt Prostitution näher beschrieben wird, die Straßenprostitution getrennt von der Prostitution in Prostitutionsfahrzeugen genannt.
Somit spricht überwiegendes dafür, dass Prostitutionsfahrzeuge auch nicht unter den Begriff „Straßenprostitution“ fallen. Auch der Antragsgegner trägt insoweit keine gegenteilige Auffassung vor, sondern meint - zu Unrecht - Prostitutionsfahrzeuge seien als Prostitutionsstätten, zumindest als ähnliche Einrichtungen anzusehen.