Die Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts und des Rechts zur Regelung schulischer Angelegenheiten kann gerechtfertigt sein, wenn Eltern ihren Kindern aus religiösen Gründen den Besuch einer öffentlichen Schule verweigern und dadurch das
Kindeswohl gefährden. Maßgeblich ist, dass die staatliche Schulpflicht als Ausprägung des verfassungsrechtlichen Erziehungsauftrags aus Art. 7 Abs. 1 GG gegenüber dem elterlichen Erziehungsrecht aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG und der Glaubensfreiheit aus Art. 4 GG gleichrangig ist und im Konfliktfall vorrangig zum Schutz des Kindeswohls durchgesetzt werden darf.
Die
elterliche Sorge unterliegt den Grenzen des
§ 1666 BGB, wenn Eltern durch ihre Erziehungsentscheidungen das körperliche, geistige oder seelische Wohl ihrer Kinder gefährden. Eine solche Gefährdung liegt vor, wenn Eltern den staatlichen Bildungsauftrag vollständig ablehnen und ihren Kindern dadurch den Zugang zu einer allgemein anerkannten Schulbildung verwehren. Die Vermittlung von Wissen und sozialer Kompetenz in der Schule ist Teil des Kindeswohls und dient der Entwicklung zu verantwortungsbewussten Mitgliedern einer pluralistischen Gesellschaft.
Der staatliche Erziehungsauftrag umfasst nicht nur die Wissensvermittlung, sondern auch die Förderung sozialer und staatsbürgerlicher Fähigkeiten. Diese können nur im schulischen Gemeinschaftsleben erlernt werden, in dem Kinder mit unterschiedlichen Meinungen und Lebensanschauungen in Kontakt kommen. Die Ablehnung der Schulpflicht zugunsten des häuslichen Unterrichts ohne staatliche Kontrolle beeinträchtigt somit nicht nur den Bildungsstand, sondern auch die soziale Entwicklung der Kinder.
Das elterliche Erziehungsrecht findet seine Grenze, wenn durch dessen Ausübung das Kindeswohl konkret gefährdet wird. Weder die Berufung auf religiöse Überzeugungen noch auf die Glaubensfreiheit rechtfertigen eine dauerhafte Befreiung von der Schulpflicht. Art. 4 GG und Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG schützen zwar das Recht der Eltern, ihre Kinder im eigenen Glauben zu erziehen, doch steht dem der staatliche Bildungs- und Erziehungsauftrag aus Art. 7 Abs. 1 GG gleichgeordnet gegenüber. Die Grundrechte sind im Wege praktischer Konkordanz auszugleichen. Ein vollständiges Fernhalten vom Schulunterricht lässt sich damit nicht vereinbaren.
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